Faschismus: Totengräber der ArbeiterInnenbewegung

Stefan Reifberger

Die Gefahr des Faschismus ist Thema in Medien und Politik – ob bei der Berichterstattung über die ungarische Jobbik oder dem Gedenken an die Opfer des NS-Regimes. Faschismus bezeichnet eine Herrschaftsform im Kapitalismus, darunter fallen u.a. Nationalsozialismus, Austrofaschismus, italienischer bzw. spanischer Faschismus. Sie alle sind der Ausdruck einer schweren gesellschaftlichen Krise, die auf den Systemwidersprüchen fußt, die dem Kapitalismus innewohnen. Der russische Revolutionär Leo Trotzki hat diese Widersprüche als schwere wirtschaftlich-soziale Krise, gesellschaftliche Polarisierung und fortdauernde Unfähigkeit der ArbeiterInnenbewegung, einen sozialistischen Ausweg zu erkämpfen, zusammengefasst. Seit der Deutschen Revolution von 1918 griffen die herrschenden KapitalistInnen den Lebensstandard der ArbeiterInnen an. Die 1918 erreichten sozialen Errungenschaften wurden zum Hindernis für eine Steigerung der Profitrate. Als Marxist kam Trotzki schon Anfang der 1930er Jahre zu der Feststellung, dass die „historische Mission“ des Faschismus in der Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung besteht. Diese Analyse auf Basis eines Klassenstandpunktes unterscheidet sich von allen anderen Erklärungsversuchen.

Der Faschismus war und ist nicht die erste Wahl des Kapitals bei der Durchführung dieser Aufgabe. Vor allem seit den konkreten Erfahrungen mit faschistischen Regimes sind die Risiken auch für das Kapital bekannt: eine schwer zu kontrollierende Eigendynamik und die hohen Kosten, die der Faschismus nach sich zieht. Doch als letzten Ausweg ist das Kapital bereit, auf diese Herrschaftsform zu setzen.

Um seine „historische Mission“ zu erfüllen, stützt sich der Faschismus auf eine Massenbasis, die er im Kleinbürgertum findet. Leo Trotzki schrieb dazu im „Porträt des Nationalsozialismus“ 1933:

„Solange die Nazis als Partei handelten und nicht als Staatsmacht, fanden sie fast keinen Eingang in die Arbeiterklasse. Andererseits betrachtete die Großbourgeoisie – auch jene, die Hitler mit Geld unterstützte – die Nazis nicht als ihre Partei. Das nationale „Erwachen“ stützte sich ganz und gar auf die Mittelklasse, den rückständigsten Teil der Nation, den schweren Ballast der Geschichte.“

Die Krise von 1929 traf die Mittelschicht nicht weniger heftig als die ArbeiterInnen. Sie konnte sich wegen der herrschenden Massenarbeitslosigkeit nicht einmal proletarisieren und verarmte. Sie hoffte, wie Abraham Leon aufzeigt, auf einen „guten“ Kapitalismus ohne dessen schlechte Seiten. Erst weil es der ArbeiterInnenbewegung nicht gelang, diese verarmte Mittelschicht durch konkrete Forderungen auf ihre Seite zu ziehen, konnte sich die pseudo-antikapitalistische nationalsozialistische Ideologie dort ausbreiten. Das Ergebnis dieser Unfähigkeit, einen sozialistischen Ausweg zu erkämpfen, ist bekannt. Nach der Machtübernahme konnte der Faschismus seine Massenbasis aufgrund seiner inneren Widersprüche nicht aufrechterhalten, doch die Mission wurde erfüllt: In Deutschland wurden 1933 sämtliche Gewerkschaften und ArbeiterInnenparteien verboten. Ihre VertreterInnen wurden verfolgt und ermordet. Rassismus und die „Volksgemeinschaft“ diente als Begründung für die Vernichtung der ArbeiterInnenbewegung. Am Ende standen Massenmord und Holocaust.

 

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