SPÖ am Ruder – 1 Schritt vorwärts, 2 zurück

Teil 7 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung
Margarita Wolf

Bis heute wird Kreiskys Politik als fortschrittlich, sozial und sogar links dargestellt. Zwar war die SPÖ damals noch eine Partei der Arbeiter*innen, doch von linker, sozialistischer Politik keine Spur. 

Die Nachkriegszeit war bis in die 60-er Jahre geprägt von einem weltweiten Wirtschaftsaufschwung. In Österreich gefördert durch die Unterstützung der USA, um den Einfluss der Sowjetunion zurückzudrängen. Gegen Ende der 60-er Jahre wurden Investitionen immer weniger lukrativ, das läutete das Ende des Aufschwungs ein. Auch Klassenkämpfe hatten zugenommen. Durch den Beginn der Wirtschaftskrise konnten sich sozialdemokratische Parteien wieder mehr behaupten, weil eine staatliche Investitionspolitik und keynesianische Maßnahmen im Interesse des Kapitals waren. Die SPÖ überzeugte 1970 erstmals die Mehrheit der Wähler*innen. Es folgte die Alleinregierung der SPÖ unter Bruno Kreisky. Aus der Regierungserklärung 1971: „Konzentrations- und Kooperationsvorgänge im Unternehmensbereich, die Weckung und Stärkung der unternehmerischen Eigeninitiative und die Förderung eines freien und geordneten Wettbewerbs sollen zu einer Modernisierung und ständigen Erneuerung wirtschaftlicher Aktivität in neue, zukunftsträchtige Bereiche führen.“ Etwas, das die ÖVP nicht konnte, ohne ihre Basis an Kleinunternehmen und Bäuer*innen zu vergrämen.

Das europäische Freihandelsabkommen von 1973 schuf die Basis für Kreiskys Erfolg. Er subventionierte im großen Stil die Privatwirtschaft, etablierte staatliche Exportgarantien für das Privatkapital und eine harte Währungspolitik zwang Unternehmen, in Modernisierung zu investieren, die Löhne wurden niedrig gehalten. Die SPÖ-Alleinregierung spielte also den besten Modernisierer des Kapitalismus.

Widersprüche, soweit das Auge reicht

Um Kreiskys Politik zu entglorifizieren, braucht es nicht viel. Die Widersprüche zwischen dem “sozialistischen” Parteiprogramm und der tatsächlichen Politik liegen auf der Hand. Folgend einige Fun-facts: Die internationale Solidarität wurde mit Füßen getreten – die Verstaatlichte Industrie setzt unter Kreisky auf Rüstungsindustrie, die u.a. Pinochet in Chile belieferte. Die Arbeitslosenrate konnte u.a. deshalb niedrig gehalten werden, weil das Ausländerbeschäftigungsgesetz eben diese aus dem Arbeitsmarkt drängte. Wer sich innerhalb der SPÖ für einen linken Kurs einsetzte, wurde isoliert. Aussöhnung mit dem Hause Habsburg, mit dem katholischen Klerus und mit alten Nazis standen auch auf der Tagesordnung. Die Duldung der ersten Kreisky-Regierung durch die FPÖ spricht Bände.

Frauen- und Arbeiter*innenbewegung ruhig halten

Mit Reformen, die wenig kosten, manifestierte die SPÖ-Regierung und die Sozialpartnerschaft ihre Stellvertretungspolitik: Fristenlösung, Familienrechtsreform, Schulreform, freier Hochschulzugang, u.v.m. wurden im Laufe der 70er Jahre umgesetzt. Reformen, die die Situation der Arbeiter*innen verbesserten, aber nicht einmal annähernd an den Festen des Kapitalismus rüttelte. Dafür besänftigten diese die aufgeflammte Frauenbewegung der 68er-Jahre und man setzte Reformen um, die schon längst überfällig waren. „Wir machen das schon für euch“ war die Devise der Gewerkschaften und der Sozialpartnerschaft, die damals als quasi Nebenregierung fungierte. Das führte zu einer Entmündigung der Arbeiter*innenklasse, die bis heute anhält.

Durch die Weltwirtschaftskrise 1974/75 und deren Auswirkungen musste die SPÖ Regierung deutlicher ihr bürgerliches Gesicht zeigen. Öffentliche Aufträge an die Privatwirtschaft wurden 1975 im Vergleich zum Jahr davor um 50% erhöht. 1980-82 stiegen die staatlichen Wirtschaftsförderungen von 8 auf 12 Milliarden Schilling. Massensteuern wurden erhöht, wobei die Ausgaben für Soziales stagnierten. Proteste blieben nicht aus: Gegen das AKW-Zwentendorf, für Frieden und gegen das erste Sparpaket, das geschnürt werden „musste“. Dieses kostete der SPÖ letztendlich auch die absolute Mehrheit bei den Wahlen 1983. Der Reformismus, verkörpert durch die SPÖ war also wieder einmal an seine Grenzen gestoßen und gehörte nun der Vergangenheit an. Die Regierung Kreisky hat erfolgreich die Einkommen und Vermögen zu Ungunsten der Arbeiter*innenklasse verschoben und hinterließ den Kapitalismus unangetastet - aber modernisiert.

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