Wer kämpft kann gewinnen – SozialistInnen gegen Wohnungsnot

Christian Bunke

Weltweit konnten CWI-Mitglieder in Bewegungen rund ums Wohnen wichtige Erfolge erzielen.

Ein kalter, verregneter Februartag an einem Samstag Morgen im Londoner Stadtteil Walthamstow. Schüchtern, ängstlich, sich flüsternd unterhaltend, kommen einzelne MieterInnen aus ihren Wohnungen des umliegenden „Butterfield-Estates“ zusammen. Ihre Mietwohnungen wurden gerade verkauft. Der neue Vermieter will sie rauswerfen: Die billigen Arbeiterwohnungen sollen aufgehübscht und teuer verkauft werden. Über den Köpfen der MieterInnen hängt das drohende Schicksal der Obdachlosigkeit. Die Frage, die sich an diesem Tag alle stellen: Kann man sich überhaupt dagegen wehren?

Butterfields ist kein Einzelfall. In allen großen Städten dieser Welt sind Menschen von Verdrängung aus ihren Wohngegenden bedroht und fragen sich, wie sie sich die Miete von ihren Löhnen überhaupt leisten können. In London geben die Menschen 2/3 ihres Einkommens für die Miete aus. Die MieterInnen des Butterfields Estates kommen aus zahlreichen Ländern, haben sehr lange Arbeitszeiten und kriegen wenig Lohn dafür. Wie kann man sich unter diesen Bedingungen wehren, wenn man sich abends müde von der Arbeit nach Hause schleppt? SozialistInnen sind der Meinung, dass man sich wehren muss und kann. Und man kann gewinnen. Butterfields wurde in England zum Symbol dafür. AktivistInnen der Socialist Party (englische Schwesterorganisation der SLP) organisierten Straßentreffen, brachten Anwohner und lokale Gewerkschaftsgruppen zusammen. Proteste wurden organisiert. Auktionen, auf denen die bedrohten Wohnungen verkauft werden sollten, wurden gestört. Es gab Demonstrationen zu Maklerfirmen, die sich daraufhin weigerten, die Wohnungen zu kaufen. Nach einem neunmonatigen Kampf konnten die Butterfields BewohnerInnen ihre Wohnungen behalten: „Wir haben nicht daran geglaubt, doch die Socialist Party hat uns gezeigt, wie man kämpft und gewinnt,“ so eine Bewohnerin.

Butterfields ist auch in der deutschen Großstadt Stuttgart. Dort werden ganze ArbeiterInnensiedlungen platt gemacht, um Bürotürme und teure Wohnbauten in die Höhe zu ziehen. Diese sind für die NormalverdienerInnen Stuttgarts nicht leistbar und bringen allenfalls den Miethaien und Finanzjongleuren etwas. Doch die Menschen nehmen es nicht hin. Ihr Kampf hat große Ähnlichkeiten mit der Butterfields-Auseinandersetzung in London. Stuttgarter AktivistInnen der SAV (deutsche Schwesterorganisation der SLP) und der Partei „Die Linke“ beteiligen sich an Treffen und Aktivitäten lokaler MieterInneninitiativen. Der Kreisverband von „Die Linke“ hat ein Massenfaltblatt gegen die Abrisspolitik herausgebracht. Linke Bezirks- und GemeinderätInnen unterstützen die MieterInnenkämpfe. Die MieterInneninitiativen organisieren Infostände, Flugblattverteilung, MieterInnenversammlungen und Plakatierung in den Stadtteilen. Auf Demonstrationen wurde Erhalt und Instandhaltung der Wohnungen gefordert.

Die Kämpfe sind noch lange nicht gewonnen, doch viel wurde erreicht. Das Selbstbewusstsein der Menschen wird durch die Proteste gestärkt, Vereinzelung und Isolation zurückgedrängt. Stabile und aktionsfähige Strukturen zur Koordinierung des Widerstandes werden aufgebaut. Das Thema Wohnen betrifft alle lohnabhängigen Menschen. Deshalb ist es wichtig, möglichst viele in den Kampf einzubeziehen und Verbindungen zu Gewerkschaften, linken Parteien und anderen Stadtteilinitiativen aufzubauen. Gemeinsam sind wir stark! Das ist das Motto der Kämpfe von MieterInnen.

Kämpfe ums Wohnen finden selten im luftleeren Raum statt. Oft werden sie von anderen Auseinandersetzungen begleitet, oder sind Startpunkt für neue Kämpfe. Beispiel Seattle. Dort verhinderten Proteste vor allem aus der afro-amerikanischen ArbeiterInnenklasse einen von der Stadt finanzierten, 160 Millionen Dollar teuren Bau einer neuen Polizeistation. Daraufhin startete die sozialistische Stadträtin und CWI-Aktivistin Kshama Sawant einen Aufruf: „lasst uns das Geld nutzen um 1.000 dringend benötigte und bezahlbare Wohnungen zu bauen“. Aus diesem Aufruf entstand eine Koalition aus 70 verschiedenen Organisationen, drei Dutzend Religionsgemeinschaften, MieterInneninitiativen und Gewerkschaften. Die in Seattle regierenden Demokraten konnten die so entstandene Bewegung nicht lange ignorieren. Schließlich stimmte der Stadtrat dem Bau von 200 neuen Wohnungen zu. Ein wichtiger Erfolg, aber trotzdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Doch ohne einen Kampf hätte es ihn nicht gegeben. Das ist auch eine Lehre aus der sozialistischen Stadtregierung im Liverpool der 1980er Jahre. Damals führten Mitglieder der trotzkistischen Militant Tendency (heute Socialist Party) eine Stadtverwaltung, die tausende neue Wohnungen gegen den erbitterten Widerstand der Thatcher-Regierung bauen konnte. Das ging nur, weil man in der Stadt Massendemonstrationen und Streiks zur Durchsetzung des Wohnungsbauprogramms organisierte.

Wer kämpft, kann gewinnen. Doch jeder Erfolg ist so lange bedroht, wie wir in einer Welt leben, in der das Profitstreben das Maß aller Dinge ist. Deshalb kämpfen wir für eine andere, eine sozialistische Welt.

 

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