Italien: Krise von Banken & Politik

Die Bankenkrise verstärkt die politische Krise noch weiter – um so dringender ist linke Alternative!
Giuliano Brunetti, CWI Italien
 

 

 

Die Wirtschaft der EU wird von einem weiteren Krisenherd ins Wanken gebracht: dem italienischen Bankensektor. Die Mailänder Börse verlor innerhalb eines Tages 12,5% ihres Wertes. Die Schuld dafür liegt weder bei der britischen noch bei der italienischen ArbeiterInnenklasse, sondern im kapitalistischen System selbst.

Die Weltwirtschaft war schon davor in labilem Zustand und hatte die Krise 2008 nie wirklich überwunden. Die italienische Bankenkrise ist Ausdruck davon. Die Kursverluste des Bankensektors spiegeln die Einschätzung der Bourgeoisie über den Zustand der Realwirtschaft wider. Und die ist angesichts des Stagnierens von Produktion und Konsum sowie der Krise des internationalen Handels eine negative. Seit 2008 hat Italien mehr als 9,1% seines BIP verloren und ein Viertel seines industriellen Output. In dieser Situation bedeuten die reduzierten Wachstumsaussichten für 2016 (von 1% auf 0,8%) zu wenig Sicherheiten für das Großkapital.

Der italienische Bankensektor selbst ist krank und verfault. In ihm stecken mind. 330 Millionen faule Kredite. Das entspricht mehr als 20% des italienischen BIP. Das ist ein ernstes Problem für den gesamten europäischen Kapitalismus. Denn die italienischen Banken sind international verflochten: Die Unicredit Gruppe z.B. kontrolliert seit 2005 mehrheitlich die Bank Austria. Weder Unicredit noch Monte dei Paschi di Siena (MPS), zwei der fünf größten Banken in Italien, haben den Bankenstresstest bestanden. Die Regierung überlegt, einzugreifen und MPS zu rekapitalisieren. Doch eine derartige Intervention wäre Staatshilfe, die nach EU Recht verboten ist. Immer schneller dreht sich das Karussell von Bankenkrise, EU-Krise und genereller Instabilität. Zusammen mit steigender Arbeitslosigkeit produziert das einen potentiell explosiven Mix, der für den italienischen Kapitalismus nicht zu managen ist.

Die wirtschaftliche Krise drückt sich auch in einer politischen Krise aus: Im November/Dezember lässt Premier Renzi über eine Verfassungsreform abstimmen. Die aktuelle Verfassung ist unattraktiv für das Großkapital, da sie Überbleibsel der Verfassung von 1948 beinhaltet, die stark von der Kommunistischen Partei und dem Widerstand gegen den Faschismus geprägt war. Das Referendum wird polarisieren und eine Möglichkeit für die Bevölkerung sein, ihre Ablehnung der neoliberalen Politik der Regierung auszudrücken. Eine mögliche Niederlage Renzis in dieser Befragung könnte die Regierung weiter schwächen und das gesamte politische Establishment diskreditieren. Die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen in einer Zeit von Unsicherheit und Instabilität wächst damit.

Die Gewerkschaften sind zwischen der Verbindung ihrer Führung zur Renzi-Regierung und der Verpflichtung ihren Mitgliedern gegenüber zerrissen. Die CGIL, die mehr als fünf Millionen Mitglieder hat (die Mehrheit davon PensionistInnen), ruft zu einem Nein beim Referendum auf. Allerdings mobilisiert sie kaum. Es herrscht die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm. Die italienische ArbeiterInnenbewegung durchlebt eine schwierige Phase der Reorganisierung. Sie steht nach dem Niedergang der Refundazione Communista (PRC) ohne Partei da. Die Linke ist von der politischen Landschaft de facto verschwunden. Das wird sich mit zunehmendem Klassenkampf ändern – weil die Menschen nach Antworten auf die politische und wirtschaftliche Krise suchen werden.

Im Moment drückt sich die Wut über die Regierung und ihre Politik hauptsächlich auf der Wahlebene aus - in der 5-Sterne-Bewegung (M5S) und der Zunahme von NichtwählerInnen. Aber M5S ist gefangen in seinen Widersprüchen und seinem unklaren Klassencharakter – sie stützt sich auf eine allgemeine Ablehnung des Establishments, aber ohne klare politische Perspektive. In Rom steht sie vor Schwierigkeiten: – nach ihrem Wahltriumph war sie nicht fähig, eine Stadtregierung zu bilden. Noch gibt es große Hoffnungen in M5S, doch sie können diese nicht erfüllen und die herrschende Klasse versucht außerdem, sie auf jede erdenkliche Art zu diskreditieren. Umfragen deuten an, dass im Falle von Neuwahlen M5S stärkste Partei werden könnte. Die herrschende Klasse möchte eine Regierung mit M5S vermeiden, könnte aber gezwungen sein, sie in eine Regierung zu holen und dann darauf zu setzen, einzuschreiten, um das “von ihnen verursachte Chaos zu reparieren”. Die unvermeidliche Enttäuschung der Hoffnungen in M5S wird neuen Raum eröffnen für Kräfte, die mit einem Programm der Mobilisierung gegen die Regierung, das Bankensystem und die große Industrie das Bewusstsein aufgreifen können.  

 ControCorrente (CWI in Italien) schlägt vor, die ArbeiterInnenklasse, PensionistInnen und die Mittelschichten, die von den Banken stranguliert werden, um ein Programm zu versammeln, das die Verstaatlichung der Banken ohne Kompensation sowie unter Kontrolle der Beschäftigten und kleinen SparerInnen nach vorne stellt. Nur so können wir die kolossalen Ressourcen befreien, die in den Safes der privaten Banken liegen und sie nutzen, um den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.

Contro Corrente (CWI-Italien): http://www.associazionecontrocorrente.org

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