Ist Essen lebensgefährlich?

Kuhli-narrisch
Gustav Nowotny

Nach Britannien, Frankreich und Belgien sind in Deutschland die ersten BSE-Fälle zu verzeichnen. Doch BSE ist nur die Spitze eines Eisbergs von „Schweinereien“. Essen wird lebensgefährlich.

Erstmals aufgetreten ist der „Rinderwahnsinn“ 1985 bei einer Kuh in Südengland – sechs Jahr nachdem die Rinderfütterung dereguliert wurde. Erst 1990 wurde BSE eine in der EU meldepflichtige Krankheit. Lange wurde die Gefahr heruntergespielt, der Rinderwahn als mysteriöses Phänomen dargestellt; für den Menschen ungefährlich. Das „Tiermehl“, der wahrscheinlich hauptsächliche Überträger von BSE, wurde weiter verfüttert. Es besteht aus Tierkadavern von Nutztieren (auch von Schafen mit „Scrapie“, deren Form von BSE), aus „Abfällen“ der Tierarztpraxen (z.B. eingeschläferte Tiere) und Labortieren mitsamt darin enthaltenen Medikamenten bzw. Krankheitserregern. Dazu wurden dann oft aus Profitgründen bei der Tiermehlproduktion nicht einmal die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten.

Umwegrentabilität

Als in Britannien die Fütterung von Rindern mit Tiermehl verboten wurde, exportierten die Hersteller in andere Länder (u. a. in die BRD). Trotz heuchlerischer Verbote exportiert Österreich noch immer Tiermehl – nach Osteuropa. Das Fütterungsverbot wurde ebenso wie ein Exportverbot für Rindfleisch lange verzögert – die Lobby der Tiermehl- und Rindfleischproduzenten hatte u.a. im britischen Agrarminister (traditionell ein Großagrarier) einen starken Bündnispartner. Und wenn innerhalb der EU nicht mehr exportiert werden kann – macht auch nichts. In der “3. Welt” gibt es Abnehmer für das plötzlich so billige Rindfleisch. Durch die Verzögerungen wurde eine massive Verbreitung von BSE bewusst in Kauf genommen.

Medikamente im Fleisch? Ja, natürlich!

Doch BSE ist nur die Spitze des Eisberges, z.B. werden an Schweine reichlich Wachstumshormone verfüttert. Die Folge ist das PSE-Schwein (Pale, Soft, Execudative - Bleich, weich, wässrig), dessen Fleisch in der Pfanne um die Hälfte schrumpft und dann die Konsistenz einer Schuhsohle hat. Die gesundheitlichen Konsequenzen der Hormonbelastung für die KonsumentInnen sind noch nicht einmal annähernd erforscht. Anders bei den in der Massentierhaltung reichlich angewandten Antibiotika (=Medikamente). Hier ist bekannt, dass die im Fleisch enthaltenen Reste diverser Präparate Arzneimittelallergien und Resistenzen fördern.
Bleibt der Ausweg, VegetarierIn zu werden. Weit gefehlt – Chemikalien befinden sich in nichttierischen Nahrungsmitteln genauso und wegen der mangelnden Inhaltsangabe auf Lebensmitteln wissen wir letztlich ohnehin nicht, was wir essen.
hauptsache die kasse stimmt
Die Nahrungsmittelindustrie bedient sich der Bauern in der „3. Welt“: Kleinbauern werden gezwungen, auf den monokulturellen Anbau von Futtermitteln wie z.B. Soja umzustellen. Die Monokultur machen Kunstdünger und Schädlingsbekämpfungsmittel nötig. Diese landen zusätzlich zu den bereits genannten Substanzen über den Umweg Nutzvieh in den Mägen der KonsumentInnen. Mahlzeit!

Goldgrube Biobauer!

Die einzigen, die von den diversen Nahrungsmittelskandalen profitieren, sind die Biobauern. Abgesehen davon, dass auch sie sich von in den Kreislauf der Natur eingebrachten Giftstoffen keineswegs völlig fernhalten können, entwickelt sich hier der nächste, profitbringende Industriezweig. Die Rinderlobby ist froh über den Schweineskandal, wie die Biolobby von beidem profitiert. Jene, die jahrelang „mehr privat, weniger Staat“ gebrüllt haben, fordern nun staatliche Hilfestellung. Interessant ist hier, wie sich die Massentierhalter auf die Opferrolle verlegen. Die Nahrungsmittel- bzw. die fleischerzeugende Industrie, die zuvor jahrelang vom billigen Tiermehl profitiert hat, jammert nun über ihre Verluste und schreit nach Entschädigungen (die aus unseren Steuergeldern bezahlt werden sollen). Dass gesundheitliche Risiken für die KonsumentInnen bewusst in Kauf genommen wurden, dass auch infolge der jahrelangen Verharmlosung mit tausenden Todesfällen gerechnet werden muss (allein in Britannien bis zu 130.000), fällt dabei unter den Tisch.

Menschen als Produktionsmittel

Solange Menschen nur als Rädchen im Produktionsprozess gesehen werden, hat Nahrung einzig den Sinn, uns am Funktionieren zu halten. Da ist es letztlich egal, wie giftig unser Essen ist. Angesichts des jetzigen Fleischskandals herrscht plötzlich Entsetzen darüber, dass die chemische Industrie, die Futtermittel-, die Agrar- und die Lebensmittelindustrie einzig am Profit orientiert sind. Immerhin eine Erkenntnis, auf der sich aufbauen lässt – wenn auch zynisch. Was wir wollen sind nicht Bioprodukte für eine winzige Minderheit, sondern leistbares Essen für Alle, das gut und gesund ist.
Das ist aber offensichtlich im Kapitalismus nicht möglich!

Erscheint in Zeitungsausgabe: