Herbstlohnrunde 2007: Keine Almosen mehr!

Für eine kämpferische Lohnpolitik!
Michael Gehmacher

Der heurige  Sommer war anders, zumindest in der Gewerkschaftspolitik. Es gab eine öffentliche Debatte um die Lohnerhöhungen. Und das im Wesentlichen aus zwi Gründen: (1) Viele Menschen lesen und hören  von einem angeblichen Wirtschaftsaufschwung  und (2) es gab die 4%-Aussage von Sozialminister Buchinger. Was tut die ÖGB- Spitze damit? Anstatt die Aussage zu nutzen, verweist sie vor allem darauf, dass für die Lohnpolitik die Sozialpartner zuständig sind.
Ob sich Buchinger wieder einmal medial in Szene wollte oder er die Welle die seine Aussage losgelöst hat unterschätzt hat, ist letztlich nebensächlich. Denn, ob es der ÖGB-Spitze passt oder nicht, es kam durch die sie viel in Bewegung. Nach dem ÖGB-Kongress haben wir analysiert, dass sich die Widersprüche im ÖGB weiter zuspitzen werden. Durch den Bawag-skandal ist die der ÖGB, bzw. seine Führungsebene als Zentralmacht innerhalb der Gewerkschaften geschwächt. Die Spannungen zwischen einzelnen Bereichen und ÖGB-Spitze steigen. Kein Wunder wenn Einzelne den Buchinger-Vorstoß aufgreifen.

GÖD will mindestens 4% …

So sah GÖD-Chef Neugebauer die Chance, sich als Gewerkschafter (er fiel beim ÖGB-Kongress als stellv. Vorsitzender bei der Wahl durch) und als ÖVP-Politiker zur profilieren.
Am 6.8. ging er an die Öffentlichkeit. Er sehe den Buchingervorschlag als "Einladung an die Gewerkschaften jetzt kräftig zuzulangen" und  er erkläre die 4% als das Erstangebot eines Arbeitgebervertreters (als Regierungsmitglied für den öffentlichen Dienst). In den sozialpartnerschaftlich orientierten Lohnverhandlungsritualen ist es üblich, dass beim "Erstangebot" ArbeitgeberInnenvetrter und ArbeitnehmerInnenvetreter noch einigermaßen von einander entfernt sind. Die öffentlich Bediensteten müssten daher mindestens 4% erreichen meinte Neugebauer sinngemäß.

Auch bei den EisenbahnerInnen rumort es …

Roman Hebenstreit, Zentralbetriebsratsvorsitzender der LokführerInnen und Aufsichtsrat in der ÖBB-Traktion, will die Gehälter der Lokführer um bis zu 20% steigern. Im Zuge der Auseinandersetzung bei der Deutschen Bahn verlangt er auch eine kräftige Gehalterhöhung für die österreichischen LokführerInnen. Der bestehende Bedarf an LokführerInnen, stärkt - neben dem Arbeitskampf in Deutschland- das Selbstbewusstsein:  "Die neuen Löhne sollen im September fixiert sein", "Es will bei so einem niedrigen Gehalt niemand Lokführer werden" und "Im Notfall müssen wir auch streiken" meint Roman Hebenstreit in einem Interview mit der Zeitschrift NEWS im August.
Für die ArbeiterInnen und Angestellten der Brauindustrie verlangt die Gewerkschaft GMTN eine Erhöhung um 6,5% auf Löhne, Gehälter und Zulangen. War der Ruf nach einem "heißen Herbst" in den vergangen Jahren im Wesentlichen eine Forderungen von linken Organisationen und kämpferischen GewerkschafterInnen, so besteht heuer die Chance auf kämpferische Auseinadersetzungen und auf Lohnerhöhungen die diesen Namen tatsächlich verdienen. Linke BetriebsrätInnen, kämpferische Gewerkschaftsmitglieder, die FSG-Linke - so sie ernst genommen werden will - und die kleinen Fraktionen links von FSG und FCG müssen aktiv in die Lohnauseinandersetzung im Herbst eingreifen. Dazu ist eine Abrechnung mit der Lohnpolitik des ÖGB der vergangen Jahre notwendig.

Wie sah die Lohnpolitik des ÖGB in der Vergangenheit aus?  

Schon ab 1945 gab sich die ÖGB-Bürokratie staatstragend. Sie wollte ein fixer Bestandteil des herrschenden politischen Systems - mit den damit verbunden Privilegien - werden. Daher galt es in der Lohnpolitik keine Gefahr für die Unternehmen und den Staat zu werden."Rücksicht" auf die Bedürfnisse der Unternehmer war und ist ein zentraler Bestandteil dieser Politik. Den eigenen Mitgliedern wurde diese Politik entweder mit der "Verantwortung für den Staat und den Wirtschaftstandort" oder mit dem simpleren (hinkenden) Vergleich "Man soll die Kuh nicht schlachten die man melkt" verkauft.

In der Nachkriegszeit hieß das:  niedrige Löhne und hohe Preise um die Wirtschaft zu fördern. Die Verarmung weiter Teile der ArbeiterInnenklasse führte zu einem Unmut der unter anderem beim Oktoberstreik 1950 ausbrach.   

Die “Benya-Formel”

In der Phase des Nachkriegsaufschwungs (50er bis 70er Jahre) wurde dann die sog. "Benya Formel" entwickelt. Benannt nach dem langjährigen ÖGB-Präsidenten Benya (er war seit 1948 leitender Sekretär, 1959 Vizepräsident und 1963-1987 ÖGB-Präsident) bedeutete diese Leitlinie, dass mit einer Lohnerhöhung die Inflationsrate und Produktivitätssteigerung abgegolten werden muss. Angesichts der enormen Produktivitätssteigerungen der letzten Jahre hätte ein konsequentes Anwenden der Benya-Formel in den 90ern bis jetzt den ArbeitnehmerInnen wesentlich höhere Löhne gebracht. In den 60er und 70er Jahren war die Orientierung an der Produktivitätssteigerung aber eher ein Synonym für die Rücksichtsnahme auf die Wirtschaft (siehe Kasten von G. Ziegler). Ein schweres Erbe dieser "Formel" ist unter anderem eine enorme Differenz bei den Löhnen. In Teilen der Industrie (Erdöl, Chemie) gab es (gemessen am Durchschnitt) extrem hohe Löhne, während andere (Textil, Handel) sehr niedrig blieben. Diese "Lohnschere" entstand nicht nur zwischen Branchen sondern vor allem auch zwischen  Frauen und Männern.      
Ab den  90ern dominierte  die Unternehmeroffensive mit extrem niedrigen Abschlüssen und Verschlechterungen in vielen Kollektivverträgen. Die endgültige Abkehr von der "Benya-Formel" markierte ein ÖGB-Grundsatzbeschluss zur Lohnpolitik vom 14.ÖGB-Kongress (Leitantrag "Einkommen statt Almosen") in dem es nur mehr hieß "Alle Beschäftigten müssen am Produktivitätszuwachs und am Wachstum des Wohlstandes teilhaben können".  
Das Ergebnis der ÖGB-Politik ist eine enorme Umverteilung zu Gunsten der Unternehmer. Insgesamt sank  und sinkt die Lohnquote (Anteil der Löhne und Gehälter am Volkseinkommen) kontinuierlich.

Außerdem verlor ein Großteil der ArbeitnehmerInnen an Wohlstand. Die Steigerungen bei Preisen, Mieten und Gebühren überstiegen die Lohnzuwächse oft um ein Vielfaches. Dazu noch der Sozialabbau der verschiedenen Bundesregierungen.

Zwischen 1995 und 2006 stieg das Netto-Realeinkommen der ArbeitnehmerInnen nur um 0,6%; schreibt der Chef der Metallergewerkschaft, Erich Foglar. Die Ursachen sieht er vor allem im Sozialabbau von Blau-Schwarz. Tatsächlich zieht diese Zahl auch eine traurige Bilanz über alte SPÖ-ÖVP-Regierungen und vor allem über die Gewerkschaftspolitik der letzten Jahre.  
Während die Löhne stagnierten und die Belastungen wuchsen, stiegen die Gewinne enorm. Durch Spekulationen und das defacto steuerfreies Anlegen der Gewinne in Privatstiftungen wurde der Reichtum für einige wenige noch einmal enorm gesteigert.   

Für eine kämpferischen Lohnpolitik

Alle Linken, die tatsächlich in die gesellschaftliche Auseinadersetzung eingreifen wollen, müssen die derzeitige öffentliche Debatte um die Lohnerhöhungen nutzen.    
Als SozialistInnen sehen wir es als unsere Aufgabe,  der herrschenden ÖGB-Politik ein klassenkämpferisches Programm entgegenzustellen. Die "Lohnfrage" ist eine Auseinandersetzung zwischen Kapital und Arbeit um den von den Beschäftigten erwirtschafteten Reichtum. Nur durch Arbeit werden Werte und damit Reichtum geschaffen. Mit dem Lohn bekommen die ArbeiterInnen nicht den Gegenwert der von ihnen geschaffenen Werte bezahlt, sondern deutlich weniger. Einen Teil der ihrer Arbeitszeit arbeiten die Lohnabhängigen faktisch für den Mehrwert der Kapitalisten.
Eine elementare Aufgabe einer marxistisch orientierten Lohnpolitik ist daher, diesen Teil möglichst gering zu halten. Lohnpolitik ist eine Auseinandersetzung zwischen Arbeit und Kapital und daher eine Form von permanentem Klassenkampf. Diesen gilt es von ArbeitnehmerInnenseite so offensiv wie möglich zu führen und als Instrument für eine Umverteilung von oben nach unten zu nutzen.
Eine Aufgabe der nächsten Jahre müsste es sein, jeden Einkommensverlust abzuwenden. Es darf keine Abschlüsse mehr geben, die nicht die Teuerungsraten ausgleichen. Pünktlich zum 1.  April werden jedes Jahr ein Großteil der Mieten an den Verbraucherpreisindex angepasst. Ähnliche Mechanismen gibt es bei Strom, Gas und vielen Gebühren. Steigen die Löhne nicht dem entsprechend kommt es bei Vielen zur Verringerungen des Lebensstandards.    

Lohnpolitik muss solidarisch werden

Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern bzw. zwischen verschiedenen Branchen muss geschlossen werden, ohne dass es zu Einkommensverlusten bei ArbeitnehmerInnen mit höheren Einkommen kommt.

Für den Herbst 07 könnte eine kämpferische Lohnpolitik bedeuten:

  1. Nichts unter 4 Prozent!

    Der Buchingervorstoß gilt als absolute Untergrenze. Jedes Verhandlungsergebnis darunter sollte abgelehnt und mit Kampfmaßnahmen beantwortet werden.  

  2. Keine faulen Kompromisse!

    Die weitere Verschlechterung (Flexibilisierung) des Arbeitszeitgesetzes vom Juli 2007 gibt den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden die Möglichkeit über den Kollektivvertrag die Arbeitszeit zu flexibilisieren. Die Möglichkeit Unternehmerwünsche (bis zu 60 Stunden in der Woche, bis zu 10 oder 12 Stunden am Tag usw.)  gegen eine höhere Lohnerhöhung zu tauschen steht im Raum. So manchem Vertreter von beiden Seiten schwebt offensichtlich ein derartiger Abschluss vor. Dies wäre eine erschwindelte Erhöhung, da gleichzeitig Überstundenzuschläge und ähnliches wegfallen würde.  

  3. Erhöhungen für alle!

    Bei der Einführung des Mindestlohns zeigt sich das manche (vor allem prekär beschäftigte) ArbeitnehmerInnen nicht berücksichtigt werden (siehe Titelseite), eine Lohnerhöhung von mindestens 4% und auf mindestens 1000 Euro muss für alle gelten!

    Diese Verbesserungen für die Arbeitnehmer-Innen müssen neben den Verhandlungen mit Kampfmaßnahmen erkämpft werden. Das bedeutet: Betriebsversammlungen mit Debatten um die Forderungen (sowohl Arbeitszeit als auch Erhöhung), BetriebsrätInnenkonferenzen und Streiks. Eine klassenkämpferische Gewerkschaftsopposition muss versuchen, überall wo es möglich ist, die Gewerkschaftsspitze in diesen Kampf zu zwingen. Die Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften wird bei den Metallern und andern Branchen  Schritte in diese Richtung setzten

Erscheint in Zeitungsausgabe: