Wie weiter für Griechenland?

Das Beispiel Griechenland zeigt, dass der Wille alleine noch nicht genug ist.
Sebastian Kugler

In Griechenland finden die Krise des Kapitalismus und die Frage seiner Überwindung wohl ihren derzeit radikalsten Ausdruck. Seit mehr als drei Jahren kämpfen die griechischen ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen - der Wille ist ungebrochen. Heroisch und verzweifelt wird gestreikt, demonstriert und besetzt. Trotzdem ist es nicht gelungen, die Politik des Kapitals dauerhaft zurückzuschlagen und selbst die Macht zu ergreifen.

Griechenland zeigt, dass der Wille alleine nicht genug ist. Eine erfolgreiche Revolution braucht eine politische Führung und ein konkretes Programm. Sie muss wissen, was als nächstes zu tun ist, wie Errungenschaften verteidigt werden und dauerhaft mit dem Kapitalismus gebrochen werden kann. Die Wahlen bieten eine Chance für die Linksparteien KKE und Syriza. Eine linke, sozialistische Regierung scheint in greifbarer Nähe. Doch eine Regierungskoalition der Linksparteien alleine bietet keinen Ausweg. Egal, ob Griechenland im Euro bleibt, rausgeworfen wird oder selbst rausgeht – auf kapitalistischer Basis bedeutet jede Möglichkeit Leid und Armut für die ArbeiterInnenklasse. KKE und Syriza zeichnen sich jetzt schon nicht gerade durch Konsequenz aus. Sollten sie in die Regierung kommen, wird der Druck, den Forderungen des Kapitals nachzugeben und die Schulden zurückzuzahlen, ins Unermessliche steigen. Eine „linke“ Regierung, die sich dabei auf eine brüchige parlamentarische Mehrheit stützt, kann dabei nur nachgeben und zusammenstürzen. Deswegen schlägt Xekinima, die griechische Schwesterorganisation der SLP, ein Aktionsprogramm vor.

Eine linke Regierung aus Syriza und KKE müsste die Forderung nach Nichtbezahlung der Schulden und die Verstaatlichung der Banken und der Schlüsselindustrie unter demokratischer Kontrolle durch Komitees der Beschäftigten auf allen Ebenen umsetzen. Bereits jetzt haben die Beschäftigten einzelne Betriebe übernommen und führen sie unter demokratischer Führung weiter. Diese Besetzungen und Übernahmen müssen im Rahmen eines unbefristeten Generalstreiks ausgeweitet werden. Die Regierung würde sich nicht mehr auf das Parlament stützen, sondern auf die Räte und Nachbarschaftskomitees, die sich im Rahmen einer solchen Bewegung bilden. Dies würde das kapitalistische System in Griechenland in Frage stellen. Die Antworten des Kapitals können vielfältig sein: Vom versuchten Abzug sämtlicher Gelder – was durch effektive Verstaatlichung und ArbeiterInnenkontrolle von Banken und Unternehmen verhindert werden kann – über Sanktionen bis zur militärischen Aggression. Dagegen kann sich eine junge, national begrenzte Revolution alleine nicht wehren. „Die Vollendung der sozialistischen Revolution innerhalb nationaler Grenzen ist undenkbar“, wusste schon der russische Revolutionär Leo Trotzki. Auf Basis von internationaler Solidarität und eines gemeinsamen Kampfes von ArbeiterInnen in ganz Europa gegen die Sparpolitik der Troika und der EU könnte die Frage einer sozialistischen Föderation in Europa auf freiwilliger Basis auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das wäre eine sozialistische Alternative zu EU und Euro.

Sollte bei den Wahlen wegen der Fehler der Linken eine bürgerliche, pro-kapitalistische Regierung an die Macht kommen, kann nicht auf die nächsten Wahlen gehofft werden. Die Linke muss mit den Gewerkschaften eine unbefristete Streik- und Besetzungsbewegung ins Rollen bringen, bis die Regierung fällt. In diesem Prozess müssten demokratische Komitees in Nachbarschaften und Betrieben aufgebaut werden, die, demokratisch vernetzt, eine „Gegenmacht“ aufbauen könnten. Durch die Übernahme der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens durch diese Komitees entsteht eine Situation, in der zwei „Staaten“ um die Macht ringen – der alte, bürgerliche Staat und der neue, demokratische ArbeiterInnenstaat. Die Zerschlagung der alten bürgerlichen Strukturen innerhalb dieses Prozesses würde den Sieg der ArbeiterInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen und den Aufbau einer demokratischen, sozialistischen Gesellschaft bedeuten.

Eine erfolgreiche Revolution in Griechenland würde die Karten in Europa neu mischen und einen Ausweg aus dem immergleichen Strudel kapitalistischer Sparpolitik und sozialdemokratischer Beschwichtigung bieten. Griechenland könnte wieder als Meilenstein der Demokratie in zukünftige Geschichtsbücher eingehen – einer tatsächlichen, sozialistischen und klassenlosen Demokratie.

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