Sri Lanka: Revolution am Scheideweg

Sebastian Kugler

„Revolutionen sind die Feste der Unterdrückten und Ausgebeuteten“ – diese Bemerkung Lenins könnte für die Situation in Sri Lanka nicht besser passen: Hunderte Demonstrant*innen, die am 9. Juli den luxuriösen Präsidentenpalast stürmen und sich im dortigen Swimming Pool vom Straßenkampf erfrischen; Tausende, die in den folgenden Tagen andere Regierungsgebäude zu öffentlichen Kantinen und Bibliotheken umfunktionieren; Millionen, die über Wochen und Monate durch Massenstreiks und Mobilisierungen das Zentrum der Macht auf die Straßen verlagerten  – die revolutionäre Bewegung in Sri Lanka, die sich den Namen „Janatha Aragalaya“ („Kampf des Volkes“) gibt, zeigte im Sommer das Potential einer sich erhebenden Arbeiter*innenklasse. Präsident Gotabaya Rajapaksa musste überstürzt fliehen. Er, sowie sein Bruder und Vorgänger Mahinda, standen an der Spitze des Rajapaksa-Clans, der Sri Lanka seit über 20 Jahren dominierte. Ihr Name steht für jahrelangen Krieg gegen die nationale Minderheit der Tamil*innen sowie für brutalste Kürzungspolitik im Auftrag von IWF & Co, die auch die sinhalesische Mehrheit traf. Während sie Luxusgüter anhäuften, litt die Bevölkerung unter der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten.

Manöver der Herrschenden

Die zentrale Forderung der Bewegung, „Gota go Home“, erfüllte sie selbst durch den Sturm des Palastes. Doch auch wenn die Rajapaksas gestürzt sind, ihre Politik ist es nicht. Im Gegenteil: „Gotas“ Nachfolger Ranil Wickremesinghe wurde noch von diesem ins Amt gehievt und macht sich an die Niederschlagung der Bewegung. Hunderte Gewerkschafter*innen wurden verhaftet. Wickremesinghe versucht, sich der Gunst Chinas – einem der größten Gläubiger des hochverschuldeten Staates – durch wissenschaftlich-militärische Kollaboration zu versichern, wie die Affäre um das Anlegen eines „Forschungs“schiffes der chinesischen Armee gezeigt hat. Das erregte Unmut bei der indischen Regierung und dem mit ihr verbündeten westlichen Imperialismus. Sri Lanka ist längst Teil des „Neuen Kalten Kriegs“ der imperialistischen Blöcke China und USA.

Der frühere oberste Befehlshaber der Armee Sarath Fonseka präsentiert sich als Kämpfer gegen Korruption und fordert Soldat*innen weiterhin auf, gegen korrupte Politiker*innen vorzugehen. Hinter diesem Populismus lauert die Gefahr einer vom Militär gestützten Diktatur. Doch auch die anderen Oppositionsparteien stellen keine Alternative zur herrschenden kapitalistischen Verarmungspolitik dar. Keine von ihnen stellt sich gegen die vom IWF geforderten Kürzungen, welche die Menschen auf die Barrikaden brachten.

Für eine sozialistische Alternative

Einen Ausweg aus Armut und Gewalt wird keiner der imperialistischen Blöcke und keiner ihrer politischen Lakaien bieten. Diesen kann Janatha Aragalaya nur aus sich selbst heraus entwickeln, trotz des Rückschlags der Bewegung. Die ISA schlägt den Aufbau demokratischer Komitees vor, welche die Forderung nach einer landesweiten Volksversammlung aufgreifen können. Zentrale Forderungen dabei sind die Nichtbezahlung der Schulden und die demokratische Kontrolle über die Schlüsselindustrien durch die Arbeiter*innenschaft. Wichtiges Element eines solchen Kampfes ist auch die Abschaffung der tamil-feindlichen Verfassung, um eine gemeinsamen Bewegung von Sinhales*innen und Tamil*innen aufzubauen. Diese Programmatik muss sich in der Formierung einer neuen revolutionären Organisation bündeln, die in der Lage ist, die konkreten nächsten Schritte der Bewegung aufzuzeigen.

Daten und Fakten:

Laut einer UN-Studie müssen 70% der Haushalte Mahlzeiten auslassen, um über die Runden zu kommen. Strom, Gas und Benzin sind regelmäßig tage- oder gar wochenlang nicht erhältlich.

 

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