Trotzki hatte Recht!

„Gibt es bei Ihnen kein Brot? Nein, bei uns gibt es keine Wurst – kein Brot gibt es gegenüber.“
Albert Kropf

Dieser Witz stammte aus dem „Ostblock“ der 1970er Jahre. Und tatsächlich wurden Lebensmittel auch 60 Jahre nach der Oktoberrevolution in Osteuropa rationiert. Eine Schicht an FunktionärInnen, BürokratInnen und PolitikerInnen lebte trotzdem in Saus und Braus. Dieses System etablierte sich in der Sowjetunion (SU) Ende der 1920er Jahre und dehnte sich 1945 über Osteuropa aus und wird als „Stalinismus“ bezeichnet. Dass das aber nichts mit dem Sozialismus von Marx & Engels oder den Bolschewiki zu tun hatte, liegt auf der Hand. Was war also passiert?

Was war die Sowjetunion?

Der Charakter der Sowjetunion spaltete ab den 1930er Jahren die internationale ArbeiterInnenbewegung. Eine kleine Clique hatte sich unter Stalins Führung an die Spitze des Staates und materiell über den Rest der Bevölkerung gestellt. Dagegen kämpfte die „Linke Opposition“ unter Leo Trotzki. Außerhalb der SU verschlossen viele SozialistInnen/KommunistInnen frei nach dem Motto „es kann nicht sein, was nicht sein darf“ die Augen vor diesen Entwicklungen. SozialdemokratInnen und Bürgerliche wiederum nutzten das für ihre Behauptung Bolschewismus würde automatisch zu Terror und Schreckensherrschaft führen. Trotz des Kampfes gegen den Stalinismus verteidigte die Linke Opposition die Errungenschaften der Oktoberrevolution. Im Gegensatz zu anderen, die im Stalinismus keine Besonderheit, sondern eine (staats)-kapitalistische Diktatur sahen, analysierte Trotzki in seinem 1936 erschienenen Buch „Die verratene Revolution“ die SU bis heute einzigartig. Er weist nach, dass es sich bei der SU noch immer um einen ArbeiterInnenstaat handelt, und zwar um einen besonderen, weil die Bürokratie die Produktionsmittel zwar diktatorisch verwaltete, aber selbst nicht zur neuen Bourgeoisie geworden ist.

Keine Zukunft für Stalinismus!

Zugleich machte er klar, dass der Stalinismus ein Regime ohne Zukunft ist. Er ließ sich im Gegensatz zu vielen anderen nicht von den zweistelligen Zuwachsraten der sowjetischen Wirtschaft in der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre blenden. Denn er erkannte, dass dem Wirtschaftswachstum nicht neue Technologien, sondern nur kopierte ausländische zu Grunde lagen. Eine qualitative Weiterentwicklung der Technologien kann es im Sozialismus aber nur bei größtmöglicher Demokratie geben. Genau die aber wurde vom Stalinismus unterdrückt und so setzte nach dem die ausländische Technik kopiert worden war, auch in den 50er Jahren der Stillstand ein. Es gab nur mehr die Alternative einer politischen, demokratischen Revolution durch die ArbeiterInnen oder kapitalistischen Restauration durch Teile der herrschenden Bürokratie. Letzteres können wir seit 1991 und unter den heutigen russischen Oligarchen beobachten. Trotzki hatte also Recht!

Erscheint in Zeitungsausgabe: