Klima killen – Kasse machen

Wie „sauber“ sind UN, EU und G8?
Philipp Lührs, CWI-Deutschland

In einer Welt, die in konkurrierende Nationalstaaten zerteilt ist, sind Maßnahmen zum Schutz der Erdatmosphäre schwierig – wenn nicht gar unmöglich. Dies zeigt ein Blick auf die Geschichte des internationalen Klimaschutzes.

1992 trafen sich im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) Vertreter aller wichtigen Staaten in Rio de Janeiro, um erstmals auf internationaler Ebene über die Verringerung der Emission von Treibhausgasen zu beraten. Das Ergebnis war bescheiden. Man einigte sich darauf, sich ein anderes Mal wieder zu treffen.

Kyoto-Protokoll

Erst fünf Jahre später wurden in Kyoto bindende Vereinbarungen über den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) unterzeichnet. Dieses Kyoto-Protokoll hat jedoch gleich mehrere Haken.

Erstens: Die Erfüllung der Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten bedeutet nicht weniger CO2-Produktion, sondern mehr. Lediglich der weltweite Anstieg soll verlangsamt werden, in dem einige Vertragsstaaten ihre Qualmerei mindern. Der Anstieg der Temperaturen soll so um 0,1 Grad Celsius geringer ausfallen, als es ohne Kyoto der Fall wäre. Bei einer zu erwartenden Erwärmung um zwei bis drei Grad oder mehr bis 2050, wäre daher selbst die Bezeichnung „Tropfen auf den heißen Stein“ zu hoch gegriffen. Es ging nie darum, die zu erwartende Katastrophe abzuwenden, sondern nur darum, etwas langsamer auf sie zu zusteuern.

Zweitens: Der Vertrag sah vor, erstmal gar nichts zu unternehmen. Denn er sollte erst in Kraft treten, wenn Staaten, die zusammen für 55 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, das Kyoto-Protokoll ratifiziert haben. Das konnte dauern. Erst im Februar 2005 trat der Vertrag – durch den Beitritt Russlands – endlich in Kraft. Dreizehn Jahre nach der Konferenz von Rio.

Der dritte Haken des Kyoto-Protokolls ist der, dass der größte CO2-Produzent der Erde – die USA – sich überhaupt nicht am Kyoto-Prozess beteiligt. Die einzigen Länder, die ihre CO2-Emissionen gegen über 1990 tatsächlich gesenkt haben, sind die Länder des ehemaligen Ost-Blocks (einschließlich Ostdeutschland). Sie pusten heute fast 40 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft als vor 17 Jahren. Allerdings beruht dieser Rückgang nicht auf Klimaschutzmaßnahmen, sondern auf dem Zusammenbruch ihrer Industrie durch die Wiedereinführung des Kapitalismus. Der so genannte „Klimaschutz“ der UN ist also keineswegs ein Schutz für die Erdatmosphäre, sondern eine gegenseitige Vereinbarung, das Weltklima weiterhin zu schädigen.

Emissionshandel der EU

Doch so einfach wie früher dürfen Konzerne unsere Lebensgrundlagen nicht mehr zerstören. Denn die EU-Staaten haben sich dazu verpflichtet, ihre CO2-Emissionen bis 2012 im EU-Durchschnitt um acht Prozent gegenüber 1990 zu senken. Das widersprach zunächst den Profitinteressen der Konzerne. Um Profit und „Klimaschutz“ zu verbinden, musste also ein Instrument gefunden werden, mit dem aus Scheiße Geld gemacht werden kann. Dieses Instrument ist der so genannte Emissionshandel. Also der Handel mit „Verschmutzungsrechten.“ Emissionshandel bedeutet, dass die Umwelt einen Marktwert erhält und ihre Zerstörung somit einen (Markt-)Preis. Doch die Konzerne müssen die „Verschmutzungsrechte“ nur zu einem geringen Teil kaufen. Den größten Teil bekommen sie durch den Nationalen Allokationsplan vom Staat geschenkt.

Da sich in den Endpreisen der Güter, bei deren Herstellung CO2 anfällt (zum Beispiel beim Strom) aber der Gesamtwert der für die Herstellung erforderlichen Emissionsrechte niederschlägt und nicht nur der Wert der zugekauften CO2-Zertifikate, ergibt sich nach Berechnungen der Naturschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF) folgende Gleichung: Die vier großen Stromkonzerne RWE, E.on, EnBW und Vattenfall müssen jährlich für etwa 332 Millionen Euro „Verschmutzungsrechte“ auf dem Emissionsmarkt kaufen. Gleichzeitig bekommen sie jährlich „Umweltzerstörungsrechte“ im Wert von acht Milliarden Euro geschenkt. Und da das Recht zur Luftverschmutzung nun einen Marktwert hat, lässt sich dieses Recht in bares Geld umsetzen.

Das Prinzip ist das eines Kettenrauchers, der sich in ein Restaurant setzt und sich von den anderen Gästen dafür bezahlen lässt, dass er nicht soviel raucht wie er rauchen könnte.

Diese Extra-Profite durch den Emissionshandel werden in den nächsten Jahren noch steigen. Denn die Stromkonzerne planen für die nächsten Jahre den Bau von Kraftwerken, die weniger CO2 verursachen. Dadurch werden sie selbst weniger Emissionsrechte benötigen. Sie können ihr „Recht“ zur Luftverschmutzung also an andere Firmen gewinnbringend weiter verkaufen, die dann ihrerseits umso mehr Kohlendioxid aus ihren Schornsteinen herauspusten dürfen.

Tony Blair und die G8

Doch die Kapitalistenklasse und ihre Politiker stecken in einer vertrackten Lage. Einerseits sind sie strukturell unfähig, das Problem des Klimawandels wirksam zu bekämpfen. Denn die Konkurrenz zwischen den Unternehmen und die Konkurrenz der Nationalstaaten untereinander verhindert zwangsläufig gemeinsames Handeln auf internationaler Ebene.

Auf der anderen Seite sehen viele Kapitalisten ihre Investitionen bedroht, seit Wissenschaftler mit immer dramatischeren Szenarien des Klimawandels und seiner wirtschaftlichen Folgen Alarm schlagen. Denn die Katastrophen, die durch den Klimawandel verursacht werden, richten nicht nur konkreten Sachschaden an. Sie können durch die Zerstörung von Produktionsstätten, Infrastruktur und Kreditsicherheiten die Weltwirtschaft in Krisen von (un)vorstellbaren Ausmaßen stürzen, die sich durch die selbstmörderische Eigendynamik kapitalistischer Krisen noch weiter steigern.

Auch politische Instabilität in Folge des Klimawandels ist vorhersehbar. Bei dem zu erwartenden Anstieg des Meeresspiegels um 80 Zentimeter, würden Gebiete mit 100 Millionen Einwohnern überflutet (vor allem in Bangladesh und im Nil-Delta). Für die betroffenen Menschen eine Katastrophe – für die Herrschenden ein unkalkulierbares Risiko.

Die gefeierte „Umweltrede“ von Tony Blair, der ankündigte, den Klimaschutz zu einem Hauptthema der G8-Runde in Heiligendamm zu machen, war daher keine Heuchelei. Sie drückt die ernste Besorgnis der herrschenden Klasse um ihre Investitionen aus. Zugleich ist jedoch die Vorstellung, die acht Regierungschefs könnten gemeinsam etwas zum Schutz der Erdatmosphäre tun, naiv. Keiner von ihnen hat alleine irgendetwas für den Schutz der Atmosphäre zustande gebracht. Schließlich haben die Regierungen im Interesse der nationalen Kapitalistenklasse zu agieren. Zusammen werden sie erst recht nichts Brauchbares zustande bringen. Die unterschiedlichen Interessen der herrschenden Klassen Europas, Nordamerikas und Russlands werden auch beim G8-Treffen jeden Fortschritt verhindern. Es ist wie auf der Titanic: Das Schiff sinkt, aber das Orchester spielt weiter.

Grundlagen für ökologische Nachhaltigkeit

Die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse und die technischen Möglichkeiten, um aus der Strahlung der Sonne den Weltbedarf an Strom, Wärme und Treibstoff zu decken, sind schon viele Jahre bekannt. Die Sonnenenergie, die jeden Tag auf die Erde trifft, ist etwa 3.000 Mal so groß wie der derzeitige Weltenergieverbrauch. Der heute technisch nutzbare Teil dieser Energie ist etwa dreimal höher als der derzeitige Weltenergieverbrauch.

Kombiniert mit anderen erneuerbaren Energieformen, Energieeinsparung und Energieeffizienz wäre es möglich, auf Energiequellen, die CO2-Ausstoß beinhalten, und auf Atomenergie komplett zu verzichten.

1. Möglichkeiten regenerativer Energieerzeugung:

Wind- und Wasserkraft zur Stromerzeugung, Wärmestrahlung mittels Sonnenkollektoren zur Wärmeerzeugung, Solarzellen und thermische Solarkraftwerke zur Stromerzeugung, Wasserstoff als Speichertechnik für erzeugte Energie (und damit ein möglicher erneuerbarer Treibstoff der Zukunft), Biomasse (Fäkalien, Holz, Pflanzenreste und -öle), Gezeitenkraftwerke zur Ausnutzung von Ebbe und Flut bei der Stromerzeugung sowie Geothermie (Erdwärme).

2. Technische Energieeinsparpotenziale:

Wärmedämmung: An Gebäuden kann Heizenergie durch effektive Maßnahmen massiv gespart werden, bis zu 75 Prozent bei Alt- und bis zu 100 Prozent bei Neubauten. Es ist oft nur ein Minimum an Energie zum Betrieb einer Lüftungspumpe erforderlich. In Kombination mit einer regenerativen Energiequelle am Gebäude kann dort mehr Energie erzeugt werden als verbraucht wird.

Wärmerückgewinnung durch Gegenströmung und als Übergangslösung bis zur vollständigen Umstellung auf regenerative Energieerzeugung die Verbesserung der Effektivität von herkömmlichen Anlagen durch die Erneuerung von Heizungsanlagen und Kraft-Wärme-Kopplung.

3. Weitere Einsparpotenziale:

Umleitung der Mittel, die in zerstörerische (Rüstung, AKWs) und sinnlose Bereiche (Werbung, parallele Produktentwicklung, beabsichtigter Verschleiß, Verpackungen) gesteckt und verschwendet werden. Wieder verwendbare Verpackungsmaterialien. Außerdem der Ausbau des Schienen- und Busnetzes, um den Auto-, aber auch den Flugverkehr (gerade über mittlere Distanzen) einzuschränken; Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr; Güterverkehr auf die Schiene; Arbeitsplätze in Wohnortnähe. Darüber hinaus müsste der vollkommen überzogene Luxuskonsum der Superreichen – die etwa fünf Prozent der momentan eingesetzten Energie verbrauchen – eingespart werden. Dies allein würde natürlich bei weitem nicht ausreichen, damit ließen sich aber auf einen Schlag mehr Ressourcen freisetzen als sämtliche Bemühungen der kapitalistischen Regierungen zusammen.