Der Gesundheits- und Sozialbereich kämpft

Kompliziert, doch Streiks im Sozial- und Gesundheitsbereich sind möglich und notwendig
Georg Maier

Arbeitsbedingungen und Einkommen im Gesundheits- und Sozialbereich sind durchwegs desaströs. Um diese aufrechterhalten zu können, setzen Regierung und Management der Einrichtungen auf die Moralkeule. Die PatientInnen/KlientInnen würden ja darunter leiden, wenn gestreikt würde. Das Engagement der Beschäftigten wird zynisch ausgenutzt um Verschlechterungen zu rechtfertigen. Vorweg: die Hauptverantwortung für die Misere liegt weder bei den Beschäftigten, noch bei den Unterstützungs-/Pflegebedürftigen, sondern bei den etablierten Parteien, die, ohne Ausnahme wo sie an der Regierung sind, den Rotstift ansetzen. Die Bewältigung der Probleme wird Beschäftigten, Betroffenen und Angehörigen zugeschoben. Dafür gibt es anerkennende Schulterklopfer.

Die Bewegungen der letzten Jahre haben eine Reihe gemeinsamer Erfahrungen und Probleme aufgezeigt. Vor allem gilt es die Kampfbereitschaft der KollegInnen zu betonen, welche sich oft gegen widrigste Umstände durchgesetzt haben. Auch die Solidarität aus der Bevölkerung war und ist groß. Trotz vieler (nachvollziehbarer) Befürchtungen, dass sich PatientInnen/KlientInnen und Angehörige über Streiks und Betriebsversammlungen beschweren würden, hat sich jedes Mal gezeigt, dass gerade diese die solidarischsten waren. Ihnen ist bewusst, dass es für gute Betreuung und Pflege anständig bezahlte Beschäftigte, gute Einrichtungen, besserer Personalschlüssel etc. braucht. Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Gewerkschaftsführung meist entweder eine halbherzige, verspätete, bremsende, oder sogar eine den KollegInnen gegenüber feindliche Rolle gespielt hat.

Das krasseste Beispiel ist der Streik der Salzburger Landesbeschäftigten. Die Führung der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) hatte sich im Vorfeld mit der Regierung auf eine Nulllohnrunde geeinigt. Die Streiks (öffentliche Betriebsversammlungen) wurden von der Personalvertretung selbständig organisiert. Es hat sich gezeigt, dass sich Kämpfen auszahlt: Salzburg war das erste Bundesland, in dem die Nulllohnrunde abgewendet wurde.

Zweifelsohne: Streiks im Gesundheits- und Sozialbereich sind schwieriger zu organisieren als in anderen Bereichen, in denen keine Menschen mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben von der Arbeit der KollegInnen abhängig sind. Dies kann aber nicht das ewige Bremser-Argument von Regierung, Einrichtungen und Gewerkschaftsbürokratie sein. Es hat sich gezeigt, dass durch das Organisieren von Notdiensten sowohl die Sicherheit der Menschen gewährleistet, als auch ein effektiver Streik möglich wird. Es zeigt sich auch, dass die Gewerkschaftsbürokratie dort, wo sich die KollegInnen selbst organisieren und die Kämpfe vorantreiben, entweder gezwungen ist auf den fahrenden Zug aufzuspringen („Kindergartenaufstand“, Steiermark 2011) oder ihre bremsende Rolle durch die Bewegung selbst marginalisiert werden kann. In Salzburg interessierte sich bald keineR mehr für die Stellungnahmen der Bürokratie. Trotz dieser Rolle der Gewerkschaftsbürokratie: Wir dürfen uns unsere Organisationen von denen nicht nehmen lassen, es ist notwendig, die Gewerkschaft wieder zurück zu erobern.

Die SLP hat bereits die Initiative für eine Kampagne zum Kollektivvertrag im Sozialbereich gesetzt. Seit September gibt es Aktionstreffen. Auf Basis konkreter Forderungen gilt es eine breite Kampagne schon vor der Forderungsübergabe an die Unternehmervertreter im November/Dezember aufzubauen. Die Beschäftigten im Theresiengut (Behindertenbetreuung) in Oberösterreich haben im September mit großer Mehrheit eine Resolution beschlossen, in der u.a. eine Gehaltserhöhung von mind. 7 %, das Organisieren von Warnstreiks und Demonstrationen, transparente Verhandlungen und Urabstimmung über deren Ergebnisse gefordert wird. Entscheidend ist, alle KollegInnen, ebenso wie KlientInnen/PatientInnen, Angehörige etc. einzubinden und jetzt Aktionen vorzubereiten. Nicht darauf zu warten, dass etwas geschieht, sondern selbst aktiv zu werden. Das kann im Kleinen sein, z.B. durch das Aufhängen von Transparenten an den Einrichtungen). Das ist auch für die gesamte Kampagne notwendig. Es braucht Selbstorganisation: demokratisch gewählte Aktionskomitees in den einzelnen Einrichtungen/Abteilungen, um Demonstrationen und Streiks zu planen, die Notversorgung sicher zu stellen und Solidarität zu organisieren. Eine aktive Kampagne mit wenn nötig auch aktiven Streiks wo die Proteste auf die Straße getragen werden. So kann breite Solidarität möglich und der Schulterschluss zu anderen Bereichen, in denen es Widerstand gibt, geschlossen werden.

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