Tägliche Turnstunde ja, aber…

Die etablierten Parteien wollen mehr Bewegung an den Schulen – klingt gut, hat aber viele Haken
Stefan Reifberger

Nur 28 % der Kinder und Jugendlichen in Österreich betreiben Sport. Es darf nicht verwundern, wenn dabei bereits 24 % aller 7-14-Jährigen fettleibig sind. Die Parlamentsparteien fordern nicht erst seit dem Wahlkampf die tägliche Turnstunde, sondern griffen den Vorschlag schon früher auf. Ab 2014 soll das laut SPÖ in allen Pflichtschulen durchgesetzt werden.

Ein Mehr an Bewegung ist durchaus begrüßenswert. Aber eine solche Reform kann nicht über das antiquierte österreichische Schulsystem hinwegtäuschen: Kinder und Jugendliche werden ans System angepasst und nicht die Schule an den Bewegungsdrang des Menschen. Es werden weder der Freiraum noch die Möglichkeiten geboten, die sie brauchen.

Die tägliche Turnstunde im Sinne von SPÖ & Co. soll innerhalb des bestehenden Schulsystems umgesetzt werden und dabei am besten nichts kosten. Wie soll das gehen? Es fehlt an Räumlichkeiten und LehrerInnen. Verteidigungsminister Gerald Klug sprach davon, „Vereine in die Schulen zu bringen“. Private Vereine in die Schulen zu holen, würde eine weitere Privatisierung der Bildung und Mehrkosten für die Eltern bringen. Bleibt noch die forcierte Arbeitszeitverlängerung für LehrerInnen. Aber auch TurnlehrerIn ist kein Halbtagsjob – wie bei allen LehrerInnen gilt auch hier: Gute Vorbereitung braucht Zeit.

Im derzeitigen System ist die tägliche Turnstunde nicht umsetzbar. Dabei wäre das Geld dafür da – es befindet sich nur in den Taschen des Großkapitals. Diese Verteilung des Geldes wird von keiner der Parteien, die die tägliche Turnstunde fordern, auch nur hinterfragt.

Nur mit mehr Geld und im Rahmen einer Ganztagsschule könnte ein Mehr an Bewegung umgesetzt werden. Diese ließe sich ideal mit einem freiwilligen Kurssystem in Konsens bringen. SchülerInnen könnten sich dann etwa Bewegungsaktivitäten aus einem Angebot aussuchen. Jede/r nach ihren/seinen Fähigkeiten, jede/r nach ihren/seinen Bedürfnissen. Auch Kinder mit ärmerem Familienhintergrund könnten so ohne teure private Vereine Sport und Tanzarten kennen lernen.

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