Kein Geld, keine Kultur?

Wenn nur Oper, Ballet und Vernissagen als Kultur gelten, gilt man schnell als „nicht kulturell aktiv“
Jens Knoll

Das Sozialforschungsinstitut (Sora) führte eine Studie zum Kulturverhalten von WienerInnen ab 15 durch. Das Ergebnis: Menschen, die „nur“ Pflichtschule haben, sind kulturell „inaktiver“ als Personen mit Matura. Dass die Teilnahme an klassischen kulturellen Veranstaltungen stark vom eigenem Bildungsniveau, sowie dem der Eltern abhängt, ist nichts Neues. Doch was gilt eigentlich als Kultur? Viele Aktivitäten von Menschen mit wenig Geld, von Jugendlichen oder auch MigrantInnen werden nicht als „kulturell“ miteinbezogen: Rappen, Sprayen, kreativ am PC arbeiten oder im Kulturverein traditionelle Tänze zu tanzen. Bei einem engen Kulturbegriff werden viele Menschen pauschal als „nicht kulturell aktiv“ abgetan.

Kultur wird hierzulande zumeist als etwas für Eliten und gutbürgerliche Schichten gesehen. Weil das Bürgertum in Österreich aufgrund der verspäteten kapitalistischen Entwicklung schwach war, wurde es nicht zum Träger der Aufklärung. „Volksbildung“ war Ziel der ArbeiterInnenbewegung, das Bürgertum strebte eher danach, sich an der Lebensweise des Adels zu orientieren.

Daher ist der Eintritt zu kulturellen Einrichtungen auch nicht kostenlos. Und durch Kürzungen wird der Zugang weiter erschwert. Kurse in Volkshochschulen kosten heute oft mehr als 100.-/Semester. Den Kulturpass, der Menschen mit geringem Einkommen in Wien den kostenlosen Zugang zu Kultur gestattet, bekommen weit weniger als ihn bräuchten. In England ist der Eintritt in viele Museen gratis. Da gehen dann auch viel mehr Menschen mit schwachem Einkommen, oder auch mit migrantischem Hintergrund hin. Durch kostenlosen Zugang zu Kultur wird das Publikum breiter. Das zeigt auch, dass es bei vielen Menschen nicht an Interesse, sondern oftmals am Geld mangelt.

Die Stadt Wien schreibt über die Studie: “Wer sich kulturell beteiligt, ist mit seinem Leben, der finanziellen Situation zufriedener.” Ein falscher Umkehrschluss, den Leuten mangelt es zur Zufriedenheit nicht an Interesse für Kultur, sondern an Geld für Miete, Essen und Kultur.

 

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