Soziale Arbeit – unsoziale Bedingungen

Der Gesundheits- und Sozialbereich wird heute auf Kosten der Beschäftigten aufrecht erhalten.
Jan Rybak

Jeder Mensch ist irgendwann im Leben auf den Gesundheits- und Sozialbereich angewiesen. Da könnte man meinen, dass die Arbeit der Menschen dort einen dementsprechenden Wert haben sollte. Falsch gedacht. Der Gesundheits- und Sozialbereich ist, sieht man von den wenigen Spitzenpositionen ab, durchwegs ein Niedriglohnsektor. Das Durchschnittseinkommen für Beschäftigte in diesem Bereich liegt bei ca. 1.564 Euro netto und damit ca. 17% unter dem österreichischen Durchschnitt. Dazu kommt, dass 70 % der Beschäftigten Teilzeit arbeiten. Dies erhöht den Druck nicht nur im Bereich des Gehalts, sondern erleichtert den Arbeitgebern auch die Einforderung (unbezahlter) Überstunden, was in der Branche alltäglich ist. Von den schlechten Arbeitsbedingungen sind vor allem Frauen betroffen. Zwischen 2/3 und 3/4 der Beschäftigten sind weiblich.

Zu den schlechten Arbeitsbedingungen kommen laufend Kürzungen von Seiten der Öffentlichen Hand. Dies betrifft nicht nur die öffentlichen Einrichtungen (v.a. Krankenhäuser, SeniorInnenheime etc.), sondern auch private Träger, die oft zu großen Teilen von den Ländern und/oder Gemeinden finanziert werden (z.B. Lebenshilfe). Zu den niedrigen Gehältern kommt meist ein verstärkter Arbeitsdruck (v.a. durch schlechtere Personalschlüssel). Kein Wunder also, dass laut einer jüngsten Studie 28,7 % der Beschäftigten in diesem Bereich Burn-Out-gefährdet sind. Darüber hinaus gaben 72,9 % an, dass die Arbeit belastend sei. Die Folgen davon sind, dass sich einerseits Menschen tatsächlich kaputt arbeiten müssen. Zudem hat dies negative Auswirkungen für die zu betreuenden/zu pflegenden Menschen. „Pflegeökonomie“ nennt sich das: Zwischen fünf und 12 Minuten (stationär/mobil) darf eine Pflegekraft für die Versorgung eines Patienten brauchen. Für die Beschäftigten heißt das Arbeitshetze, die zu Pflegenden werden strukturell vernachlässigt.

Die allermeisten Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich arbeiten mit bemerkenswertem Engagement. Das ändert aber nichts an den strukturellen Problemen. Durch die schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen ist die Fluktuation extrem hoch. In einzelnen Bereichen halten die Beschäftigten die Überarbeitung weniger als ein Jahr aus. Der verstärkte Arbeitsdruck führt dazu, dass für den/die Einzelne/n immer weniger Zeit bleibt. Auch wenn medienwirksame Skandale in immer kürzeren Abständen öffentliche Diskussionen zur Folge haben – zum Positiven geändert hat sich bisher nichts.

Gerade für Pflegebedürftige gilt: wer Geld hat, der/dem ist gute Pflege garantiert. Die 24h-Pflege zuhause ist nur für etwa 10 % der ca. 800.000 Pflegebedürftigen in Österreich leistbar. Die meisten anderen sind entweder in Heimen untergebracht, oder werden von (meist weiblichen) Angehörigen gepflegt, welche dafür oft auf den eigenen Job verzichten müssen. Und der Staat schröpft die Menschen weiter. Die steirische Landesregierung hat 2011 den Pflegeregress wieder eingeführt, was bedeutet, dass zur Finanzierung der Pflege auf das „Vermögen“ der zu Pflegenden bzw. der Angehörigen zurückgegriffen wird. Die Folge dieser sozial(?)demokratisch-schwarzen Budgetkonsolidierung ist eine weitere, schleichende Privatisierung von Pflege, deren Auslagerung an Angehörige. Was es braucht sind umfangreiche Investitionen in den Gesundheits- und Sozialbereich. Pflegebedürftigkeit darf keine Armutsfalle sein, ebenso, wie das Engagement der Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, nicht weiter zynisch für Lohndumping missbraucht werden darf. Für eine solche Veränderung ist aber aktiver Widerstand notwendig.

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