MarxistInnen als WachstumsfanatikerInnen?

Zitiert aus dem Nachwort der SLP-Broschüre „Nachhaltige Entwicklung durch wirtschaftliche Planung“

Erst im Sozialismus, meinten Marx und Engels, wird die Menschheit wirklich frei sein. Durch die Planwirtschaft werden “Die Menschen, endlich Herren ihrer eignen Art der Vergesellschaftung, [...] damit zugleich Herren der Natur, Herren ihrer selbst - frei. (Friedrich Engels, Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft, 1880)

An diesem „frei“ hat sich viel Kritik festgemacht. Ein häufiger Vorwurf ist, dass MarxistInnen Wachstumsfanatiker wären und die Natur beherrschen wollten, dass sie sich eben zu „Herren über die Natur“ machen wollen. Die katastrophale Umweltzerstörung in den stalinistischen Staaten wird hierfür als Argument angeführt.

MarxistInnen erklären, dass es im Sozialismus zu einem unbegrenzten Wachstum der Produktivkräfte kommen wird. Das bedeutet aber nicht unbegrenztes Wachstum an Masse. Es bedeutet also nicht, dass im Sozialismus jedeR 5 Autos haben wird oder wir uns monatlich völlig neu einkleiden. Produktivkräfte kann nicht mit Produktion gleichgesetzt werden, sondern eher mit Produktionsmöglichkeiten, wobei das auch den technischen Fortschritt beinhaltet.

Schon heute gäbe es viele Möglichkeiten, ökologischer zu leben und zu produzieren – nur werden diese meist nicht genutzt, weil sie nicht profitabel sind. Auch wird aus Profitgründen wenig in diese Richtung geforscht – vier von fünf ForscherInnen sind in der Rüstung tätig, in den USA fließen über 50 % der Ausgaben für Forschung und Entwicklung in diesen Sektor. Der Kapitalismus ist zu einem Hindernis für die Entwicklung der Produktivkräfte geworden. Lobbys kaufen Patente auf und verhindern so umweltverträgliche Produktionen. Schon die vernünftige Anwendung existierender Technologien würde reichen, um die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen.

In der DDR, die kein Sozialismus war, aber eine nicht-kapitalistische Planwirtschaft hatte, gab es aufgrund des Mangels an Rohstoffen ein gut funktionierendes Recycling-System. Nach der Eingliederung in die BRD wurde dieses abgeschafft, der Markt mit West-Produkten inklusive aufwendiger Verpackung überschwemmt und die Müllmenge im Osten Deutschlands hat sich verdreifacht. In einer sozialistischen, geplanten Wirtschaft werden die Bedürfnisse der Menschen nach sauberer Umwelt und gesundem Essen berücksichtigt. Anfangs käme es zu großen Umwälzungen, um den Lebensstandard der Menschen in den ärmeren Staaten auf ein menschenwürdiges Level zu bringen. Doch das bedeutet nicht, dass mehr produziert werden muss, sondern dass besser verteilt werden muss. Es gibt bereits jetzt weltweit genug zu essen, um alle Menschen zu ernähren – nur werden heute Lebensmittel zerstört, um die Preise hoch zu halten. So könnten selbst nach dem heutigen Stand der Agrarwirtschaft zwölf Milliarden Menschen ernährt werden.

Die Gier, die im Kapitalismus existiert, der Wunsch, immer mehr haben zu wollen, ist das Ergebnis von Mangel und erzeugt die Klassengesellschaft mit Armen und Reichen. Im Sozialismus werden die Menschen nicht auf einmal alle „gut“ sein – aber der Mangel wird abgeschafft und damit auch die Notwendigkeit zu horten. Niemand kommt auf die Idee etwas zu horten, das im Überfluss vorhanden ist!

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