Libanon: Kann die UNO Frieden bringen?

Nur die internationale ArbeiterInnenklasse kann den Konflikt beenden
Peter Taaffe, CWI- England&Wales

Nach viel Kräftemessen wurden UNO-Truppen als „Puffer“ im 20 Meilen breiten Korridor zwischen der israelisch-libanesischen Grenze und dem Fluss Litani eingesetzt. Die meisten Menschen werden wohl einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen, dass das Gemetzel gegen den Libanon zu Ende zu sein scheint. Die Hoffnung ist nun, dass die Kriegsgefahr zwischen Israel und dem Libanon gebannt wird, und das die Katastrophe eines umfassenderen Krieges im Nahen Osten verhindert wurde.

Die Menschen im Libanon allerdings scheinen diese Illusion nicht zu teilen, wie in ihrer „Begrüßung“ des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan deutlich wurde. Die Londoner Zeitung Guardian berichtet, dass er von Proteste der verärgerten BewohnerInnen von Beiruts am schlimmsten verwüstetsten südlichen Vororten empfangen wurde, die frustriert waren über die "scheinbare Passivität der UNO angesichts der Zerstörung, die durch den 34 Tage dauernden Krieg zwischen Israel und der Hisbollah angerichtet wurde".

Schon vor dem Krieg existierte eine UNO-Truppe (UNIFIL), die aber nichts tat um die israelische Todesmaschine zu stoppen.

In einem berühmt-berüchtigten Zwischenfall wurden 18 LibanesInnen in einem Dorf im Süden des Libanon durch israelische Luftschläge getötet. Die Opfer hatten in einer UNO-Basis um Zuflucht gebeten – das wurde ihnen aber vom UNO-Kommandanten verweigert, der Angst hatte das die Ereignisse von 1996 sich wiederholen würden, als 100 Menschen während einer israelischen Offensive gegen die Hisbollah getötet wurden die in einer UNO-Basis Zuflucht gefunden wurden.

Ein Einwohner von West-Beirut fasste die allgemeine Haltung zur UNO folgendermaßen zusammen: ”Sie sind nicht gut. Wir vertrauen ihnen nicht. Sie haben den ZivilistInnen im Süden nicht geholfen. Sie sind wie ein Werkzeug in den Händen der Amerikaner.“

Trotzdem gibt es in Britannien und anderen Ländern noch Illusionen, insbesondere unter idealistischen ArbeiterInnen und Jugendlichen die die UNO und ihre Untergliederungen als eine „internationale“ Lösung zu Krieg und Konflikten, zu Armut und Umweltkatastrophen sehen. Aber der Begriff „Vereinte Nationen“ ist ebenso wie „Internationale Gemeinschaft“ eine Fehlbezeichnung.

In Wirklichkeit bringt die UNO kapitalistische Nationen zusammen, im Besonderen die Mächtigsten, die gespalten sind, v.a. wenn es um ihre zentralen Interessen geht. Daher ist die Idee, dass die UNO „demokratisiert“ werden könne, in etwa so, wie wenn man die Unternehmerorganisationen, wie die CBI (in Britannien, in Österreich wären das Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, Anm.) bitten würde, demokratischer zu werden um den ArbeiterInnen die Möglichkeit zu geben, diese Organisationen zu führen.

Völlig wirkungslos

Die Wurzeln und die Geschichte der UNO, genauso wie ihr Vorläufer, der “Völkerbund” vor dem 2. Weltkrieg, zeigt das. Der Völkerbund schrieb Trotzki, „ist keine Organisation des ‚Friedens’ sondern eine Organisation der Gewalt der imperialistischen Minderheit über die große Mehrheit der Menschheit“. 1928 wurde der Kellogg-Briand-Pakt unterschrieben, der vorsah, Krieg illegal zu machen – unterschrieben  wurde er aber von jeder einzelnen großen Kriegsmacht im 2. Weltkrieg.

Eine ähnliche Rolle hat die UNO auch während des „Kalten Krieges“ gespielt. Das war ein Konflikt zwischen dem US-Imperialismus und seinen Verbündeten auf der einen Seite, die den Kapitalismus repräsentierten, und auf der anderen Seite den stalinistischen Regimes von Russland und Osteuropa (bürokratisch, geplante Wirtschaften mit autoritären Ein-Parteien Regimes). Wenn es dienlich war hat die USA imperialistische Kriege unter der Flagge der UNO geführt, wie z.b. in Korea.

Bei anderen Gelegenheiten hat sie auf ihr einseitiges Recht gepocht, militärisch zu intervenieren, wie im Fall des Vietnam Krieges. Die UNO war bestenfalls ein Forum zur Bereinigung zweitrangiger Fragen.

Aber mit dem Beginn des Regimes von George W. Bush und seiner neo-konservativen Anhängsel hat die einzige Supermacht der Welt die „Präventivschlags-„ und unilaterale Politik wieder erweckt. Diese direkte Geltendmachung von US-Interessen, in Kombination damit das die internationalen kapitalistischen Institutionen zur Seite gestoßen und ignoriert wurden, hat die USA in Konflikt mit dem europäischen Kapitalismus gebracht. Als die USA nicht die notwendige Unterstützung für die im vorhinein feststehende Entscheidung, den Irak anzugreifen, erhielt, hat die USA nicht gezögert außerhalb der UNO die sogenannte „Koalition der Willigen“, nun der „Unwilligen“ zu organisieren.

Als das Unheil im Libanon die Katastrophe im Irak überlagerte, und auch die größte heimische Naturkatastrophe in der Geschichte der USA – den Hurrikan Katrina, war Bush gezwungen einen Rückzieher zu machen. Nun hat er eine „pragmatische“ Position zur UNO und drängt Annan und Teile des europäischen Kapitalismus zu intervenieren und ihn aus diesem Alptraum zu befreien.

Aber sogar die unglaublichen Zusammenstösse darüber, wie viele Truppen genau jedes Land in den Libanon schicken würde – Frankreich hat große Truppenteile versprochen, aber schickte zunächst nur 200 – haben gezeigt, wie nationale kapitalistische Interessen immer den Vorzug vor allen anderen Erwägungen haben.

Frankreich war unwillig, die Führung der UNO-Truppen im Libanon zu übernehmen, weil es kürzlich mit Syrien und der Hisbollah, die laut Frankreich in den Mord am früheren libanesischen Premierminister Hariri verwickelt war, zusammengestoßen ist.

Romano Prodi, der neue italienische Premierminister andererseits war enthusiastisch dafür, dass italienische Truppen die „Führung“ im Libanon übernehmen.

Das gibt ihm eine bequeme “friedenserhaltende” Möglichkeit von der Position der Linken gegen die Präsenz italienischer Truppen in Afghanistan und der generell problematischen Position der Prodi-Regierung „der Liebe aus der Ferne“ abzulenken.

Tony Blair ist durch seine Position als Bushs Pudel derartig diskreditiere, dass er nicht einmal gefragt wurde bezüglich möglicher Antworten zur Situation im Libanon.

Libanon 1982

Die brutale Erfahrung der letzten UNO-Präsenz, die die blutige Wiederaufnahme des Krieges nicht verhindert hat, hat sich tief ins Gedächtnis der LibanesInnen eingegraben. 1982, nach der letzten umfassenden israelischen Invasion, wurde eine „mulinationale“ Truppe in den Libanon entsendet. Einige Monate später wurden ihre Baracken in die Luft gesprengt und dabei wurden 241 amerikanische und 58 französische Soldaten getötet. Daher auch die Nervosität Frankreichs, dieses Mal wieder Truppen zu schicken.

US-Truppen sind für die LibanesInnen völlig inakzeptabel, wenn man deren Unterstützung für Israel bedenkt. Israel selbst hat gefordert, dass „keine moslemischen Truppen“ in den „Friedenstruppen“ dienen sollen, was wieder deutlich macht, dass die nationalen Interessen der israelischen herrschenden Klasse über allen „friedlichen“ Bestrebungen stehen.

Aber es ist nicht nur im Nahen Osten wo sich die Ineffizienz und Unfähigkeit der UNO gezeigt hat wenn schlussendlich  bewaffnete Truppen in den Krieg geschickt werden.

Das zeigt sich bei den katastrophalen ethnischen Konflikten am Balkan. UNO-Truppen wurden zur Stabilisierung eingesetzt – aber erst nach einer Periode von Erschöpfung und furchtbarem Blutverlust, und die ethnischen und nationalen Spaltungen sind immer noch da.

Darüber hinaus stecken die UNO-Truppen im Sumpf der Korruption und es gibt berühmte-berüchtigte Fälle von sexueller Belästigung und Missbrauchs, was zeigt, wie krank die „zivilisierten Länder“ sind die sie eingesetzt haben.

East Timor ist ein weiteres Beispiel für die totale Ineffizienz der UNO im Angesicht von ernsten Konflikten. Mindestens 1,500 Morde wurden von indonesischen Soldaten und Jakarta unterstützenden Milizen im August 1999 verübt, als die Menschen in Ost-Timor über ihre Unabhängigkeit abstimmten. Obwohl UNO-Beobachter die indonesischen Generäle identifiziert haben, wurden sie nicht vor Gericht gebracht.

Im Juni diesen Jahres wurde Ost-Timor einmal mehr erschüttert, wenn Armee und Polizei gespalten sind und sich in Auflösung befinden, wenn Machete-schwingende ethnische Gangs Häuser niederbrennen und plündern... Und all dies während „Friedenstruppen“ durch die Strassen patroullieren.

Ein führender Menschenrechtsaktivist in Ost-Timor meinte: “Ich bin sicher, dass manche der Menschen die plündern und Häuser niederbrenne sich denken ‘wenn nichts wegen der Verbrechen von 1999 gemacht werden kann, was können sie dann gegen mich tun?’

All diese Fakten könnte man beantworten mit dem Argument, das ja, “die UNO ist nicht perfekt” kann aber verbessert werden, um allen Menschen auf der Welt zu dienen. Aber es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die UNO letztlich unter der Kontrolle der USA ist: „Sie (die USA) haben die UNO aufgebaut weil sie, trotz all ihrer unvermeidlichen Fehler, den amerikanischen Interessen dient“ (Philip Stevens, Financial Times, 16/6/06). Die USA untermauert die UNO finanziell und zieht Geld ab, wenn sie nicht ihrem Willen folgt.

Das zeigt sich beim unglaublichen Gedränge um die zehn Sitze im UNO-Sicherheitsrat. Eine Untersuchung von Ökonomen aus Harvard hat gezeigt das „die wichtige Bedingung zur Mitgliedschaft im Sicherheitsrat: Amerikanisches Geld“ (ist) (Financial Times, 31/8/06). Hilfszahlungen an Länder in der neokolonialen Welt durch die USA steigen um 59%, wenn diese einen Sitz bekommen „weil ihre Stimme dann etwas wert ist“!

Iran-Krise

Angesichts der enormen Zuname von Feindschaft gegenüber der USA international brauchen Bush und der amerikanische Imperialismus nun die Hülle der UNO. Das ändert aber nichts an ihrem Charakter. Die Scheinheiligkeit der USA, Britanniens und all seiner Verbündeten zeigt sich beim Konflikt mit dem Iran in bezug auf die Frage von Atomwaffen.

Wir sind gegen die Anschaffung und den Aufbau von Atomkraft und Atomwaffen durch den Iran und jedes andere Land. Aber der Iran ist umringt von Ländern die bis zu den Zähnen mit Atomwaffen gerüstet ist: Israel, dass den Iran wiederholt bedroht hat, hat 100 Nuklearwaffen. Darüber hinaus gibt die USA ihre Unterstützung uns seinen Segen an Pakistan das Atomwaffen hat und durch den Diktator Musharraf regiert wird. Der US-Imperialismus unterstützt teilweise auch Indien, eine andere Atommacht.

Der iranische Präsident, ein politischer Populist, der alles andere als ein Freund der ArbeiterInnenklasse im Iran oder sonst wo ist, hat trotzdem korrekterweise festgestellt: „Im (UNO)-Sicherheitsrat, der Frieden und Sicherheit für die Welt bringen soll, haben Britannien und die USA spezielle Rechte und Bedingungen. Wenn eine andere Nation in einem Konflikt mit ihnen ist oder durch sie unterdrückt wird, gibt es keine Reaktion darauf. Die internationalen Beziehungen haben einen Punkt erreicht wo die Amerikaner und die Briten ihren Willen mehr als 180 Nationen auf der ganzen Welt auferlegen.“ (Guardian, 30 August).

Wie auch alle anderen Institutionen des internationalen Kapitalismus ist auch die UNO eine Waffen in den Händen der Reiche, sowohl in der USA als auch in der ganzen Welt. Es gibt keine „internationale Gemeinschaft“ in dem Sinne wie Bush und Blair es behaupten, sondern eine „Gemeinschaft“ der herrschenden Klasse in der Welt: in jeder kapitalistischen „Gemeinschaft“ gibt es „zwei Nationen“, arm und reich.

Arbeitende Menschen schauen nicht auf ihre Chefs oder die gesamte kapitalistische Klassen, schauen nicht auf die kapitalistischen Regierungen und Parteien um Lösungen für ihre Probleme zu finden. Warum sollten wir also auch internationaler Ebene diese Herangehensweise haben?

Sogar einige SozialistInnen und Linke setzen auf “Doppelte Buchführung” und unterstützen enthusiastisch die UNO. Aber nüchterne kapitalistische Kommentatoren, wie der frühere Außenminister der britischen Tories, Douglas Hurd, erkennen, dass ihre in ehren gehaltenen Institutionen an Glanz verlieren: „Die UNO hat heute weniger Magie als vor 50 Jahren“ (The Independent).

Es ist notwendig, dass die ArbeiterInnenbewegung der Farce der UNO als Instrument des „Fortschritts“ gegen Krieg und Hunger, ein Ende bereitet. Es gibt viele Menschen die es gut meinen, die engagiert sind, die für die UNO und ihre Strukturen arbeiten um den Armen zu helfen, Krankheiten auszurotten und den Planeten von der Bedrohung des Krieges zu säubern. Aber ihre Bemühungen sind, egal wie gut gemeint sie sind, sind wie wenn man einen Fingerhut nimmt, um den Ozean zu leeren.

Die wachsende Armee der Armen, ein Ausdruck des blanken neoliberalen Kapitalismus, macht das deutlich. Die Konflikte nehmen zu, einige sind besonders brutal, wie das jüngste Blutbad im Libanon und Israel zeigt. Und es nehmen auch die UNO-Truppen auf „Friedensmissionen“ zu. Tatsächlich ist, durch die zunehmende Nachfrage nach diesen Truppen – das letzte Beispiel ist Dafur – nicht nur die USA sondern auch die UNO militärisch Überdehnt.

Internationalismus

Es gibt nur eine Kraft die in der Lage ist, diesen Alptraum zu beenden: die internationale ArbeiterInnenklasse und ihre Organisationen. Sie ist die potentiell mächtigste „Supermacht“ auf dem Planeten, stärker als jede Armee und jede Regierung.

Der einzige “Puffer”, der eine dauerhafte Lösung für die Probleme im Nahen Osten gewährleisten kann ist die ArbeiterInnenklasse, v.a. im Libanon und in Israel.

All ausländischen Truppen – egal ob mit blauen Helmen oder nicht – müssen den Libanon verlassen. Die Menschen im Libanon müssen ihr Schicksal selbst und gemeinsam mit den israelischen ArbeiterInnen und jenen im gesamten Nahen Osten entscheiden.

Warum soll ein “Puffer” nur auf besetztem libanesischem Gebiet errichtet werden? Warum nicht auf israelischem Territorium? Und warum gibt es keinen „internationalen“ Puffer zwischen Israel und Gaza? Die einfache Antwort ist, logischerweise, dass es im zweiten Fall der herrschenden Klasse von nützt freie Hand zu haben und weiter die PalästinenserInnen im Gaza zu terrorisieren und einzusperren.

Wenn aber die unabhängige Bewegung der ArbeiterInnenklasse in Israel sich verknüpft mit den libanesischen ArbeiterInnen und gemeinsam mit der potentiell mächtigen ArbeiterInnenklasse im Nahen Osten vorgeht, wäre der Ausblick auf einen weiteren Flächenbrand in der Region ein für alle Mal überwunden.

Die ArbeiterInnenklasse und sozialistischer Internationalismus sind die Antwort auf die Probleme der Menschen im Nahen Osten und in der Welt und nicht die immer stärker diskreditierte UNO.