Echte Solidarität kommt von unten

Stefan Brandl

Bei Corona und Klimawandel haben die Herrschenden bewiesen, dass das System keine Lösungen hat. Heizen, Verkehr, Wohnen, Lebensmittel und alle anderen täglichen Bedarfe werden massiv teurer. Auch in Russland und der Ukraine sind Millionen von Menschen von Inflation und sozialer Krise betroffen. Auf allen Seiten wird der Krieg als Argument verwendet, um Arbeitsrechte und Lebensbedingungen anzugreifen. Nun wollen die Herrschenden überall, dass wir hier unten die Füße stillhalten und Verschlechterungen aus “Solidarität” hinnehmen. Der Krieg und auch die Sanktionen zerstören die Existenzen von Millionen Arbeiter*innen in Russland, der Ukraine und durch seinen Rattenschwanz an weiteren Krisen auch in Österreich und Europa. Die Wirtschaftskrise, die schon vorher begonnen hat, verstärkt sich. Warum kommt seitens der Gewerkschaft kein eigenes Programm, das die hohle "Solidarität" (mit ukrainischen Konzernen) der Bundesregierung entlarvt? Das wurzelt im Selbstverständnis des ÖGB als staatstragende Organisation “für Österreich” statt als eindeutige und kämpferische Vertretung aller Arbeiter*innen, egal wo sie geboren wurden. Seit Jahren sehen wir, dass die Herrschenden Corona, Klima, Krieg und Krise auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse ”lösen” - höchste Zeit wäre es, das Ruder selbst in die Hand zu nehmen: Organisierung an Schulen und Arbeitsplätzen als erster Schritt gefolgt von (politischen) Streiks, zum Abwehren der allgegenwärtigen Angriffe auf den Lebensstandard, sind überfällig.

Ähnlich verhält es sich mit der stillschweigenden Akzeptanz von Sanktionen - auch diese sind in keinster Weise "friedlich" oder "pazifistisch", sondern zerstören das Leben von Millionen von Menschen in Russland. Sie treffen weder Putin, noch eine Oligarchen-Clique, noch behindern sie fundamental das Kriegstreiben. Zeichen für Widerstand dagegen gibt es überall: Anti-Kriegs Aktionen in Russland und Proteste gegen die schlimmer werdende soziale Lage; Proteste gegen Missstände im Gesundheitswesen, Streiks bei Essenslieferdiensten in der Ukraine; gewerkschaftlicher Widerstand in Belarus: Seit Juli werden Gewerkschafter*innen von staatlicher Seite systematisch verfolgt, weil sie sich gegen den Krieg stellen und den Abzug russischer Truppen aus Belarus fordern. Anstatt genau diese Proteste als Ansatzpunkt für wirkliche Solidarität zu nehmen, stellt sich die Gewerkschaft auch hinter Waffenlieferungen "des Westens"; das Selenski-Regime, das vor wenigen Jahren noch zu Recht vom ÖGB dafür kritisiert wurde, Gewerkschaften und Arbeitsrechte anzugreifen, wird jetzt mit Waffen ausgestattet und der ÖGB hält die Füße still. Dabei ist der Konflikt so oder so nicht militärisch lösbar (nur durch millionenfache Vernichtung von Menschenleben und Zerstörung ganzer Landstriche) - egal ob mit westlichen Waffen oder ohne.

Wir brauchen eine Gewerkschaft die kämpft!

Das "neutrale" Verhalten des ÖGBs macht hier letztlich nichts anderes, als Kriegstreiberei und Profitgier auf beiden Seiten zu unterstützen; auch der Klimawandel und die Teuerungswelle werden toleriert, einen Plan dagegen gibt es seitens der ÖGB-Führung nicht. Wenn der ÖGB also "die Ukraine" unterstützt, dann unterstützt er das Selenski-Regime; wenn der ÖGB auf Streiks und Arbeitskämpfe verzichtet, dann unterstützt das nur "unsere Regierung". Der "Burgfrieden" (alle in derselben Burg - Staat Österreich - müssen zusammenhalten) hält nur den Missstand aufrecht und nützt Arbeiter*innen auf keiner Seite. 

Doch Gewerkschaften sollten nicht “neutral” sein. Sie haben die Aufgabe, die arbeitende Bevölkerung in Österreich und international vor Krieg, Krise und Kapitalismus zu schützen bzw. gegen diese zu mobilisieren. Das tut er mit seiner "Neutralität" nicht. Wir brauchen ein Programm zur Vergesellschaftung von Energiekonzernen, um im Winter leistbar heizen zu können; ein Programm zur Enteignung von Kriegsprofiteuren, um weitere Waffenlieferungen, Aufrüstung und militärische Eskalation zu verhindern; ein Programm, um arbeitenden Menschen weltweit eine Alternative zum alltäglichen kapitalistischen Chaos bieten zu können. Und wir brauchen eine Gewerkschaft und eine politische Kraft, die ein solches Programm aufstellt und den Kampf dafür organisiert - in Österreich und international. 

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