SPÖ & ÖGB 1945: Wiedergeburt als Kalte Krieger

Teil 6 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung
Albert Kropf

Seit Ende März 1945 tobt die militärisch sinnlose Schlacht um Wien. Getrieben durch den SS-Terror wird alles gegen die Rote Armee geworfen. Das ändert an der Kriegsniederlage nichts, verschafft aber Bonzen und Kriegsgewinnler*innen aus Wirtschaft und Politik Zeit, um sich und ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. Der Wehrmachtsbericht vom 14.4.1945: „Die Restbesatzung von Wien kämpft auf dem Westufer der Donau standhaft….“ Am gleichen Tag wird die SPÖ im Wiener Rathaus wiedergegründet, einen Tag später der überparteiliche ÖGB und kurz danach die KPÖ durch den aus Moskau eingeflogenen Johann Koplenig.

Wer ist noch da, um SPÖ und ÖGB zu gründen?

Zentrales Merkmal des Faschismus ist die physische Vernichtung der Organe der Arbeiter*innen-Bewegung. Zehntausende haben sich im Widerstand aufgerieben, wurden verschleppt oder ermordet. Einigen gelang die Flucht, sie leben verstreut und weit weg von Wien. Es sind hauptsächlich Ältere, die im April 1945 SPÖ und ÖGB gründen. Eine Schicht ehemaliger Funktionär*innen, die sich nicht verstecken oder fliehen mussten, sich mit dem Faschismus arrangiert hatten. Es sind hauptsächlich die Rechten (Renner, Schärf, Böhm etc.) in Partei und Gewerkschaft, die in den Vordergrund treten. Die Linken sind ja nicht mehr oder noch nicht da. ÖGB und SPÖ werden am Reißbrett entworfen. Die sich gerade formierende Basis, die mancherorts herrenlose Betriebe übernimmt, Nazis vertreibt und gemeinsame antifaschistische Strukturen von Sozialist*innen und Kommunist*innen aufbaut, soll vor vollendete Tatsachen gestellt werden. In der SPÖ geht es darum, den Einfluss der Linken einzudämmen. Der austromarxistische Reformismus war vor den Augen der Arbeiter*innen mit Zaudern und Zurückweichen in der Praxis spätestens im Bürgerkrieg 1934 gescheitert. Die Glaubwürdigkeit war dahin, die Partei gespalten. Wer im Widerstand kämpfte, tat das in der Regel in den Revolutionären Sozialisten, einer Abspaltung von der Sozialdemokratie, oder in der KPÖ. Doch es brauchte Zugeständnisse an die Linke, die in Widerstand und Exil weit mehr Anerkennung im Kampf gegen den Faschismus erworben hatte, als Renner, Schärf & Co. „daheim“ in der Ostmark. Die SPÖ ist daher keine direkte Fortsetzung der Sozialdemokratie der 1. Republik, sondern ein Zusammenschluss mit den Revolutionären Sozialisten. Faktisch haben aber die Rechten das Ruder fest in der Hand. Die Linke in der SPÖ setzt auf Ducken und Durchtauchen, beteiligt sich zeitweise sogar an antikommunistischer Hetze. Die Einheit der Partei wird bis heute zum Dogma, dem letztlich jede organisierte, oppositionelle Politik geopfert wird. So wird die Linke in der SPÖ zum wirkungslosen Feigenblatt.

Wie schon 1918 wird der Kapitalismus gerettet

Nach 1945 ist der Zusammenhang von Faschismus und Kapitalismus sehr vielen klar. Deswegen geben sich selbst bürgerliche Parteien wie ÖVP oder CDU antikapitalistisch. Beim ÖGB holt man sich neben SPÖ und KPÖ noch die ÖVP an Bord. Mittels „Sozialpartnerschaft“ soll der Kapitalismus gezähmt, nicht gestürzt, werden. Die KPÖ-Führung setzt mit überparteilichem ÖGB und ihrer Rolle bei der Republikgründung auf die stalinistische Volksfronttheorie. Eigentlich war diese „Theorie“ vom Zusammenschluss aller antifaschistischen Kräfte unter Aufgabe des eigenen sozialistischen Ziels, schon in den 1930er Jahren gescheitert. Hier drückt sich in ihr die Kontrolle der stalinistischen Bürokratie in Moskau aus, denn nach 1945 gibt es in vielen Ländern die Hoffnung und auch konkrete Ansätze für eine demokratische Gesellschaft, die Faschismus und Kapitalismus beseitigt. Aber alles ist besser, als eine unkontrollierbare, revolutionäre Entwicklung im Nachkriegseuropa, die die privilegierte Stellung der Bürokratie in der UdSSR gefährden könnte. Die Schnelligkeit, mit der das Volksfront-Bündnis von SPÖ und ÖVP beendet wird, hat die österreichischen Stalinist*innen um Koplenig, Fischer, Honner oder Fürnberg wohl überrascht. Und sobald die Situation soweit stabilisiert ist, dass mit keiner revolutionären Bewegung zu rechnen ist, lässt die Moskauer Bürokratie zu, dass die KPÖ aus Regierung und dem öffentlichen Leben geworfen wird. Der Kapitalismus ist gerettet, die Zeche zahlt einmal mehr die Arbeiter*innenklasse.

 

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