Fr 05.04.2024
übersetzt aus dem Englischen, zuerst veröffentlicht auf socialistparty.ie am 22. Juni 2023
Reflexionen: Marxismus und Unterdrückung
"Wir müssen den Kampf des politisch unterdrückten und unfreien weiblichen Geschlechts in den breiten Kurs der proletarischen Befreiung einbinden, genauso wie den der unterdrückten Völker und Nationalitäten. Die Forderung nach völliger politischer Gleichberechtigung der Frauen vor dem Gesetz und im täglichen Leben wird zum Ausgangspunkt und zur tragenden Säule des proletarischen Kampfes um die politische Macht... Diese Forderung [nach Gleichberechtigung der Frauen] bedeutet viel mehr als die Beseitigung überkommener Vorurteile, Sitten und Traditionen; viel mehr als die Beseitigung männlicher Privilegien. Sie wird zu einem Kampf gegen die bürgerliche Klassenherrschaft und den bürgerlichen Klassenstaat und verschmilzt mit dem Vorwärtsdrang des Proletariats zur Erringung der Staatsmacht." (1)
Dies ist ein Zitat der sozialistischen Feministin Clara Zetkin, einer Gigantin der marxistischen Bewegung, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert in Deutschland und international eine entscheidende Rolle spielte. Die Formulierung aus dem Jahr 1921 mag veraltet sein, aber der darin enthaltene vorausschauende Kern ist so aktuell und dringend wie nur möglich. Analysieren wir ihn in zeitgenössischen Begriffen.
Zetkin plädiert dafür, dass Sozialist*innen sich bemühen sollten, den feministischen Kampf anzuführen, dem sie strategische Bedeutung beimisst. Indem sie feministische Forderungen nahtlos in die Arbeiter*innenbewegung einordnet, sieht Zetkin sie in einen "Kampf gegen die bürgerliche Klassenherrschaft" münden - einen sozialistischen Kampf gegen die Klassengesellschaft, den Kapitalismus und die kapitalistische herrschende Klasse. Darüber hinaus verleiht dieser Prozess dem revolutionären Prozess der Arbeiter*innenklasse selbst neuen Wert und Auftrieb. Die Verfolgung dieses Ansatzes wird sich als eine "Säule der Stärke" für die Arbeiter*innenbewegung erweisen. Zetkin nahm kein Blatt vor den Mund.
Dem Marxismus wird oft fälschlicherweise vorgeworfen, er rechne nicht mit verschiedenen Formen der Unterdrückung; er sei von Natur aus "klassenreduktionistisch" - er würde die Klassenausbeutung über andere Formen der Unterdrückung wie Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit stellen und damit die Bedeutung dieser abschwächen, wenn nicht gar ignorieren. Dies ist ein Irrtum, wie wir im Folgenden zeigen werden, ungeachtet der Fehler vieler linker Traditionen in dieser Frage. Tatsächlich haben wir als ISA eine Analyse über die Mängel in unserer eigenen Tradition in Bezug auf den Kampf gegen die Unterdrückung verfasst, mit dem Ziel, diese zu korrigieren. Während die ungeheuerlichsten Ansätze zu Fragen von Unterdrückung im linken Reformismus, in den konservativen Gewerkschaftsbürokratien und in der stalinistischen Tradition zu finden sind, ist es nicht so, dass es nicht immer noch selbsternannte trotzkistische Gruppen gibt, die in einer Art und Weise über "Identitätspolitik" schimpfen und toben, die wie ein rechtes Argument klingt und dem Marxismus weiterhin einen schlechten Ruf einbringt. In dieser falschen Version des Marxismus wird behauptet, die "Identitätspolitik" sei das wichtigste Spaltungsinstrument der herrschenden Klasse, und nicht etwa Sexismus, Rassismus, Transphobie usw.
Der Marxismus ist eine Philosophie, die optimistisch und humanistisch für einen vereinten, globalen Kampf der Arbeiter*innenklasse gegen den Kapitalismus eintritt - eine selbstbefreiende Vision und Perspektive für die Ausgebeuteten und Unterdrückten selbst, um sich gegen die kapitalistische Klassenherrschaft zu erheben. Sie plädiert für die Dringlichkeit und Notwendigkeit, einen entschlossenen Kampf aufzubauen, der nicht nur den Reichtum, die Ressourcen und die Industrie der Gesellschaft aus den privaten Händen nehmen kann, sondern sich auch gegen den kapitalistischen Staat wendet, der den Status quo schützt. Durch diese demokratische Bewegung der Massen von unten muss eine Alternative zum Staat aktiv aufgebaut werden. Eine solche revolutionäre Perspektive für einen Bruch mit dem Kapitalismus - in deren Mittelpunkt die einzigartige Kraft einer vereinten, von sozialistischer Politik durchdrungenen Arbeiter*innenbewegung steht - ist der Kern des Marxismus.
Dieser revolutionäre Prozess und diese vereinte sozialistische Arbeiter*innenbewegung ist eng und untrennbar mit dem Kampf gegen Unterdrückung verbunden. Ein revolutionärer Prozess, der sich ohne den Kampf gegen jede Form der Unterdrückung entfaltet, ist undenkbar - ein Ding der Unmöglichkeit. Die Radikalisierung, das soziale Ferment und der Impuls für die Arbeiter*innenbewegung - im Sinne Zetkins -, die sich aus den Kämpfen gegen Unterdrückung ergeben, sind ein wesentlicher Bestandteil des revolutionären Prozesses. Unterdrückung ist ein Werkzeug der kapitalistischen Herrschaft. Daher muss sie als Teil jeder Bewegung, die den Kapitalismus wirklich bekämpft, in Frage gestellt werden. Darüber hinaus kann die Arbeiter*innenbewegung nicht nur am Arbeitsplatz kämpfen, wenn sie die kapitalistische Klasse und das kapitalistische System erfolgreich herausfordern und besiegen will - um die Macht als Ganzes herausfordern zu können, muss sie in der Lage sein, alle Facetten des gesellschaftlichen Lebens einzubeziehen.
Bei einem marxistischen Ansatz zur Bekämpfung von Unterdrückung geht es niemals darum, weniger feministisch oder weniger antirassistisch zu sein, wenn es darum geht, Klassenunterdrückung und Ausbeutung zu bekämpfen. Es geht darum, die Kämpfe gegen Unterdrückung in jeder Hinsicht zu stärken und sie gleichzeitig in einer Perspektive zu verwurzeln, die wahre, vollständige und dauerhafte Freiheit gewinnen kann. In diesem Beitrag soll versucht werden, 1. einige Merkmale eines marxistischen Ansatzes zur Bekämpfung von Unterdrückung zusammenzufassen, 2. die Probleme einer liberalen Strategie zur Bekämpfung von Unterdrückung zu beleuchten und 3. die Vorstellung zu widerlegen, dass der Marxismus “klassenreduktionistisch” sei, also Forderungen und Kämpfe gegen Unterdrückung zurückweisen, “hinten anstellen”, würde.
Merkmale eines marxistischen Ansatzes zur Bekämpfung von Unterdrückung
Wir werden versuchen, einen marxistischen Ansatz zur Bekämpfung von Unterdrückung mit folgenden Punkten zusammenzufassen: a) eine Analyse der Wurzeln der Unterdrückung b) die Anerkennung der Verflechtung von Unterdrückung und Ausbeutung c) Selbstermächtigung und d) “immer bewusst, immer kämpferisch”.
a. Analyse der Wurzeln der Unterdrückung und Konzentration auf die Förderung des Kampfes gegen diese Unterdrückung
Kurz gesagt, Unterdrückung in all ihren Formen ist im Kapitalismus verwurzelt und wird von ihm reproduziert: ein von Natur aus patriarchales, rassistisches, ökologisch zerstörerisches und unterdrückerisches System. Die geschlechtsspezifische Unterdrückung hat ihre Wurzeln in den Anfängen der ersten Klassengesellschaften. Der Rassismus hat eine viel kürzere Lebensspanne in der Geschichte, da er untrennbar mit der Entwicklung des Kapitalismus und des Imperialismus verbunden ist. Während sich der Kapitalismus zunächst in Europa entwickelte, lag die endlose Expansion auf der Suche nach neuen Märkten, Ressourcen und Arbeitskräften in der Natur des Systems. Dies bedeutete die Kolonisierung Afrikas und Asiens, die ethnische Säuberung der indigenen Völker Amerikas und die Schrecken des atlantischen Sklav*innenhandels. Diese Grausamkeiten wurden im Interesse des Profits begangen, machten aber auch eine Kategorisierung der Menschen nach dem neuen Kriterium der nach der Rassentheorie erfundenen “Rassen” erforderlich.
Rassismus ist auch heute noch ein mächtiges ideologisches Instrument zur Spaltung und Beherrschung der Arbeiter*innenklasse und zur Rechtfertigung der anhaltenden Ausbeutung des globalen Südens. Migrantisierte Menschen in Europa und Nordamerika sind systematischer staatlicher Unterdrückung ausgesetzt und konzentrieren sich in den ausbeuterischsten Sektoren der Wirtschaft, was alles dem System zugute kommt. Diese und andere Formen der Unterdrückung wurden durch den Kapitalismus vertieft und reproduziert.
Ein marxistischer Ansatz zur Bekämpfung von Unterdrückung muss stets die Wurzeln der Unterdrückung im Kapitalismus im Auge behalten, einem System, das auf der strukturellen Ausbeutung der Arbeiter*innen und der Armen - der großen Mehrheit der Gesellschaft - und der Natur beruht, um einer winzigen Elite Profite zu verschaffen. Es bedeutet, eine klare Vorstellung von der Art des sozialistischen Kampfes und Wandels zu haben, die notwendig sind, um die Unterdrückung zu beenden; es bedeutet, dieses Verständnis bewusst in jede Handlung einfließen zu lassen; es bedeutet, zu verstehen, wer unsere Feinde sind - die Kapitalist*innenklasse und ihr System, einschließlich der Staaten, die ihre Herrschaft aufrechterhalten, und wer unsere potenziellen Verbündeten sind - die Ausgebeuteten und Unterdrückten der Welt, die ein gemeinsames Interesse daran haben, das System, das Unterdrückung hervorbringt, zu beenden. Beim Aufbau unserer Kämpfe gegen Unterdrückung müssen wir versuchen, eine möglichst breite Bewegung gegen alle Formen von Ungerechtigkeit und Unterdrückung aufzubauen, aber mit dem klaren Auftrag, zusammenzuhalten und die Führung für einen Ansatz und ein Programm zu gewinnen, das im Antikapitalismus, im Sozialismus und in der Einheit der Arbeiter*innenklasse im Kampf für diese Ziele wurzelt.
b. Erkennen der Verflechtung von Unterdrückung und Ausbeutung
Wie Marx' tiefgreifende Analyse des Kapitalismus gezeigt hat, ist die Ausbeutung der Arbeiter*innen der zentrale Baustein des Kapitalismus. Die Profite sind die unbezahlte Arbeit der Arbeiter*innenklasse. Kapitalist*innen entlohnt Arbeiter*innen gerade so viel für ihre Arbeitskraft, dass sie ihre Arbeitskraft reproduzieren können. Die Arbeitskraft der Arbeiter*innen produziert jedoch mehr Wert als sie kostet - einen Mehrwert, den Kapitalist*innen an sich reißen. Die Quelle des kapitalistischen Profits ist somit die Fähigkeit, den Arbeiter*innen weniger als den vollen Wert ihrer Arbeitskraft zu zahlen, d. h. sie auszubeuten. Diese Ausbeutung ist ein inhärenter Widerspruch des Kapitalismus, der die Ungerechtigkeit und Ungleichheit im Kern des Systems untermauert. Das bedeutet aber auch, dass die Arbeiter*innen von Natur aus mit einem Machtpotential ausgestattet sind. Eine organisierte Arbeiter*innenbewegung hat die besondere Macht, das System, das die Klassenherrschaft aufrechterhält, im Kern zu treffen.
Hinter diesem zentralen Widerspruch des Kapitalismus verbirgt sich die geschlechtsspezifische und patriarchale Ungleichheit des Kapitalismus und ist in diesen integriert. Das System setzt die Geschlechtertrennung und rückständige Geschlechterrollen voraus, auch wegen der unbezahlten und unterbezahlten Reproduktionsarbeit, die die Arbeitskräfte für den Kapitalismus reproduziert und hauptsächlich von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse verrichtet wird. Diese Arbeit findet oft innerhalb der Grenzen der patriarchalen Familienstruktur des Kapitalismus statt, aber auch innerhalb der bezahlten Arbeitskräfte - vor allem im Gesundheits- und Bildungswesen, also in Bereichen, die von Frauen dominiert werden. Oxfam hat den Wert der unbezahlten Arbeit von Frauen und Mädchen weltweit auf 10,8 Billionen Dollar pro Jahr geschätzt, was mehr als doppelt so schwer ist wie die globale Tech-Industrie.
Ohne die Reproduktion der Arbeitskräfte kann kein Gewinn erzielt werden. Auf diese Weise treiben die Unterdrückung der Geschlechter und die Auferlegung eines rückständigen Geschlechterbinarität nicht nur ungebunden im und um das System herum, sondern sind untrennbar mit ihm verbunden - in diesem Fall aufgrund der Funktionsweise der miteinander verbundenen Produktions- und Reproduktionssphären.
In ähnlicher Weise ist die Ausbeutung der Natur, die im Kapitalismus verwurzelt ist - mit seinem räuberischen Bedürfnis nach Profitsteigerung um jeden Preis - ein aktueller und aktiver Reproduzent von Neokolonialismus auf globaler Ebene. Bei den derzeitigen Trends könnte die Zahl der Geflüchteten aufgrund des Klimawandels bis 2050 auf 1,2 Milliarden ansteigen - ein weiteres Zeugnis des rassistischen Kapitalismus.
Unterdrückung - eine systemische Unterwerfung - überschneidet sich natürlich mit Ausbeutung und ist mit ihr verflochten. Pflegekräfte sind in geschlechtsspezifischer Weise unterbezahlt und unterbewertet - in diesem Fall aufgrund der allgemein geringen Wertschätzung dessen, was im Kapitalismus als "weibliche" Pflegearbeit angesehen wird. Außerdem werden sie als Arbeitskräfte ausgebeutet, COVID hat das besonders zum Vorschein gebracht.
Diese Beispiele sind nur ein kleiner Einblick in die unzähligen Verflechtungen von Unterdrückung und Ausbeutung. Darüber hinaus führt die Wirkung der Unterdrückung auf die Betroffenen, zusammen mit der Klassenspaltung, zu einer verstärkten Radikalisierung und Politisierung, die diese Teile der Arbeiter*innenklasse und der Armen in die vorderste Reihe des Kampfes bringen kann. Sie gehören daher meistens zu den Ersten, die weitreichende, radikale und revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen.
c. Selbstermächtigung
"Die Wahrheit, die selbst von denjenigen, die der Frau Gutes tun wollen, nicht vollständig anerkannt wird, ist, dass sie sich wie die Arbeiter*innenklasse in einem unterdrückten Zustand befindet; dass ihre Position, wie die der Arbeiter*innenklasse, eine gnadenlose Erniedrigung ist. Die Frauen sind die Geschöpfe einer organisierten Tyrannei der Männer, wie die Arbeiter*innen die Geschöpfe einer organisierten Tyrannei der Kapitalist*innen sind. Selbst wenn man dies begriffen hat, darf man nicht müde werden, auf dem Nichtverstehen zu beharren, dass für die Frauen wie für die werktätigen Klassen im gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft keine Lösung der sich stellenden Schwierigkeiten und Probleme wirklich möglich ist. Alles, was getan wird, und sei es mit noch so viel Trompetengeklimper, ist eine Linderung, keine Abhilfe. Beide unterdrückten Klassen, die Frauen und die unmittelbaren Produzent*innen, müssen begreifen, dass ihre Emanzipation aus ihnen selbst kommen wird."
Eleanor Marx, Tochter von Karl Marx und bahnbrechende revolutionäre Sozialistin, die mit jeder Faser ihres Wesens für die Politik ihres Vaters kämpfte und versuchte, feministische Forderungen und Kämpfe in die frühe Arbeiter*innen- und sozialistische Bewegung zu integrieren. Als geliebte und legendäre Anführerin der Arbeiter*innenklasse - eine Organisatorin von Hafenarbeiter*innen, Industriearbeiter*innen und Bergleuten -, die 1890 auf der allerersten Maidemonstration in London eine Rede hielt, wurden Eleanor Marx' Radikalisierung und ihr politisches Denken in ihrer Kindheit und Jugend geprägt, als sie die koloniale Unterdrückung des irischen Volkes durch die britische herrschende Klasse verfolgte, darüber schrieb und sich dagegen einsetzte. In ihren Schriften, die sie bereits 1886 für ihren Lebensgefährten Edward Aveling (mehr über ihn später) verfasste, erkennt sie nicht nur den patriarchalen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise, sondern setzt sich auch ausdrücklich für die Selbstbefreiung der Frauen ein - und dasselbe gilt für alle Völker, die einer bestimmten Form der systemischen Unterdrückung ausgesetzt sind.
Diejenigen, die selbst unter einer bestimmten Form der Unterdrückung leiden, spielen eine zentrale Rolle im Kampf gegen diese Unterdrückung. Sie wissen besser als alle anderen, was es bedeutet, unterdrückt zu werden. Darüber hinaus ist die aktive Teilnahme an einem kollektiven Kampf eine radikalisierende und politisierende Erfahrung: Sie verändert oft das Bewusstsein für den systematischen Charakter der Unterdrückung, zerstört Illusionen in das System und veranschaulicht auf lebendige Weise die Notwendigkeit eines entschlossenen Kampfes und der Solidarität, um eine Veränderung zu erreichen. Dies kann diese Menschen in eine führende Rolle in der Arbeiter*innenbewegung insgesamt katapultieren - so wie die Frauen und queeren Menschen, die im September 2022 mit der sozialen Revolte "Frau, Leben, Freiheit" an vorderster Front gegen die iranische Diktatur kämpften.
Wenn Menschen, die von Unterdrückung betroffen sind, aktiv werden, um ihre eigene Unterdrückung zu bekämpfen, ist das positiv für die gesamte Arbeiter*innenklasse, auch für diejenigen, die diese Form der Unterdrückung nicht direkt erleben. Frauenfeindlichkeit, Rassismus, Queerfeindlichkeit usw. sind an sich schon abscheulich und haben schädliche, manchmal tödliche Folgen für die Betroffenen. Sie sind nicht nur in das kapitalistische System selbst eingebunden und werden von diesem auf vielfältige Weise reproduziert, sondern sind auch wesentliche Instrumente der herrschenden Klasse, die eine Spaltung der Ausgebeuteten und Unterdrückten benötigt, um ihre Herrschaft aufrechtzuerhalten.
Kollektive Bewegungen gegen Unterdrückung erkämpfen nicht nur mehr Rechte, sondern bekämpfen auch Spaltungen, Vorurteile und rückständige Ideen innerhalb der Arbeiter*innenklasse, die der Solidarität schaden. Die Explosion der Black-Lives-Matter-Bewegung, die nach der Ermordung von George Floyd in den USA am 25. Mai 2020 weltweit in Form von Massenprotesten auf die Straße ging, ist ein Beispiel dafür. Es war das erste Mal, dass breit angelegte antirassistische Proteste hier [in Irland] von PoC (People of Color), insbesondere von Jugendlichen, angeführt wurden. Diejenigen, die ihre Stimme erhoben, machten auf das Ausmaß des Rassismus aufmerksam. Die Realität, "schwarz und irisch" zu sein, und die Veranschaulichung des tiefen Schmerzes und der Entfremdung, die diejenigen empfinden, die jeden Tag gefragt werden: "Woher kommst du? Nein, woher kommst du wirklich?", wurde aufgrund der weit verbreiteten rassistischen Vorurteile in einer Weise in die öffentliche Diskussion eingebracht, wie es niemals möglich gewesen wäre, wenn sie nicht in erster Linie von denjenigen geführt worden wäre, die die Unterdrückung selbst erleben. Sie hatte eine tiefgreifende Wirkung und hat das Bewusstsein vieler Arbeiter*innen und junger Menschen dafür geschärft, sich stärker gegen Rassismus zu engagieren. In den USA brachte die BLM-Revolte im Juni 2020 nachweislich einen Sprung nach vorn in der öffentlichen Meinung - in den zwei Wochen der Proteste nach der Ermordung von George Floyd stieg die Unterstützung für die Bewegung landesweit um 17%.
In Polen zeigten Umfragen während der “Schwarzen Proteste” für Abtreibungsrechte im Jahr 2016, dass die Unterstützung für die Abtreibung im Kontext dieses Kampfes zugenommen hatte und in den folgenden Jahren trotz neuer verheerender Angriffe von rechts weiter zunahm. Eine unterdrückte Gruppe, die sich als Akteurin im Kampf erhebt, ihre Rechte einfordert und oft mit Zähnen und Klauen gegen dieselben kapitalistischen Regierungen kämpft, die den Lebensstandard und die Rechte der Arbeiter*innenklasse im Allgemeinen angreifen, hat natürlich tiefgreifende Auswirkungen auf alle Ausgebeuteten und Unterdrückten, auch auf diejenigen, die diese Unterdrückung nicht direkt erleben.
Eine unterdrückte Gruppe, die im Kampf aktiv wird, kann manchmal mehr Rechte erringen, auch wenn dies keine größere Solidarität auslöst. Wenn eine unterdrückte Gruppe aktiv ihren Kampf vorantreibt, ruft dies in der Regel die Solidarität anderer Schichten auf den Plan - das haben die Wellen der Feminismus- und LGBTQIA+ - Rechte in den 2010er Jahren auf vielfältige Weise bewiesen; von den Bewegungen in Irland, die in Volksabstimmungen die Ehe für alle und Abtreibungsrechte durchsetzten, über die “Grüne Welle” für Abtreibungsrechte in Argentinien, die die aktive Unterstützung der Arbeiter*innenklasse aller Geschlechter hervorrief, bis hin zur Bewegung gegen Femizide, bei der 2021 die Arbeiter*innen in einer überwiegend männlich dominierten Autofabrik gegen Femizide im spanischen Staat auf die Straße gingen. Eine solche Solidarität vertieft und stärkt den Kampf.
Und um die Unterdrückung an der Wurzel zu packen, ist diese Solidarität nicht nur nützlich, sondern unerlässlich. "Sowohl die Frauen als auch die unmittelbaren Produzent*innen müssen verstehen, dass ihre Emanzipation aus ihnen selbst kommen wird", sagt Eleanor Marx. Die Arbeiter*innenklasse, vereint, politisch bewusst und sozialistisch organisiert, hat die besondere Macht, das Privateigentum am Reichtum im Herzen des Kapitalismus zu entwurzeln - diese Macht zu kanalisieren und sie mit jeder einzelnen Revolte an den vielfältigen Bruchlinien des Systems zu verflechten. Das ist die einzige Möglichkeit, das System, das die Unterdrückung aufrechterhält, ernsthaft und erfolgreich herauszufordern.
d. “Immer bewusst, immer kämpferisch”
In einem ernsthaften kämpferischen marxistischen Ansatz gibt es keinen Platz für Determinismus oder Fatalismus. Sein ganzes Wesen hängt davon ab, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten ihr Schicksal in einem bewussten Kampf selbst in die Hand nehmen. Dieser bewusste Kampf beinhaltet, dass diejenigen, die als Marxist*innen organisiert sind, immer nach Wegen suchen, wie jede unterdrückte oder ausgebeutete Gruppe im Kampf vorwärts kommen kann; dass sie diesen Kampf unterstützen, wo immer es möglich ist, um Siege zu erringen; dass sie die aktive Solidarität anderer ausgebeuteter und unterdrückter Gruppen mit diesem Kampf vertiefen, um seine Reichweite zu vergrößern und gleichzeitig das Klassenbewusstsein zu erhöhen; und dass sie immer versuchen, den Luftzug, den jeder kollektive Kampf für die in ihm Aktiven erzeugt, mit einer Zunahme derer zu füllen, die bewusst und als Teil der revolutionären sozialistischen Bewegung organisiert sind.
Der Ansatz "immer bewusst, immer kämpferisch" bezieht sich nicht nur auf die Frage, im Kampf voranzuschreiten, wo immer es möglich ist; er bezieht sich auch auf einen bewussten Kampf innerhalb der breiten Arbeiter*innenbewegung und innerhalb unserer eigenen politischen Organisationen der sozialistischen Linken, um das Bewusstsein zu schärfen und jede Spur von Vorurteilen zu bekämpfen, die Gift für die Solidarität sind. In der Tat ist dies etwas, dem wir zu diesem historischen Zeitpunkt besondere Aufmerksamkeit schenken müssen - wenn die feministische und queere Welle, die von den 2010er Jahren bis in die 2020er Jahre hinein wuchs, mit einem solchen rechten Gegenschlag konfrontiert wird. Die Angriffe auf die Errungenschaften von #metoo, Angriffe auf Transpersonen - sie alle müssen mit einer robusten Gegenreaktion beantwortet werden, auch innerhalb der Gewerkschaftsbewegung und aller linken Bewegungen.
Dieser Kampf innerhalb der Arbeiter*innenbewegung war etwas, worüber Lenin 1920 in einem Gespräch mit Clara Zetkin sprach:
“Leider heißt es noch bei vielen unserer Genossen: „Kratzt den Kommunisten, und der Philister erscheint.“ Natürlich muss man an der empfindlichen Stelle kratzen, an seiner Mentalität in puncto Frau. [..] Unsere kommunistische Arbeit unter den Frauenmassen, unsere politische Arbeit schließt ein großes Stück Erziehungsarbeit unter den Männern in sich ein. Wir müssen den alten Herrenstandpunkt bis zur letzten, feinsten Wurzel ausrotten. In der Partei und bei den Massen. Es gehört das zu unserer politischen Aufgabe, ebenso wie die dringend nötige Herausbildung eines Stabes von Genossinnen und Genossen, die, in Theorie und Praxis gründlich geschult, die Parteitätigkeit unter den werktätigen Frauen durchführen und leisten.”
Bereits 1902 machte Lenin in der bahnbrechenden Schrift "Was tun?" deutlich, was Klassenbewusstsein im Unterschied zu “trade-unionistischem Bewusstsein" wirklich bedeutet. Bei der Stärkung des Klassenbewusstseins plädiert Lenin dafür, dass sozialistische Arbeiter*innen "Volkstribunen" sein sollten, die sich gegen alle vom System verübten Ungerechtigkeiten aussprechen - unabhängig davon, welche Klasse davon betroffen ist -, um wirklich gegen das System zu agitieren und die Handlungsfähigkeit, das Bewusstsein und die Macht der Arbeiter*innenklasse aufzubauen.
Das sozialistische Projekt ist kein enges Projekt. Daraus folgt, dass jede verengte Sichtweise dessen, was das Bewusstsein und den Kampf der Arbeiter*innenklasse ausmacht - zum Beispiel eine Sichtweise, die diese entweder ausschließlich oder hauptsächlich auf Fragen der Löhne und Bedingungen auf betrieblicher Ebene beschränkt, oder irgendeine andere Version eines ökonomistischen Ansatzes - niemals ausreichen kann. Eine soziale Revolution ist der ultimative Akt menschlicher Kreativität, voller Versprechen, Potenzial und Hoffnung. Wie könnte eine marxistische Organisation, die etwas auf sich hält, vor diesem Hintergrund Fragen der Unterdrückung ausklammern? Wie könnte sie nicht versuchen, Teile der Arbeiter*innenklasse von den Vorurteilen und unterdrückerischen Praktiken zu befreien, die sie durch die vorherrschende kapitalistische Kultur, durch die sie konditioniert wurden, übernommen haben, wenn diese Organisation auf einen Bruch mit dem gesamten System hinarbeitet, der objektiv notwendig ist?
Jede zögerliche Herangehensweise an Fragen von Unterdrückung würde in eklatantem Widerspruch zu der Art von Veränderung stehen, die notwendig ist und würde in der Tat einen Mangel an Perspektive verraten. Ebenso wenig reicht ein Zick-Zack-Kurs im Engagement für den Kampf gegen Unterdrückung aus. Das ist keine abstrakte Frage. Noch ein Blick auf "Frau, Leben, Freiheit" im Iran an: eine revolutionäre Bewegung, die durch einen Akt patriarchaler Staatsgewalt im September 2022 ausgelöst wurde, die in jeder Hinsicht von der Forderung nach der Freiheit von Frauen und queeren Menschen durchdrungen ist und die gesamte Arbeiter*innenklasse sowie das politische und soziale Leben erfasst. Sie ist ein lebendiges, atmendes, aktuelles Beispiel für die Bedeutung von Fragen der Unterdrückung bei der Gewinnung von Kämpfer*innen für ein Programm für sozialistische Veränderungen.
Der Ansatz "immer bewusst, immer kämpferisch" zeigte sich in der Praxis der Marxistinnen in der historischen Bewegung, die diesen Kampf in jeder Hinsicht verkörperten, einschließlich der Schaffung internationaler Strukturen und Konferenzen, um einen proletarischen Feminismus als wesentlichen Bestandteil der breiteren Arbeiter*innenbewegung zu organisieren und zu fördern. Die Erste Internationale Konferenz sozialistischer Frauen fand bereits 1907 statt, gemeinsam mit einer Konferenz der Sozialistischen Internationale, und begründete eine internationale Bewegung sozialistischer Frauen. Aus der Konferenz von 1910 ging der Vorschlag hervor, den Internationalen Frauentag (heute 8.März) einzuführen. Diese Aktivitäten für marxistische Frauen wurden von vielen ihrer konservativen männlichen Genossen oft mit Passivität, Gleichgültigkeit und manchmal mit Feindseligkeit beantwortet. Eine auf der Frauenkonferenz von 1907 verabschiedete Resolution griff dies ausdrücklich auf und stellte fest, dass
"Im Großen und Ganzen wurden die Beschlüsse der [Zweiten] Internationale in Bezug auf die Interessen und Rechte der Frauen nur in dem Maße umgesetzt, wie die organisierten sozialistischen Frauen die proletarischen Organisationen in jedem Land dazu zwingen konnten." (2)
Hier sehen wir, wie das selbstbefreiende Element eines marxistischen Ansatzes zur Bekämpfung von Unterdrückung mit dem Aspekt "immer bewusst, immer kämpferisch" verwoben ist. Es ist erwähnenswert, dass viele der marxistischen Frauen, die diesen Kampf aufnahmen, auch wichtige Fürsprecherinnen für die Beibehaltung einer revolutionären, antiimperialistischen Haltung waren, da der zunehmend reformistische Kurs so vieler führender Köpfe der Zweiten Internationale sie in brutalen Verrat abgleiten ließ, einschließlich des Versagens, sich dem Imperialismus des Ersten Weltkriegs entgegenzustellen.
Probleme mit einem liberalen Ansatz im Kampf gegen Unterdrückung
Ein liberaler Feminismus oder Antirassismus ist durch einen Ansatz definiert, der innerhalb der Parameter des kapitalistischen Systems funktioniert. Jeder liberale Ansatz zur Bekämpfung von Unterdrückung ist nicht in der Lage, diese Unterdrückung zu beenden, und neigt dabei oft dazu, sich mit dem unterdrückerischen Status quo in einer Weise zu arrangieren und Kompromisse zu schließen, die die Forderungen und Bedürfnisse der unterdrückten Gruppen im Kampf untergraben können. Sie verkennt die Bedeutung der kapitalistischen Klassenspaltung - entweder unter dem Gesichtspunkt der vielfältigen Hindernisse, mit denen sich Angehörige unterdrückter Identitäten, die der Arbeiter*innenklasse angehören, konfrontiert sehen, oder unter dem Gesichtspunkt der Anerkennung der Macht des vereinten Kampfes der Arbeiter*innenklasse, um gegen die kapitalistische Klasse und das kapitalistische System zurückzuschlagen. Ein liberales Bekenntnis zur persönlichen Freiheit ist oft durch eine individualistische Sichtweise definiert, die die Wurzeln der Unterdrückung im Kapitalismus und in der Klassengesellschaft nicht kennt oder bekämpft. Ein liberaler Ansatz neigt auch dazu, den kollektiven Kampf von unten zu vernachlässigen, mit dem Unterdrückung am wirksamsten bekämpft werden kann.
Clara Zetkin prangerte die "bürgerlichen Frauenrechtlerinnen" an - die Frauen der Elite, die in keiner Weise mit den Männern ihrer Klasse und dem System der Klassenherrschaft brachen. Sie war besonders scharf in ihren Argumenten, wenn die Agenda dieser Frauen mit den Interessen der Frauen aus der Arbeiter*innenklasse und armen Frauen kollidierten. Ein Beispiel dafür, wie sie mit den bürgerlichen Feministinnen und übrigens auch mit der zunehmend konservativen und reformistischen SPD-Führung aneinander geriet, war, als Zetkin sich weigerte, eine Petition mitzuzeichnen, die kleinlaut eine Ausweitung der demokratischen Versammlungsrechte für Frauen forderte, und zwar in einer Weise, die die Forderungen der gesamten Arbeiter*innen- und sozialistischen Bewegung nach umfassenderen Veränderungen in dieser Hinsicht ignorierte. Sie verglich deren zahmen, vor Kleinmütigkeit triefenden Appell mit der Denkweise bürgerlicher Feministinnen, die in ähnlicher Weise von ihrer elitären Blase konditioniert sind und ein Jahr zuvor eine abscheuliche Petition veröffentlicht hatten, in der sie für die Kriminalisierung von Sexarbeiterinnen eintraten.
Es ist offensichtlich, dass es innerhalb der feministischen und antirassistischen Bewegung Klassenunterschiede gibt. Zu den offenkundig klassenfeindlichsten Ansätzen gehören ein offen pro-kapitalistischer Feminismus oder pro-kapitalistischer Antirassismus, die eine (meist begrenzte) größere Vielfalt in den Chef*innenetagen riesiger Unternehmen begrüßen, die in ihren Betrieben Unterdrückung, Ausbeutung und Umweltkatastrophen aufrechterhalten; oder die diversere Vertretung in kapitalistischen Regierungen, die die Lebensgrundlagen der Arbeiter*innenklasse angreifen oder "feministische" Argumente zur Rechtfertigung des Imperialismus verwenden.
Zu dieser Liste können wir einen bürgerlichen, transfeindlichen "Feminismus" hinzufügen. Der "TERF-ismus" von J.K. Rowling und anderen - selbst eine superreiche Milliardärin - zielt zunehmend auf die Stärkung rückschrittlicher Geschlechterbinarität ab, was für das kapitalistische System sehr wichtig ist, da es sich immer mehr mit rechtsextremen Kräften verbündet, die die feministische und LGBTQIA+-Welle niederschlagen wollen und rassistische Hetze verbreiten. All diese Ansätze ähneln Versuchen von Vertreter*innen des Status Que, die Sprache oder Aspekte, die von Bewegungen gegen Unterdrückung aufgeworfen werden, zu übernehmen. Auf diese Weise sind sie ein klassenbewusster Versuch der herrschenden Klasseninteressen, Bewegungen zu lähmen oder zu unterdrücken.
In den aktiven Bewegungen gegen Unterdrückung gibt es jedoch auch, wenn auch mit vielen Widersprüchen, zwangsläufig liberale Ansätze zur Bekämpfung von Unterdrückung, auch unter vielen Aktivist*innen und Organisationen, die auch positive Eigenschaften haben können, die sogar von Zeit zu Zeit antikapitalistische Äußerungen machen können. Hier sind einige dieser Ansätze in Kurzform:
-> Die Ansicht, dass diejenigen, die die Unterdrückung nicht selbst erleben, nicht nur von der Unterdrückung profitieren, sondern auch ein Interesse daran haben, sie aufrechtzuerhalten. Es ist zwar offensichtlich wahr, dass nur diejenigen, die eine bestimmte Form der Unterdrückung erleben, verstehen können, wie sie sich anfühlt, aber jede implizite oder explizite Vorstellung, die von den relativen Vorteilen ausgeht, die ein Teil der Arbeiter*innenklasse gegenüber einem anderen Teil haben könnte, und die davon ausgeht, dass diese ein ureigenes Interesse an der Aufrechterhaltung dieser Unterdrückung hätten, ist heimtückisch. Natürlich gibt es Vorteile, einige materieller Art, andere in Bezug auf den sozialen Status und die Selbstwahrnehmung, die Männern, Weißen und Cis-Personen aus der Unterdrückung erwachsen. Sie ändern jedoch nichts an dem übergeordneten Interesse von Menschen aus der Arbeiter*innenklasse, die diesen Gruppen angehören, sich gegen die Unterdrückung zu wehren, weil diese sie in ein System einbindet, das sie ebenfalls ausbeutet. Darüber hinaus ist jede Vorstellung, dass es in Teilen der Arbeiter*innenklasse ein Eigeninteresse an der Aufrechterhaltung des Status Quo gibt, mit Illusionen in den Kapitalismus behaftet - ein System, das sich im Zerfall befindet und immer weiter in die ökologische Katastrophe stürzt, unfähig, die Bedürfnisse der großen Mehrheit der Menschheit zu befriedigen. Die Wahrheit ist, dass es im dringenden Interesse der Arbeiter*innenklasse im weitesten Sinne liegt, sich zusammenzuschließen, um dieses System zu zerschlagen.
-> Darüber hinaus ist jeder Rest dieses liberalen identitätspolitischen Ansatzes schädlich für die objektiven Bedürfnisse von Bewegungen gegen Unterdrückung, die den Aufbau einer möglichst breiten Solidarität benötigen. Manchmal spiegelt sich dieser Ansatz in der Vorstellung wider, dass nur diejenigen, die direkt von einer bestimmten Unterdrückung betroffen sind, darüber sprechen sollten. Natürlich sollten diejenigen, die die Verwüstungen derselben erfahren, die zentralen Stimmen in jeder Bewegung sein, wenn es um ihre Themen geht, aber tatsächlich müssen wir dringend die Solidarität vertiefen, den Kampf ausweiten - und diejenigen in der Arbeiter*innenbewegung, die beispielsweise homosexuell sind sind, auffordern, sich lautstark zur Unterstützung ihrer Trans-Geschwister zu äußern, oder dass homosexuelle Männer sich gegen toxische Männlichkeit aussprechen. Ja, das ist absolut notwendig, und es sollte in unseren Kämpfen gefördert werden. Eine Auswirkung dieses liberalen identitätspolitischen Ansatzes in der Praxis kann sein, dass Männer der Arbeiter*innenklasse sich nicht wirklich mit der Unterdrückung von Frauen usw. befassen müssen - sie gliedern Kämpfe gegen Unterdrückung aus, anstatt sie zu zentralen Anliegen der gesamten Arbeiter*innenbewegung zu machen.
-> Damit verbunden ist ein Pessimismus in Bezug auf das Potenzial der Klassensolidarität. Manchmal konzentriert sich diese begrenzte Veränderung auf das lobenswerte Bestreben, rückständige und unterdrückerische Haltungen zu ändern, aber dieses Bestreben ist zum Scheitern verurteilt, wenn es nicht mit einem dynamischen Versuch verbunden ist, aktive Kämpfe und Bewegungen aufzubauen, die bewusst auf das System ausgerichtet sind. Und wenn es nicht mit einem umfassenden Programm und einer Perspektive zum Angriff auf das Privateigentum an Reichtum - die strukturellen Wurzeln von Unterdrückung und Ausbeutung - verzahnt ist. In anderen Fällen kann dieser Ansatz dazu führen, dass verschiedene Kämpfe voneinander abgeschottet werden, was dann oft in eine sehr liberale und auf Repräsentation basierende Politik zurückfällt.
-> Eine identitätsbasierte statt einer marxistischen Sicht auf die Frage von “Klasse”: Manche betrachten die Zugehörigkeit zur Arbeiter*innenklasse als eine Identität, eine unter vielen anderen im Kapitalismus. Selbst diejenigen, die sich als Arbeiter*innenklasse identifizieren, können dies mit Stolz tun und eine bestimmte Kultur und Tradition annehmen, aber sie sehen die Arbeiter*innenklasse vielleicht nicht so, wie Marxist*innen es tun - als die Schöpfer*innen des Reichtums, der sich im Besitz der Kapitalist*innenklasse befindet. Infolgedessen wird die potenzielle befreiende Kraft einer geeinten, kämpfenden Arbeiter*innenklasse in ihrer ganzen Vielfalt, die mit allen Armen und Unterdrückten der Welt verbündet ist, untergraben.
-> Manchmal bewegen sich Gruppen und Aktivist*innen innerhalb der Bewegungen auf einer ultralinken/liberalen Achse, wobei sie Elemente eines liberalen identitätspolitischen Ansatzes beibehalten, aber auf widersprüchliche Weise neben radikaleren Ideen koexistieren. Damit meinen wir Positionen wie z.B., dass der Kapitalismus und unterdrückerische staatliche Institutionen wie Gefängnisse abgeschafft werden sollten - wichtige Ideen! - aber ohne eine klare Strategie, ein Programm und eine Perspektive, die in der Klassenpolitik verwurzelt sind, verfallen sie oft wieder in einen liberalen Ansatz. Viele derjenigen, die sich als “Abolitionist*innen” bezeichnen, sind ein typisches Beispiel für diesen Ansatz: Einerseits wird die Forderung nach Abschaffung der Gefängnisse in einer unverblümten Art und Weise vorgetragen, die den Anschein erweckt, als würde man diese Einrichtungen einfach über Nacht abschaffen können. Damit verschrecken wir unnötigerweise viele Menschen, die sich vielleicht Sorgen darüber machen, was das bedeuten würde. Doch immer wenn es um die Details geht, ist das, was tatsächlich vorgeschlagen wird, reformistisch und liberal - nämlich beispielsweise die schrittweise Übergabe einiger Polizeifunktionen an Sozialarbeiter*innen, ein Ansatz, der von der Illusion durchdrungen ist, dass das kapitalistische System und sein Staat freiwillig auf seine eigenen Repressionsapparate verzichten könnten.
Eines der Merkmale der anhaltenden feministischen Welle, die in den 2010er Jahren begann, ist, dass von den kämpferischsten, jugendlichen und aus der Arbeiter*innenklasse stammenden Elementen der Bewegung Impulse zur Überwindung liberaler identitätspolitischer Ansätze ausgingen. Dazu gehört die Erkenntnis, dass das gesamte System die geschlechtsspezifische Gewalt aufrechterhält, z. B. die Hymne "Der Vergewaltiger bist du", die in Chile entstand und sich direkt gegen die staatlichen Institutionen richtete - und der Versuch, einschränkende, kontraproduktive Ansätze wie "reine Frauenstreiks" oder Demonstrationen anzugreifen.
Manchmal wurde dies als die Forderung nach einer "intersektionalen" Bewegung formuliert. In Mexiko tun die jungen Menschen in der Ni Una Menos-Bewegung, die ihre Intersektionalität betonen, dies, um den Anti-Trans-”Feministinnen”, die in der Bewegung immer noch stark vertreten sind, einen trotzigen und wichtigen Gegenschlag zu geben. Die Forderung nach Intersektionalität, die von der Basis der Bewegungen kommt, ist oft auch ein Zeichen für die Ablehnung einer liberalen Identitätspolitik, die grob gesagt verschiedene unterdrückte und ausgebeutete Völker voneinander trennt und bestenfalls die Klassenspaltung außer Acht lässt.
Von Sojourner Truth, die 1851 ausrief "Ain't I A Woman?", über Claudia Jones, die 1949 über die "Superausbeutung" schwarzer, armer Frauen aus der Arbeiter*innenklasse schrieb, bis hin zum Combahee River Collective, das 1977 über die Notwendigkeit eines Ansatzes schrieb, der Klasse, Geschlecht, Sexualität und “Race” berücksichtigt: Schwarze Radikale und Feministinnen haben schon vor der Prägung des Begriffs "Intersektionalität" einen wichtigen Beitrag geleistet, um sicherzustellen, dass die Überschneidung von Rassismus und Geschlecht in der feministischen, antirassistischen und Arbeiter*innenbewegung berücksichtigt wird.
Das Konzept der Intersektionalität, nämlich dass sich verschiedene Unterdrückungen überschneiden und die Art und Weise, wie Unterdrückung erlebt wird, verändern, ist unbestreitbar. Die verstärkte und vielschichtige Unterdrückung, der Frauen of Color, vor allem aus der Arbeiter*innenklasse und aus armen Verhältnissen, ausgesetzt sind, ist ein deutliches Beispiel dafür. Es gibt unzählige herzzerreißende Beispiele dafür, aber wir können eines als Anhaltspunkt nehmen: die ungleichen Müttersterblichkeitsraten, denen Frauen of Color und ihre Babys ausgesetzt sind. In den USA, wo diese Zahlen seit Jahren gut dokumentiert sind, hat eine neue Studie die Kluft noch deutlicher gemacht. In einer groß angelegten Studie über Geburten in Kalifornien wurden massive Unterschiede in den Ergebnissen zwischen reichen und armen Patient*innen festgestellt. Allerdings war die Mütter- und Säuglingssterblichkeitsrate bei den einkommensstärksten schwarzen Frauen genauso hoch wie bei den einkommensschwachen weißen Frauen - was einen Einblick in die Tiefe des anti-schwarzen Rassismus gibt.
Mehr noch als die doppelte oder dreifache Unterdrückung findet das Konzept, dass verschiedene Unterdrückungen aufeinanderprallen und dabei etwas qualitativ anderes schaffen, bei denjenigen, die diese harte Realität erleben, großen Anklang, denn es klingt absolut wahr. Abgesehen davon ist Intersektionalität selbst jedoch begrenzt. Das Konzept an sich, das nicht notwendigerweise in einem bestimmten umfassenderen analytischen Rahmen oder einer Philosophie verwurzelt ist, ist äußerst formbar - und das ist problematisch. In der Realität kann es mit allen möglichen liberalen identitätspolitischen Ansätzen verbunden werden. Sie kann in einen postmodernen philosophischen Rahmen und in akademische Theorien eingebettet werden, die grundsätzlich mit einem Klassenstandpunkt kollidieren. Die Tatsache, dass sie so anpassungsfähig ist, macht sie offen für die Vereinnahmung durch die bürgerlichsten aller Kräfte. Kamala Harris, die als Staatsanwältin in San Francisco für ihre "Law-and-Order"-Politik berühmt wurde und für die Unterdrückung Arbeiter*innen of Color verantwortlich war, wurde von der New York Times allein aufgrund ihrer Identität als von Natur aus intersektional gefeiert, was einen Einblick in die heimtückischen Abgründe gibt, zu denen dies führen kann.
Marta E. Gimènez hat geschrieben, dass "Intersektionalität, die nicht an eine bestimmte theoretische Grundlage gebunden ist, offen für Kooptation, Transformation und vielfältige Interpretationen ist und so zu einer 'gemeinsamen Grundlage für alle Feminismen' wird, trotz großer Unterschiede zwischen Feministinnen". Indem sie eine marxistische feministische Kritik der Intersektionalität vorbringt, stellt sie scharfsinnig fest, dass:
"Obwohl die Intersektionalität die grundlegende Bedeutung der Klasse leugnen mag, haben die Phänomene, die sie betreffen, Geschlecht, “Race”, ethnische und andere Formen der Unterdrückung und Ungleichheit, kapitalistische Ursachen und erfordern eine marxistische theoretische Analyse; die Ausklammerung der Beziehung zwischen Klasse, sozioökonomischer Ungleichheit und Geschlecht, “Race” und anderen Quellen der Diskriminierung und Unterdrückung enthebt den Kapitalismus von der Verantwortung..." (Gimenez, Martha E., Marx, Frauen und kapitalistische soziale Reproduktion)
Kurz gesagt, Intersektionalität sagt nichts über die Wurzeln der Unterdrückung selbst aus, noch darüber, wie man sie beenden kann. Das singuläre Konzept der sich überschneidenden Unterdrückungen muss in einer breiteren marxistischen Analyse, Perspektive und Programmatik verwurzelt sein, um die radikalen, solidarischen und befreienden Impulse jener Arbeiter*innen- und Jugendbewegungen zu verwirklichen, die ihre Intersektionalität als Mittel zum Ausdruck bringen, um wirklich alle Formen der Unterdrückung zu beenden.
Von Marx und Engels bis heute - Marxismus und Unterdrückung
"Die Arbeiter*innen des Nordens haben endlich sehr gut verstanden, dass die Arbeit in der “weißen Haut” sich nicht emanzipieren kann, wo sie in der “schwarzen Haut” gebrandmarkt ist." (Marx, über den amerikanischen Bürgerkrieg 3)
Marx' Beschreibung einer Sexarbeiterin in einem populären zeitgenössischen Roman, Les Mystères de Paris, ist aufschlussreich:
"[Fleur de Marie hat] Vitalität, Energie, Fröhlichkeit, Elastizität des Charakters - Qualitäten, die allein ihre menschliche Entwicklung in ihrer unmenschlichen Situation erklären... Sie erscheint nicht als wehrloses Lamm, das sich der überwältigenden Brutalität widerstandslos ergibt; sie ist ein Mädchen, das seine Rechte verteidigen und sich wehren kann." (Marx über Geschlecht und Familie 4)
Seine Bewunderung für Fleur de Marie - ihre Moral und ihr Kampfgeist - geht einher mit seiner Verurteilung der Armut, des Sexismus und des frauenfeindlichen religiösen Moralismus, von denen sie unterdrückt wird. Engels hat, wie wir wissen, einen bahnbrechenden Text über die Ursprünge der Geschlechterunterdrückung geschrieben. Sein Vermächtnis ist so groß, dass selbst neue Bücher, die im Jahr 2023 (4) zum Thema der Wurzeln des Patriarchats verfasst werden, immer noch sein Werk als wichtigen Bezugspunkt haben. Engels verortete die Ursprünge der Frauenunterdrückung parallel zu den Anfängen der Klassengesellschaften mit der Entwicklung der Landwirtschaft um 10.000 v. Chr. Engels behauptete, dass der "primitive Kommunismus" der frühen Jäger- und Sammlergesellschaften zeige, dass das Modell der patriarchalen Familie, einschließlich der monogamen Ehe (wobei die Betonung auf der Monogamie der Frau und der Kontrolle ihres Körpers und ihrer Sexualität lag), nicht der natürliche Weg der Dinge war, sondern ein gesellschaftlich auferlegtes Mittel zur Weitergabe von Privateigentum durch eine männliche Linie.
Während 99% der Geschichte lebte die Menschheit in einer Vielzahl von Verwandtschaftsbeziehungen, in Gesellschaften, die kaum oder gar nicht zwischen privaten und öffentlichen Bereichen unterschieden. Diese früheren Gesellschaftsformen waren keine Utopie, und oft mussten die Menschen täglich ums Überleben kämpfen. Den meisten von ihnen war jedoch gemeinsam, dass sie egalitär waren und auf der Umverteilung von Gütern basierten - nach individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen. Eine systematische Ausbeutung von Mitmenschen oder der Umwelt war unbekannt.
Archäologische, historische und anthropologische Forschungen seit Engels belegen, dass erst mit der Entwicklung von Siedlungen, insbesondere mit den frühen Agrargesellschaften, Institutionen wie der Staat und die heterosexuelle Kleinfamilie entstanden sind. Dies bestätigt die revolutionäre These von Engels, dass es die Unterdrückung der Frau nicht immer gegeben hat - 99 % der Menschheitsgeschichte waren nicht patriarchalisch. Daher ist die geschlechtsspezifische Unterdrückung nicht unabänderlich und kann durchaus beendet werden. Die "historische Niederlage des weiblichen Geschlechts", von der Engels schrieb, mag insofern umstritten sein, als es sich um einen komplexeren und langwierigeren Prozess handelte, als diese Formulierung und einige von Engels' Argumenten vermuten lassen, aber die zentrale These ist nach wie vor solide und wichtig.
Natürlich gibt es Lücken und Probleme, aber jede Behauptung, dass Marx und Engels selbst die Unterdrückung nicht ernst genommen haben, kann durch ihre eigenen Schriften eindeutig widerlegt werden. Entscheidend ist außerdem, dass eine historisch-materialistische Analyse und Herangehensweise natürlich eine Analyse beinhalten muss, die die Unterdrückung in jeder Hinsicht vollständig und dynamisch einbezieht. In der Tat ist dies eine gewisse Prüfung für Revolutionär*innen. Die Wahrheit ist, dass die reformistische Linke und diejenigen, die aus einer stalinistischen linken Tradition kommen, diesen Test am ehesten nicht bestehen. Ein plumper Ökonomismus ist oft ein Kennzeichen dieser Strömungen.
Die russische Oktoberrevolution von 1917, die von den Bolschewiki angeführt wurde - ein revolutionärer Prozess, der von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse und der armen Bevölkerung in Gang gesetzt wurde, die im Februar desselben Jahres auf die Straße gingen - hatte die Befreiung von Frauen und queeren Menschen als aktiven Bestandteil: Entkriminalisierung von Homosexualität, Abtreibung und Sexarbeiter*innen; allgemeines Wahlrecht; Scheidungsrechte; ein Projekt zur Einführung einer allgemeinen öffentlichen Kinderbetreuung, kollektiver Wäschereien und Küchen; feministische Arbeitsgesetze; und die bahnbrechende Arbeit der Zhenotdel - der von bolschewistischen Revolutionärinnen geleiteten Initiative, um die Bedingungen und den Aktivismus der Arbeiterinnen und armen Frauen innerhalb der Revolution weiter zu politisieren, zu stärken und zu fördern.
Es ist kein Zufall, dass Stalin Homosexualität und Abtreibung wieder unter Strafe stellte und diese Initiative abschaffte. So wie die Befreiung von Unterdrückung ein wesentlicher Bestandteil der Revolution der Arbeiter*innenklasse war, so war die Zerschlagung derselben für die stalinistische Konterrevolution von entscheidender Bedeutung.
Schlussfolgerung: Nichts Menschliches ist der Sache der Arbeiter*innenklasse fremd
In den 2010er Jahren entstand weltweit eine neue feministische und queere Bewegung, die Millionen von Menschen zum Kampf mobilisierte und wichtige Siege errang, darunter den Zugang zur Abtreibung in Irland, Argentinien, Südkorea und anderen Ländern, und die Forderungen nach Transrechten, einem Ende der geschlechtsspezifischen Gewalt und Femiziden erhob. Diese Entwicklung ging einher mit anderen wichtigen Kämpfen gegen Unterdrückung und Umweltzerstörung - der #BlackLivesMatter-Bewegung, die zu einigen der größten Mobilisierungen in der Geschichte der USA führte, und der internationalen Bewegung "Fridays for Future", bei der Millionen von Schüler*innen im September 2019 für Klimaschutzmaßnahmen streikten.
Von den politischen Entwicklungen in Südkorea, wo junge Männer gegen die "umgekehrte Diskriminierung" protestierten, als ein neuer Staatschef auf einem antifeministischen Wahlzettel sein Amt antrat, über die virale Frauenfeindlichkeit von Andrew Tate, bis hin zum backlash gegen #MeToo wie dem Johnny-Depp-Urteil und dem Tiefpunkt, dem Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA zur Aufhebung von Roe V. Wade waren die frühen 2020er Jahre von einer bösartigen antifeministischen und transfeindlichen Gegenreaktion geprägt, die darauf abzielte, Kämpfe gegen Unterdrückung und die Hoffnung, die sie mit sich brachten, zu zerschlagen. All dies ist mit einer wahnwitzigen Verschärfung von Transphobie und Rassismus verbunden, wobei die Politiker*innen des Establishments in ihrem lächerlichen, reaktionären und zunehmend repressiven "Krieg gegen den Wahnsinn" zunehmend die Argumente der extremen Rechten klauen.
Das kapitalistische System befindet sich inmitten einer vielschichtigen Krise, wie sie in dieser Tiefe und Komplexität noch nie dagewesen ist. Und die antifeministische und transfeindliche Gegenreaktion kommt direkt aus diesem System, das sich im Verfall befindet, mit einer herrschenden Klasse, die mehr denn je die Spaltung der Ausgebeuteten und Unterdrückten braucht.
Karl Marx' Lieblingsspruch war "Nihil humani a me alienum puto" - "Nichts Menschliches ist mir fremd". Jede einzelne Ungerechtigkeit und Grausamkeit des kapitalistischen Systems ist ein Anliegen der Arbeiter*innenbewegung, die mit der objektiven potenziellen Macht ausgestattet ist, die Wurzeln dieser Ungerechtigkeit zu beseitigen. Der Kapitalismus als System enthält eine Vielzahl von Widersprüchen, einschließlich einer Vielzahl von Wiederholungen von Unterdrückung und Umweltzerstörung, die in und durch die Klassenbasis des Systems verwoben sind. Wir haben bereits die große Eleanor Marx und ihren Beitrag zum Marxismus und zum sozialistischen Feminismus erwähnt. Ihr Lebensgefährte Edward Aveling, mit dem sie den zitierten Text gemeinsam verfasste, behandelte sie mit einer patriarchalen Verachtung, der Missbrauch führte zu ihrem frühen Tod im Alter von nur 42 Jahren. Ein tragisches Beispiel dafür, warum der Kampf der Arbeiter*innenklasse es sich nicht leisten kann, die Verheerungen der Unterdrückung zu ignorieren.
Gerade als die antifeministische Gegenreaktion so düster ausfiel, kam es im Iran zu Ereignissen, die symbolisch dafür standen, dass die feministische Welle seit den 2010er Jahren eine neue und höhere Ebene erreicht hatte. Die Bewegung "Frau, Leben, Freiheit!" hat im Iran einen revolutionären Feminismus hervorgebracht. Um diesen revolutionären Feminismus mit einem antikapitalistischen und sozialistischen Programm der Arbeiter*innenklasse zu verbinden, muss diese Gegenreaktion bekämpft werden. Die jugendlichen, hoffnungsvollen, lebensbejahenden, kreativen Massenbewegungen und Explosionen des Kampfes gegen die Verheerungen der Unterdrückung, die in den 2010er und 2020er Jahren Millionen von Ausgebeuteten und Unterdrückten auf allen Kontinenten auf die Straße brachten, waren inspirierend.
Die besten Traditionen des Marxismus weisen darauf hin, dass eine revolutionäre Bekämpfung des Systems nur durch eine revolutionäre Bewegung der Arbeiter*innenklasse möglich ist und Erfolg haben kann, und dass letztere ohne die Forderungen und Kämpfe der Unterdrückten, die untrennbar mit dieser Bewegung verbunden sind, unmöglich ist. Sie verleihen ihr besonderen Schwung, Dringlichkeit und Kraft.
Anmerkungen:
1. Zitiert in The Communist Women's Movement, 1920-1922, Proceedings, Resolutions and Reports (Ed. Taber, Mike, Dyakonova, Daria), 2023
2. Marx zitiert in Marx at the Margins, Anderson, Kevin B. (2016) S.114
3. Marx zitiert in Marx on Gender and the Family, Brown, Heather A. (2012), S.36
4. Siehe The Patriarchs: How Men Came to Rule, Saini, Angela (2023)