Putin, Stalin, Kommunismus – alles das Gleiche?

Jan Millonig

Im Februar jährt sich der russische Angriff auf die Ukraine, im März Stalins Todestag. Warum der immer wieder gebrachte Vergleich zwischen Putin und Stalin Unsinn ist, kann in der Infobox nachgelesen werden. Doch neben Propaganda gegen den Feind im imperialistischen Konflikt zwischen China/Russland auf der einen und USA/Westen auf der anderen Seite, Rechtfertigung für Rüstungsausgaben usw., dient der Krieg den Herrschenden im Westen auch als günstige Gelegenheit, gegen „Kommunismus“ zu wettern.

Denn vor allem der Jugend heute „fehlt“ die Erfahrung mit der antikommunistischen Propaganda im Kalten Krieg und das Image des kapitalistischen Systems ist schon länger in der Krise. In einer weltweiten Umfrage sagten 2020 über 50%, dass der Kapitalismus mehr schadet als nützt. Selbst in Deutschland findet die Mehrheit der 16- bis 29-Jährigen, die „soziale Marktwirtschaft“ erfüllt ihr Versprechen nicht. Dieser Trend verstärkt sich laufend. Umfragen zeigen auch, dass „Sozialismus“ vor allem unter Jungen immer mehr Sympathien bekommt. So versucht man, diese neu gegen die Idee einer sozialistischen Gesellschaft zu „immunisieren“.

Aber wenn jetzt vor „der Rückkehr des Sowjetsozialismus“ gewarnt wird, weil in Russland der Staat stark in die Wirtschaft eingreift, sind das Strohmänner. Jeder Staat (wie übrigens auch die Ukraine) greift in Kriegszeiten zu solchen Maßnahmen, inklusive der Kontrolle über die Rüstungsproduktion und anderen Eingriffen in die Wirtschaft.

Die ganz normale imperialistische Kriegshetze

Das weltweite kapitalistische Wirtschaftssystem zwingt die einzelnen Player zu Profitsteigerung und Wachstum. In einer endlichen Welt muss das unweigerlich zu Verteilungskämpfen um Ressourcen und Absatzmärkte führen. Die einzelnen Nationalstaaten (und Blöcke) versuchen dieses Interesse bestmöglich für „ihre“ Kapitalist*innen durchzusetzen, bis hin zu militärischen Auseinandersetzungen. Der Westen und die NATO konnte das in Europa bis jetzt durch „sanfte Maßnahmen“, wie wirtschaftliche und politische Einflussnahme oder den Ausbau der NATO-Verteidigungslinie umsetzen. Putin konterte mit Flucht nach vorne.

Dabei geht es ihm nicht nur um seine persönliche Macht, sondern die Interessen der russischen Oligarch*innen-Elite, deren wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Region zu sichern und Einflusssphären im Rahmen des imperialistischen Kampfes auszubauen.

Die Neigung zu Aggression und Eroberung liegt also nicht in der „russischen Seele“, sondern ist ein Ergebnis kapitalistischer Mechanismen, im Rahmen derer die USA und der Westen genauso ihre eigenen Interessen in Europa, gegenüber China im Pazifik oder am Balkan verteidigt. Zur Verschleierung wird von der „Verteidigung westlicher Werte“ fabuliert, Russ*innen mit rassistischen Vorurteilen belegt und alle mit Putin gleichgesetzt. Doch „der Westen“ hat überhaupt kein Problem mit Diktaturen oder repressiven Regimes, wenn sie auf ihrer Seite stehen, siehe Erdogan oder Saudi Arabien.

Genauso falsch ist es, sich aus einer gerechtfertigten Ablehnung des westlichen Imperialismus und in einer „der Feind meines Feindes ist mein Freund“-Manier mit dem scheinbar „besseren“ (chinesischen oder russischen) Imperialismus zu solidarisieren.

Tatsache ist, dass Russland und China nichts mit „Sozialismus“ zu tun haben. Tatsache ist auch dass „der Westen“ weit entfernt ist von einer Gesellschaft, die frei von Ausbeutung und Unterdrückung ist.

Die Antwort auf diese Verteilungskämpfe unter denen da oben kann nur Solidarität von unten gegen eben diese sein. Wir stehen mit der russischen, ukrainischen, iranischen, chinesischen und amerikanischen Arbeiter*innenklasse gegen Putin, Biden, Xi, Selensky und Chamenei. Und zwar gegen Ausbeutung und Krieg und alle herrschenden Klassen und für  eine von der gesamten Arbeiter*innenklasse demokratisch verwaltete Wirtschaft und Gesellschaft.

 

INFO:

Wie Putin selbst, betrachten westliche Kommentator*innen die Rolle historischer Figuren oft nur oberflächlich, versuchen ihr Handeln durch ihren „Charakter“ zu erklären, ohne soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge und Interessen zu analysieren. Doch selbst Putin unterscheidet (richtigerweise) zwischen Lenin und Stalin. Ersterer stand für die Machtübernahme durch Arbeiter*innen- und Soldatenräte und mit den Bolschewiki für einen schnellen Ausstiegs Russlands aus dem 1. Weltkrieg sowie das Recht auf nationale Unabhängigkeit unterdrückter Völker. Genau das kritisiert Putin, der eher in der nationalistischen Tradition des Zaren-Reiches steht. Wenn er sich auf die Sowjetunion positiv bezieht, dann auf die übelsten stalinistischen Elemente. Denn auch Stalin hat auf Nationalismus gesetzt und nationale Minderheiten unterdrückt, um „Einheit“ zu erzwingen und so die Macht der stalinistischen Kaste zu sichern. Das ging Hand in Hand mit dem Abbau der sozialen und demokratischen Errungenschaften der Oktoberrevolution 1917.

 

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