Kosovo: Neuer Krieg am Balkan?

Nicole Huy-Prech

Die jüngsten Zusammenstöße zwischen Regierung und Kosovo-AlbanerInnen lassen einen neuen Krieg am Balkan befürchten. Sowohl Milosevic, wie auch die wesentlichen Regierungen verwehren der 90prozentigen albanischen Mehrheit in der Region eines: Das Recht auf nationale Selbstbestimmung.
1987, als der jugoslawische Präsident Stambolic seine „rechte Hand“ Milosevic in den Kosovo schickte, entfachte er einen Flächenbrand. Als die Polizei am 24.4.87 gegen die aufgebrachte Menge serbischer Nationalisten einschritt, forderten die Demonstranten Milosevic auf, etwas gegen die Unterdrückung der serbischen Minderheit zu tun. Auf die Rufe „Sie schlagen uns!“ erwiderte er: „Niemand darf euch schlagen“. So nahm der Mythos Milosevic seinen Anfang. Doch er basiert auf einer Lüge. Die serbischen Fernsehstationen hatten nie die Provokationen der Nationalisten gezeigt, welche zum Einschreiten der Polizei führten.
Zurück in Belgrad ließ Milosevic den Präsidenten Stambolic abwählen und setzte zunehmend auf ein großserbisches Reich. Er schickte die jugoslawische Volksarmee in den Kosovo, um die Kosovo-AlbanerInnen ruhig zu halten. Gleichzeitig wurden Nationalisten auf eine Demonstrationsrundreise durch Serbien geschickt. Sie bekamen Verköstigung und die Chance, umsonst durch Serbien zu reisen. Das einzige was sie tun mußten, war in der Wojwodina, in Belgrad und in Montenegro zu demonstrieren. Anfang 1989 verloren Montenegro und die Wojwodina ihre Autonomie. Den Kosovo-AlbanerInnen wurden offiziell sämtliche Rechte genommen. Aber sie bildeten einen Schattenstaat mit eigenen Schulen und Krankenhäusern. In einer Volksbefragung sprach sich die Mehrheit der AlbanerInnen für Unabhängigkeit aus. Der „Führer“ der Kosovo-AlbanerInnen Rugova erklärte dieses Ziel friedlich durchsetzen zu wollen und stellte auch nicht die starke militärische Präsenz der „Serben“ in Frage. Der halblegale Status quo wurde bis jetzt von der Milosevic-Regierung - wegen des Bosnienkriegs - geduldet.

Wieder Zusammenstöße

Die neuerlichen Kämpfe sind Auswirkungen der jahrelangen Repressionen, denen die Kosovo-Albaner Innen durch die Serbenmilizen ausgesetzt waren und sind. Der Versuch der friedlichen Verhandlungen ist offensichtlich gescheitert. Nicht zuletzt auch wegen der Ansiedlung von serbischen Flüchtlingen aus den umkämpften Gebieten in Kroatien und Bosnien, durch die die serbische Regierung die Position der Nationalisten im Kosovo stärken will.
Die albanische Mehrheit fühlt sich mehr und mehr verkauft und verraten. Immer stärker ist der Zustrom zur UCK, der Albanischen Befreiungsarmee. Präsident Rugova hat kaum mehr Einfluß. Er ist äußerst „kompromißbereit“ und würde am liebsten alles am Schreibtisch klären. Aber die AlbanerInnen wollen sich nicht mehr die Söhne, Väter und Ehemänner nehmen lassen. In einigen Fällen wurden selbst Kinder als mutmaßliche Terroristen hingerichtet. Von Europa und den USA können die AlbanerInnen keine Hilfe erwarten. Der französische Verhandler Gelbard sagte sogar öffentlich, daß der Kosovo ein wesentlicher Bestandteil der Bundesrepublik Jugoslawien und das die UCK eine terroristische Organisation sei. Damit gab er dem jugoslawischen Präsidenten Milosevic grünes Licht mit der Unterdrückung der AlbanerInnen fortzufahren. Deutschland schickt immer noch AlbanerInnen, die während des Krieges kamen, zurück in ihre Heimat - es bestehe keine Gefahr für die Heimkehrer, heißt es. Die USA und Europa wollen nicht handeln. Es liegt nicht in ihrem Interesse, aus dem Kosovo einen unabhängigen Staat werden zu lassen.
Doch es reicht nicht aus, nur die Selbstbestimmung im Kosovo zu fordern. Die sozialen Unterschiede werden dadurch nicht gelöst. Dazu braucht es eine Arbeiter- und Kleinbauernbewegung aller Nationalitäten. Nur so können neuerliche ethnische Säuberungen  und ein Krieg am Balkan, der sich auch auf die Nachbarländer Albanien, Mazedonien, Griechenland und die Türkei ausdehnen könnte, verhindert werden.

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