Faire Löhne?

Der ÖGB argumentiert in KV-Verhandlungen, dass „faire Löhne“ notwendig sind. Doch was bedeuten „faire Löhne“ im Kapitalismus und sind diese angesichts der Wirtschaftskrise überhaupt möglich? Ein Pro & Contra zwischen Manuela Auer, Landesgeschäftsführerin


Chancen in der Krise nutzen!

Vorweg: Ich würde gerne die Frage, ob faire Löhne angesichts der Wirtschaftskrise im Kapitalismus möglich sind, mit einer Gegenfrage beantworten: Bietet nicht gerade auch die globale Banken- und Spekulationskrise die Chance, zentrale Forderungen der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung wieder verstärkt inhaltlich zu diskutieren und durchzusetzen?

Ich denke da besonders an Fragen der Umverteilung und Solidarität. Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke, dann haben wir hier Fortschritte erzielt. Beispiele:

  • Jahrelang haben wir gegen das Spekulantentum eine Finanztransaktionssteuer gefordert. Keine Chance. Nun kommt sie – 11 EU-Länder machen einen Anfang.
  • Vermögens/Reichensteuern und Umverteilung waren ein Tabu. Jetzt wird dieses Thema intensiv diskutiert. „Wer reich ist, soll zahlen“ - dafür findet sich in
    der Krise eine deutliche Mehrheit von 70 bis 80 Prozent der ÖsterreicherInnen!
  • Gleiches gilt für die komplett aus dem Ruder gelaufenen Millionen-Gehälter und –Boni der Manager. Vorher kein Thema, sind sie jetzt Gegenstand öffentlicher Debatten und Forderungen zur Begrenzung.

Die Versuche, die es gab und gibt, die Krise für ein Lohndumping und den Abbau von sozialen Errungenschaften in der Arbeitswelt zu nutzen, haben das Gegenteil bewirkt: ungerecht verteilter Wohlstand, die Steuerflucht und die Gehaltsexzesse der Konzernchefs sind zum Thema geworden.

Die daraus resultierende Forderung ist eindeutig und klar: Umverteilung! Die Reichen (steuerlich) mehr belasten und die Arbeit entlasten – das ist angesichts der
enormen Belastung des Faktors Arbeit auch dringend notwendig. Für faire Löhne müssen die kalte Progression abgestellt und die (Eingangs-)Steuersätze deutlich abgesenkt werden. Darüber hinaus brauchen wir auch eine Wertschöpfungsabgabe, wie sie bereits 1983 der damalige Sozialminister Alfred Dallinger als „Maschinensteuer“ gefordert hat.

In diesem Sinne sind faire Löhne, von denen die Menschen tatsächlich auch leben und ihre Zukunft planen und gestalten können, sicherlich noch nicht erreicht. Das wird, wie die in den letzten Jahren härter gewordenen KV-Verhandlungen deutlich zeigen, auch nicht leicht. Im Gegenteil: Wir müssen in Zukunft dafür ausdauernd und vor allem härter kämpfen.

Zur Person:

Manuela Auer, AK-Vizepräsidentin in Vorarlberg (FSG), Landesgeschäftsführerin ÖGB Vorarlberg, Initiatorin der Online-Petition „Stopp die Abzockerei!“ (http://www.stoppt-die-abzockerei.at/)


Fairness im Kapitalismus?

Vermögen ist in Österreich fast unbesteuert. Die Lohnsteuereinnahmen sind 1992-2011 um 110 % gestiegen, Einnahmen aus Unternehmenssteuern nur um 58 %. Hinzu kommen Massen- und Konsumsteuern, die NiedriglohnbezieherInnen extrem belasten, Unternehmen und Reiche extrem begünstigen und damit für eine faktische Umverteilung von unten nach oben sorgen. ArbeiterInnen sind in jeder Hinsicht stärker belastet als Vermögende und Unternehmen. Das gehört umgedreht!

Vermögens- und Finanztransaktionssteuern sind gut, aber zu wenig, wenn gleichzeitig Lohnabschlüsse zu Reallohnverlusten führen und mit prekären Beschäftigungsverhältnissen, Leiharbeit und Rassismus Lohndumping ermöglicht wird. Deshalb ist es gut, wenn GewerkschafterInnen klare Worte dazu finden. Das gestiegene Bewusstsein für schreiende Einkommensungerechtigkeit muss aber genutzt und in organisierten Kampfmaßnahmen materialisiert werden.
Forderungen nach Umverteilung müssen mit Strategien für ihre Durchsetzung befüllt werden, um nicht zu verhallen. Unternehmen werden keine höheren Löhne zahlen, weil wir sie bitten, fair zu sein. PolitikerInnen, die sich gutbezahlte Jobs in Konzernen für die Zeit nach ihrer politischen Karriere sichern wollen, werden keine Gesetze verabschieden, die ManagerInnengehälter und Boni begrenzen.

In Kampagnen und Forderungen von Gewerkschaften wird oft mit Wirtschaftswachstum und Kaufkraft argumentiert. Das zieht nicht, weil zwar in Summe höhere Löhne die Kaufkraft stärken, jedes einzelne Unternehmen aber wettbewerbsfähig bleiben und Kosten reduzieren will bzw. muss. Die einzelnen Unternehmen müssen v.a. in der Krise die Ausbeutungsrate erhöhen. Aus kapitalistischer Sicht ist das vernünftig und nicht "unfair". Auch haben Zugeständnisse in Zeiten eines Aufschwungs nichts mit Fairness zu tun. So funktioniert Kapitalismus. Höhere Löhne und ein Schließen der weit offenen Einkommensschere müssen  erkämpft werden. Der Ruf nach Fairness allein bleibt ein Verzweiflungsakt. Wirklich fair können Löhne letztlich im Kapitalismus nicht werden, weil diejenigen, die den Profit erarbeiten, immer nur einen (in der Höhe schwankenden) Teil der von ihnen geschaffenen Werte bekommen.

Umso wichtiger und besser ist es, wenn GewerkschafterInnen für höhere Löhne und Umverteilung eintreten. Um das zu erreichen, führt aber kein Weg an Organisierung in Betrieben, Einbeziehung aller ArbeiterInnen und auch Erwerbsloser und vor allem an gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen wie Streiks vorbei.

Helga Schröder, Mitglied des SLP-Bundesvorstandes

Erscheint in Zeitungsausgabe: