Frauen in der österreichischen Arbeiter*innenbewegung

Teil 8 der Artikelserie: Geschichte der österreichischen Arbeiter*innenbewegung
Karin Wottawa und Sebastian Kugler

Frauen waren immer Teil der Arbeiter*innenbewegung, auch wenn kleinbürgerliche und reformistische Kräfte stets versuchten, sie zurückzudrängen. Das begann bei der Debatte um Frauenarbeit im 19. Jahrhundert. Die männlich dominierte Führung der Arbeiter*innenbewegung trug das bürgerliche Familienideal der Frau mit, deren Welt aus Heim und Herd besteht, und richtete die Organisationen auf männliche Industriearbeiter aus. Frauen wurden mehr als Lohndrückerinnen gesehen denn als Mitkämpferinnen. Nichtsdestotrotz forderten sie nicht nur Bildung, Wahlrecht und Arbeit, sondern kämpften auch gegen ihre spezifische Unterdrückung. Bei einer Demonstration für Frauenrechte am 19.3.1911 wurde die Abschaffung des §144, der Abtreibung unter Gefängnisstrafe stellte, gefordert. Diese Fragen betrachtete die sozialdemokratische Führung jedoch höchstens als Beiwerk - unter “Einheit” der Klasse wurde verstanden, dass Frauen ihre Forderungen im Zweifelsfall hintanstellen sollen, anstatt gemeinsam gegen jede Unterdrückung zu kämpfen - so auch bei der Wahlrechtsfrage. Die Übernahme bürgerlicher Ideologie in Geschlechterfragen wurde zur zentralen Stütze des Reformismus - kein Wunder, dass die Sozialdemokratie im 1. Weltkrieg die gegen Krieg und Hunger revoltierenden Frauen vor allem als Bedrohung sah, während in Russland die Bolschewiki sie als revolutionäres Potential wahrnahmen.

Alles Einzelkämpferinnen?

Die reformistische Dominanz ist die Basis dafür, dass ihre Geschichte Frauen in dieser Zeit vor allem als isolierte Einzelkämpfer*innen kennt - von Amalie Seidel und Adelheid Popp, die 1893 den ersten Frauenstreik von 700 Fabrikarbeiterinnen organisierten, der nach drei Wochen eine Arbeitszeitverkürzung von 13 auf 10 Stunden pro Tag gewann; bis zu Anna Boschek und Käthe Leichter, die in der Zwischenkriegszeit als Gewerkschafterinnen und Antifaschistinnen gegen das fatale Zögern der Führung ankämpften. Die kleine KPÖ hatte zwar mit Elfriede Friedländer eine ausgewiesene Revolutionärin als erstes Mitglied, die mit “Sexualethik des Kommunismus” ein wichtiges Werk des sozialistischen Feminismus verfasste - sie war jedoch später unter dem Namen Ruth Fischer in Deutschland stets Anfeindungen ausgesetzt, als Frau, die es wagte, Männer in den eigenen Reihen, besonders Stalin zu kritisieren. Der Stalinismus stellte sich ebenso gegen Frauen wie der Reformismus. Das erkannten Kommunistinnen wie Isa Strasser und Raissa Adler. Sie waren mit Trotzki in engem Kontakt und unterstützten die “Linke Opposition”. Während diese in den werktätigen Frauen eine zentrale Kraft der Revolution sah, fand sich im Programm der österreichischen Linksopposition KPÖ(O) kein einziger Punkt zur Frauenbefreiung.

Reformismus als gläserne Decke

Nach dem Krieg hat sich all das nur bedingt geändert. Die ausgewiesene Linke Hilde Krones wurde in der SPÖ auch mit Sexismus in den Selbstmord getrieben, sie hatte “eine Ehe zerstört”. Die Dominanz des Reformismus und das Ausbremsen von radikalen Forderungen blieb System. So kämpfte die Sozialdemokratin Johanna Dohnal mit dem Rückenwind der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den 1970ern für die Legalisierung von Abtreibung. Dohnal meinte “Aus taktischen Gründen leise zu treten, hat sich noch immer als Fehler erwiesen” - tat aber letztlich genau das. In der SPÖ wurden ihre politischen Forderungen und Einstellungen mitunter nur geduldet und waren zu radikal, Dohnal organisierte dennoch keinen organisierten und offenen Kampf gegen den Reformismus in der Partei. Weil die SPÖ jedoch weder ÖVP noch Kirche auf die Füße treten wollte, blieb es bei der Fristen”lösung”, die Abtreibung nicht legal, sondern nur “straffrei” macht und Frauen nur bedingt Abtreibungen ermöglicht, weil sie nach wie vor selbst bezahlt werden müssen und nicht jede Frau Zugang hat - es gibt nach wie vor keine Abtreibung auf Krankenschein, im Gegenteil steht nun die Fristenlösung immer stärker unter Beschuss.

Es reicht also nicht, auf Reformen zu hoffen, die jederzeit wieder zurückgenommen werden können. Reformismus bremst und schadet. So wie der Kampf gegen Frauenunterdrückung nur mit einer revolutionären Perspektive konsequent geführt werden kann, muss die Arbeiter*innenbewegung den Kampf für eine revolutionäre Veränderung auf dem konsequenten Kampf gegen Frauen- und jegliche spezifische Unterdrückung aufbauen.

 

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