Schicksalswahlen in Venezuela?

Laura Rafetseder

Am 7.10. finden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt. Zum ersten Mal seit 1998 stellt die Rechte mit dem Multimillionär Capriles unter dem Banner der MUD (Demokratische Einheitsplattform) einen gemeinsamen Kandidaten. Sollte sie siegen, wäre das eine Niederlage für die Bewegung.

Die Errungenschaften der letzten Jahre zu verteidigen heißt nicht, bestehende Probleme zu verschweigen. Die Rechte greift real existierende Missstände auf – steigende Korruption und Bürokratisierung, fehlende demokratische Rechte, Krise im Gesundheitssystem, steigende Kriminalität etc. Das Chávez-Regime versucht die Lage rosiger darzustellen, als sie ist. Aber die Krise von 2009 bis 2011 hat Spuren hinterlassen. Anstatt damit eine Radikalisierung in Richtung Überwindung des Kapitalismus voranzutreiben, hat Chávez prokapitalistische Maßnahmen gesetzt: höhere Massensteuern, Währungsabwertung und Budgetkürzungen. Auch die Inflation von 22 - 28 % trifft die ArbeiterInnenklasse hart. Andererseits hat das Regime in den letzten acht Monaten Sozialprogramme (inkl. Wohnbauprogramm und Sozialzahlungen) umgesetzt. Das haben die ärmsten Schichten zwar begrüßt, es hat aber die Probleme nicht beseitigt. Chávez bewegt sich eher in Richtung kubanisches Modell als in Richtung echter demokratischer Sozialismus: Es gibt kaum Möglichkeiten für ein unabhängiges Organisieren der ArbeiterInnenklasse. Das Regime hat das Streikrecht eingeschränkt und einzelne Industrien zu „streikfreien Zonen“ erklärt.

Wahrscheinlich wird Chávez die Wahlen gewinnen, aber sicher ist das nicht. Zwischen 2002 und 2005 gab es mehrmals revolutionäre Situationen – aber keine bewusste Kraft, die bereit war, mit dem Kapitalismus zu brechen. Chávez ist kein Sozialist. Er kommt aus dem Militär und laviert zwischen dem Druck der Massen und des Kapitals. Er spricht von Sozialismus, greift aber die Eigentumsverhältnisse kaum an. Das gab der Rechten Zeit, sich zu erholen. Sie tritt nun mit neuem Selbstvertrauen an. Was fehlt, ist eine echte revolutionäre Massenpartei. Das CWI ruft zur Wahl Chávez' auf. Aber es ist nicht genug, für Chávez zu stimmen. Es braucht eine unabhängige Bewegung in Betrieben, Nachbarschaften und bei der Jugend, die echten Sozialismus erkämpfen kann.

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