ABC des Marxismus: Faschismus

von Till Ruster

Die FPÖ setzt auf Rassismus, um, einmal an der Regierung, ihr sozialfeindliches Programm umzusetzen. Sie ist aus vielen Gründen radikaler und gefährlicher als andere Parteien in ihren Zielen und vor allem in ihren Methoden, aber noch im “Rahmen der Republik”. Das ist wichtig zu verstehen, um sie richtig zu bekämpfen.

Wie war das damals?

1933 in Deutschland und 1934 in Österreich wurde mit der Machtübernahme der Nazis und der Austrofaschisten der “Rahmen der Republik” gesprengt. Hintergrund dafür waren Revolutionen (1918/19), Wirtschaftskrisen, eine stark organisierte Arbeiter*innenbewegung und eskalierende Klassenkämpfe. Die bürgerlichen Republiken erfüllten aus Sicht vieler Kapitalist*innen nicht mehr ihren Zweck: ihre Herrschaft zu organisieren und zu sichern. Das heißt nicht, dass damals sozialistische Revolutionen vor der Tür standen. Die Kapitalist*innen konnten sich im Rahmen der bürgerlichen Demokratie einfach nicht mehr gegen das Proletariat durchsetzen und sich immer weniger auf die “richtige” Politik in ihrem gemeinsamen Interesse verständigen. Die Organisationen der Arbeiter*innenklasse mussten mit Gewalt zerschlagen werden, um die in die Krise geratene Herrschaft des Kapitals zu sichern. Aber die Gewalt, die dafür notwendig war, sprengte eben den “Rahmen der Republik”.

In einer Demokratie können auch die unterschiedlichen Interessen verschiedener Kapitalfraktionen ausgetragen und versöhnt werden. Aber um die Herrschaft des Kapitals als Ganzes zu sichern, waren viele bereit, ihre Interessen zurückzustellen und sich hinter der stärksten Fraktion zu versammeln (in Deutschland z.B. die Schwerindustrie und das Bankenwesen).

In dieser historischen Situation schlug die Stunde der faschistischen Parteien. Diese gewannen ihre Massenbasis mit einer Mobilisierung vor allem unter dem Kleinbürger*innentum, also jenen Schichten von z.B. Handwerksbetrieben, die vom Kapitalismus zerrieben wurden, aber ihr betriebliches Eigentum auch von der Arbeiter*innenbewegung bedroht sahen. Faschistischer “Antikapitalismus” setzt auf ein “Zurück in die Vergangenheit”, als die Industrialisierung noch nicht die alten Bande der Gesellschaft zerstört hatte. Das war weder realistisch, noch war es die Praxis des Faschismus an der Macht, der letztlich eine besonders aggressive Art von Kapitalismus war. Der “nationale Sozialismus” leugnet den Klassenwiderspruch im Kapitalismus - und muss deswegen seine Konsequenzen (Armut, Krisen, Arbeitslosigkeit usw.) auf einen äußeren Feind projizieren. Das ist die Rolle von Verschwörungsideologien wie dem Antisemitismus. Diese Ideologie wurde attraktiv für Hunderttausende, vor allem in dem Maße, in dem die Führung der Arbeiter*innenbewegung dabei versagte, einen revolutionären Ausweg aus der kapitalistischen Krise aufzuzeigen.

Gewalt gegen die Organisationen der Arbeiter*innenklasse und gegen politische Gegner*innen ist ein zentrales Element des Faschismus, auch wenn er nicht an der Macht ist. Das machte den Faschismus so attraktiv für das Kapital, ebenso wie sein Wille zur kriegerischen Expansion. Die kleinbürgerliche Massenbasis verleiht dem Faschismus an der Macht einerseits mehr Stabilität als andere Formen der Diktatur. Andererseits muss er sie permanent gegen innere und äußere Feinde aufhetzen, um den Wahn von der "Volksgemeinschaft" aufrechtzuerhalten. Dies verleiht ihm eine Instabilität, die sich in den faschistischen Gewaltorgien ausdrückt. Bei diesen macht das Kapital zwar ebenfalls enorme Profite (wie die IG Farben in Auschwitz), aber es wird auf den Beifahrersitz des blutrünstigen Himmelfahrtskommandos verwiesen.

Wie ist das heute?

Faschistische Gewalt ist heute weiterhin extrem gefährlich. Die Situation für die Herrschenden ist aber längst nicht so krisenhaft, wie sie es in den 1920ern war. Dennoch: Die bürgerliche Demokratie ist heute wohl überall instabiler als sie noch vor 20 Jahren war. Deswegen setzen auch westliche Demokratien wieder stärker auf Repression, wie z.B. Macron gegen die Pensions-Proteste. Die Erfahrung des Faschismus und des Zweiten Weltkriegs hat das Kapital aber vorsichtig gemacht, die Vorzüge der bürgerlichen Demokratie gegen die Instabilität einer solch brutalen Diktatur zu tauschen. In der aktuellen Krise versucht das Kapital, seine Herrschaft auf andere Arten zu stabilisieren. Vorerst.

 

 

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