Wir wollen eine andere Gesellschaft!

Gar nicht weltfremd: Das Ringen um Alternativen zum bestehenden System hat aus guten Gründen eine lange Tradition.
Albert Kropf

Die meisten von uns kennen wahrscheinlich eines der bekanntesten Lieder von John Lennon, nämlich „Imagine“. Das ist eine eher langsamere Nummer nur mit Klavier; ein „L’amour Hatscher“ wie man/frau dazu in Wien sagt. Vielmehr als das interessiert uns jetzt aber, um was es in diesem Lied geht. Lennon besingt darin nämlich eine andere Welt. Eine Welt ohne Grenzen, Krieg und Besitz, eine Welt in der alle alles teilen und friedlich miteinander leben. Im Prinzip beschreibt er damit eine andere, eine Alternative zu unserer jetzigen Gesellschaft. Und damit - mit alternativen Gesellschaftsmodellen – wollen wir uns einmal am Beginn kurz auseinandersetzen.

Arbeiten oder nicht arbeiten, das ist hier die Frage

Alternative Gesellschaftsmodelle sind fast so alt wie die Menschheit selbst. Aber eben nur fast, weil ihr Aufkommen eng mit sozialer Ungerechtigkeit verbunden ist. Solange die Menschen gleichberechtigt untereinander lebten, gab es demnach auch keine soziale Grundlage für alternative Gesellschaftsmodelle. Diesen Abschnitt der Menschheitsgeschichte bezeichnen wir auch als Urkommunismus oder „Kommunismus der Armut“. Armut deswegen, weil die Menschen damals ein karges Leben führten und alle am Überleben der Sippe mitarbeiten mussten. Aufgrund von Verbesserungen (Ackerbau etc.) konnten die Menschen dann mehr erwirtschaften, als sie verbrauchten. Damit war es möglich, dass einige nicht mehr mitarbeiten mußten. Langfristig übernahmen sie die Rolle von z. B. Königen und Priestern. Die soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit wurde „geboren“, weil die einen arbeiten und die anderen eben nicht. Von da an begleiten alternative Gesellschaftsmodelle und Versuche radikaler Umwälzungen die Menschheitsgeschichte. Dazu gehören Religionen genauso wie z. B. der Entwurf einer anderen Gesellschaft des griechischen Philosophen Platon vor rund 2500 Jahren. Im Prinzip besteht die ganze Menschheitsgeschichte aus dem Ringen um Veränderung – bedingt dadurch, dass es soziale Ungleichheit gibt. Diese Erkenntnis verdanken wir Karl Marx und Friedrich Engels. Die beiden haben schon vor rund 150 Jahren im Kommunistischen Manifest dazu folgendes geschrieben: „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz Unterdrücker und Unterdrückter standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen Kampf …“ Und betrachten wir die Geschichte finden wir tatsächlich unzählige Beispiele für diese Kämpfe: die Reformer Roms, der Sklavenaufstand des Spartakus, die Bauernkriege und schließlich auch die Revolutionen des 20. Jahrhunderts, die in Russland, Österreich und Deutschland den Kaiser verjagten, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Die Welt in der wir heute leben

Wollen wir feststellen, ob es heute noch eine Grundlage für alternative Gesellschaftsmodelle gibt, müssen wir uns nur umsehen. Es wird nicht lange dauern und wir werden auf viel Ungleichheit und Ungerechtigkeit stoßen. Und das obwohl wir in Europa im Vergleich zum Rest der Welt oft noch ein vergleichsweise besseres Leben führen. Und trotzdem leben hier bei uns, in Österreich, eine Million und in der EU 72 Millionen Menschen an oder bereits unter der Armutsgrenze. Aber wie schaut’s im Rest der Welt aus? 842 Millionen Menschen hungern, während es Lebensmittel für 12 Milliarden Menschen gibt. Alle 5 Sekunden stirbt ein Kind in Folge von Unterernährung! Eine Milliarde Menschen leben in Slums. 2,4 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu einer medizinischen Basisversorgung. Das Vermögen der drei reichsten Personen ist größer als das gemeinsame BIP der 48 am wenigsten entwickelten Länder mit 600 Millionen EinwohnerInnen. Ja, es gibt noch sehr viel zu verändern und damit eine Grundlage für eine andere Gesellschaft. Unsere Welt ist zutiefst ungerecht!

Mit Hammer und Axt im Wienerwald?

Seit je her gibt es Tendenzen den Urkommunismus als Paradies, goldenes Zeitalter (...) zu verklären und idealisieren. Der Fortschritt und die „Zivilisation“ machen die Menschen schlecht und sähen Zwietracht und Missgunst. Demnach braucht es nur einen Rückzug bzw. Abschaffung des Fortschritts und alle leben wieder gemeinsam friedlich miteinander. Klingt ja recht einfach und deswegen gab’s quer durch die Geschichte immer wieder ideologische Ansätze in diese Richtung. Wie absurd und widersprüchlich derlei Ansätze in der Praxis sind, zeigt sich bereits daran, dass gerade reaktionäre politische Kräfte kein Problem haben moderne Mittel der Propaganda, Unterdrückung, Kriegsführung (...) einzusetzen. Das weist gleichzeitig auf den wirklich entscheidenden Punkt hin: Eigentlich ist der Fortschritt gar nicht schlecht. Vielmehr werden die Auswirkungen ungleicher Verteilung mit dem Fortschritt und seinen - potentiellen - Möglichkeiten vertauscht. Das lässt sich gut am Beispiel Arbeit zeigen. Der Fortschritt bringt eine neue Maschine, die weniger Arbeitskräfte benötigt. Anstatt jetzt als logische Folge die Arbeitszeit zu reduzieren, werden die Arbeitskräfte reduziert. In England entwickelte sich deswegen im 19. Jahrhundert eine Bewegung, die Maschinen in den Fabriken zerstörte – die so genannten Maschinenstürmer oder Ludditen. Es war aber nicht die Schuld des Fortschritts (also der Maschinen), dass Arbeitsplätze verloren gingen und Menschen vor dem Nichts standen. Damals wie heute stellte sich die Frage: In wessen Dienst steht dieser Fortschritt bzw. gelingt es, die bestehenden technischen (...) Möglichkeiten zum Wohle aller einzusetzen?

Was anderes muss her!

Zu dieser Erkenntnis sind auch schon viele vor uns gekommen. Besonders nach der industriellen Revolution hat der Kapitalismus ein bis dahin nicht gekanntes Elend geschaffen. Das hat viele angeregt, über eine andere Form des Zusammenlebens nachzudenken. Dabei waren sich viele darin einig, dass der Grund in der neuen Produktionsweise, nämlich mit Maschinen und Arbeitern liegt. Einer von ihnen war selbst Fabrikant – Robert Owen. Er empfand das Leben seiner ArbeiterInen als menschenunwürdig und kam selbst zum Schluss: „die Leute waren meine Sklaven“. Also suchte Owen nach einer Möglichkeit, um das Elend seiner ArbeiterInnen zu lindern. Dafür baute er in Südschottland in einem abgelegenen Tal eine Textilfabrik und Siedlung auf – New Lanark. Die Arbeit wurde zeitlich beschränkt, es gab eine Bibliothek, Freizeiteinrichtungen, Schulen und eigene Wohnhäuser. Das Resultat war beeindruckend. Friedrich Engels beschrieb es so: „Eine allmählich auf 2500 Köpfe angewachsene, ursprünglich aus den gemischtesten und größtenteils stark demoralisierten Elementen sich zusammensetzende Bevölkerung wandelte er um in eine vollständige Musterkolonie, in der Trunkenheit, Polizei, Strafrichter, Prozesse, Armenpflege, Wohltätigkeitsbedürfnis unbekannte Dinge waren.“ (Engels: Entwicklung des Sozialismus). Trotz seines Erfolges erlitt Owen aber mit New Lanark Schiffbruch. Es hat funktioniert, aber nur bis zur ersten Krise der Textilwirtschaft. Denn durch die zunehmende Konkurrenz war die Musterkolonie einfach nicht mehr finanzierbar. Wir sehen daraus, dass das Handeln von UnternehmerInnen auch keine moralische Frage ist, sondern durch die Konkurrenz eine kapitalistische Notwendigkeit ist, um selbst zu überleben.
Ein anderes Beispiel ist Charles Fourier. Er lebte in etwa zur gleichen Zeit wie Owen in Frankreich. Auch er wurde durch das Elend des Kapitalismus angestoßen, nach einer Alternative zu suchen. Seine sicherlich bedeutendste Erkenntnis ist, dass sich die Fortschrittlichkeit einer Gesellschaft daran zeigt, wie weit die Frau dem Mann gleich gestellt ist. Daneben hat er auch noch ein Gesellschaftsmodell am Reißbrett geschaffen, in dem er die Menschen in kleine je 1600 Mitglieder große Kommunen einteilt. Das Eigentum an Produktionsmitteln wird nicht angetastet, es gibt aber einen fixen Verteilungsschlüssel für alle Produkte und Güter. Von seinem Modell überzeugt, appelliert Fourier an die Vernunft der Herrschenden, doch zu seinem System überzugehen. Seine größten Hoffnungen setzte er dabei auf Baron Rothschild, dass dieser mit seinem Geld eine Musterkolonie finanzieren würde. Das wäre so, als wenn heute von Bill Gates erwartet werden würde, sein Geld zur Auflösung von Microsoft und der Entwicklung von Open Source Software zu Verfügung zu stellen. Und so passierte was passieren musste, Fourier starb ohne dass sein Modell verwirklicht wurde. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit haben Fourier und Owen etwas gemeinsam. Beide appellierten an die Vernunft der Herrschenden und beide sahen keine soziale Basis, auf die sich stützen konnten. Das Fehlen dieser sozialen Basis war es auch, warum ihre Modelle letztlich zum Scheitern verurteilt waren.

Bei welchen Ideen können wir heute ansetzen?

Owen selbst hat diese Frage gegen Ende seines Lebens teilweise schon selbst beantwortet. Nach dem Scheitern seiner Kolonien sah er die Notwendigkeit, die Lebenssituation der ArbeiterInnen zu verbessern. Und weil die ArbeiterInnen Dreh- und Angelpunkt seines Lebens blieben, engagierte er sich in der englischen Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung. Er tat das als „Überbrückung“ bis ein Weg zu einer anderen Gesellschaft gefunden war. Es waren wieder Marx und Engels, die das „Problem“ der sozialen Basis für eine neue Gesellschaft lösen konnten. Durch ihr entwickeltes Gesellschafts- und Geschichtsverständnis erkannten sie das Potential der ArbeiterInnen als gesellschaftliche Klasse. Einerseits als objektive Klasse an sich im kapitalistischen Produktionsprozess im Gegensatz zum Bürgertum. Und dann als subjektive Klasse für sich, die in Klassenkämpfen entsteht. Die ArbeiterInnenklasse ist also nicht von Geburt aus fortschrittlich, sondern erst durch die Auseinandersetzung zur Verbesserung der Lebenssituation wird sie zur Trägerin einer neuen Gesellschaft. Und so kommen sie zum Schluss, dass das Elend des Kapitalismus nur durch eine proletarische Revolution im Kommunismus aufzulösen ist. „(…) dass also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende Klasse auf keine andre Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der Gesellschaft befähigt zu werden.“ (Marx, Engels: Die deutsche Ideologie).

Rote Alternative statt dunkler Perspektiven!

An den grundsätzlichen Rahmenbedingungen hat sich nichts geändert. Wir leben noch immer im Kapitalismus und ein immer kleiner werdender Teil besitzt immer mehr. Noch nie war die ArbeiterInnenklasse – also alle, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen (Angestellte, Beamte etc.) – größer als heute. Noch nie war der Unterschied zwischen arm und reich so groß wie heute. Gleiches gilt für die Verschmutzung unserer Umwelt, das angehäufte militärische Zerstörungspotential, aber auch die Gefahren die sich aus der ökonomischen Krise ergeben können. Doch als Gegenpol stehen dem nicht nur die Möglichkeiten gegenüber, welche Technik, Wissenschaft, etc... an sich bieten, der Menschheit ein sicheres Leben zu ermöglichen.  Ebenso sind wir um viele historische Erfahrungen reicher: Wir wissen aufgrund der Erfahrungen in Osteuropa ebenso, dass ein sinnvoll geplantes Wirtschaften nur auf demokratischer Grundlage funktionieren kann. Und das der Kapitalismus auch in der Krise nicht von selbst zusammenbricht, sondern es Menschen braucht die sich organisieren, mit dem Ziel, dieses System abzuschaffen ...

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