Patente sind Diebstahl an der Allgemeinheit!

Wer ist hier der Softwareräuber?
Pablo Hörtner und Fabian Linzberger

„Betroffen sind alle, die vor einem Computer sitzen!", beschrieb Richard M.Stallman, Gründer des GNU-Projekts (www.gnu.org), in seiner Rede in der Wirtschaftskammer Österreich die Gefahr, die von Software- und Ideenpatenten ausgehen. Beispielsweise beantragt Microsoft jede Woche 2 neue Patente. Wenn dieser Konzern z.B. ein neues Doc-Format einführt, tut er das stets vor Ablauf des vorigen Patentes - nicht, weil das neue System einen technischen Fortschritt gegenüber dem alten bedeutet, sondern um einen de facto Standard zu schaffen und dadurch seine Monopolstellung zu erhalten. Entgegen großem Protest durch Petitionen, im Internet und auch auf der Straße, stimmte der EU-Wettbewerbsrat der Einführung von Patenten auf Softwareideen letztlich zu. Dass hinter dieser Entscheidung Großkonzerne wie Microsoft stehen und keineswegs das Interesse, technischen Fortschritt und Innovation zu fördern, ist klar. Leitmotiv ist die Gewinnmaximierung und nicht der Einsatz neuer Technologien zum Wohle der Allgemeinheit.

Auf den ersten Computern war alle Software frei

Diese wurden vor allem in der Forschung, im universitären Bereich sowie im Militär eingesetzt. Die meisten BenutzerInnen dieser Systeme konnten auch programmieren und da der Quellcode, aus dem Software geschrieben ist, offen lag, konnten sie die Programme nach Belieben und Bedarf verändern. Der Mensch kontrollierte die Maschine und nicht umgekehrt. Erst mit dem Aufkommen der ersten Heimrechner fand die Entfremdung der User von der Maschine als einem Werkzeug in der Produktion statt; Computer fanden neue Anwendungsbereiche in Unternehmen, IBM und andere entdeckten einen neuen Markt und es war plötzlich verboten, Programme mit Bekannten zu teilen, sie zu verändern und auf ihre Funktionsweise hin zu untersuchen. Zuvor war Software kein eigener Marktbereich, aus dem sich Profit schlagen lies. Ebenso war das Internet ein Produktionsmittel, welches sich außerhalb der Kontrolle großer Konzerne  herausgebildet hatte.

Widerstand

Als die Softwareentwicklung zunehmend von der Wissensproduktion getrennt und in den kapitalistischen Markt integriert wurde, wehrten sich einige ProgrammiererInnen gegen den Druck der kapitalistischen Produktionsweise und Organisation der Arbeit. Richard Stallman gründete das GNU-Projekt mit dem Ziel eines freien Betriebssystems und verlies aus Protest seinen Posten an der Universität - nicht zuletzt, um möglichst ungehindert weiter daran arbeiten zu können. Frei bedeutet hier nicht in erster Linie kostenlos, sondern dass dem/der BenutzerIn und dem/der EntwicklerIn frei gestellt ist, was er/sie mit der Software auf seinem Computer tut. Das beinhaltet sowohl die Weitergabe von Programmen und Daten an andere, aber auch die Möglichkeit, diese uneingeschränkt zu verändern und weiterzuentwickeln. Diese Philosophie bildete für viele die Grundlage für ein Produktionsmodell, in dem im Wesentlichen jedeR tut, was er/sie gerade für nötig hält, und in dem damit reale Bedürfnisse und nicht Konzerninteressen richtungsweisend sind.

Möglichkeiten und Grenzen des virtuellen Antikapitalismus

Im Gegensatz zu herkömmlichen Waren kapitalistischer Produktion können Programme und digitale Daten (also auch CDs, DVDs etc.) auf einem Computer zu sehr geringen Kosten repliziert werden. Durch die rasante Ausbreitung des Internets ist zusätzlich deren globaler Austausch möglich. Auf diesem Weg wurde dieses Betriebssystem in Form des bekannten GNU/Linux Realität. Die Tatsache, dass ein derartiges Projekt existiert, ist ein machtvoller Beweis dafür, dass Arbeit, wenn sie nicht den Zwängen der kapitalistischen Produktion unterworfen ist, sondern freiwillig und selbstbestimmt stattfindet, ausgesprochen gut funktionieren kann. Doch es kommt unweigerlich zum Konflikt. Die derzeitigen Entwicklungen rund um die Einführung von Software- und Ideenpatenten in Europa, sowie der juristische Feldzug gegen Tauschbörsen im Internet zeigen klar auf, dass es auf Dauer im Kapitalismus keine andere Produktionsweise geben kann als die kapitalistische.
Diese Erfahrung musste auch schon die ArbeiterInnenbewegung mit den Konsumgenossenschaften machen, die sich im Kapitalismus letzten Endes nicht gegen den Markt durchsetzen konnten. Die Konzerne sind bemüht, die Kontrolle, die ihnen durch die rasante technische Entwicklung zum Teil entglitten ist, zurück zu erlangen. Natürlich profitieren diese zum Teil auch von der unbezahlten Arbeit, die geleistet wird. Dass der Protest gegen Softwarepatenten in Europa nicht nur virtuell im Internet, sondern auch in Demonstrationen auf der Strasse Ausdruck gefunden hat, zeigt das zunehmende Bewusstsein für die Notwendigkeit des politischen Kampfs.

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