Die Türkei im 20. Jahrhundert

Vor dem Ersten Weltkrieg ist das Gebiet der heutigen Türkei Teil des Osmanischen Reiches. Im Ersten Weltkrieg steht das Osmanische Reich auf Seiten Deutschlands, Österreich-Ungarns, Bulgariens. Schon nach der Jahrhundertwende gibt es die "Jungtürkenbewegung", die für bürgerliche Demokratie und eine türkische Republik kämpfen. Bereist 1908 kommt es nach einer großen Dürre zu Hungerrevolten. Junge Offiziere organisieren Aufstände gegen die osmanische Herrschaft. Eine bürgerliche Verfassung wird erzwungen und die Jungtürkenbewegung übernimmt defacto die Macht.
Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutet den Zerfall des Osmanischen Reiches. Die imperialistischen Siegermächte versuchen das Riesengebiet politisch und militärisch aufzuteilen.
1919 beginnt unter General Mustaffa Kemal (später Attatürk) der türkische Befreiungskrieg
1920 kommt es zum  Vertrag von "Sèvres". Das osmanische Territorium wird aufgeteilt, die arabische Halbinsel bis Mosul geht an die imperialistischen Siegermächte Großbritannien und Frankreich. Im Gebiet der heutigen Türkei sieht der Vertrag für Armenien und Kurdistan ein autonomes Gebiet mit Aussicht auf Unabhängigkeit vor. Die Jungtürkenbewegung organisiert militärischen Widerstand. Diese Bewegung ist allerdings nicht homogen. Teile sympathisieren mit der aufstrebenden ArbeiterInnenbewegung und der jungen Sowjetunion. Atatürk hingegen sieht das kapitalistische Frankreich als Vorbild. Griechische Truppen kämpfen wiederum auf der Seite der englischen Besetzungsmacht. Die junge griechische KP führt dagegen eine Kampagne. Unter der - damals noch starken - griechischen Bevölkerung in der heutigen Türkei ist diese Kampagne extrem populär. Das Versprechen des Imperialismus auf ein autonomes kurdisches Gebiet (das von den kurdischen Eliten angenommen wird) ermöglicht der Gruppe rund um Atatürk, im Befreiungskrieg auf türkischen Nationalismus zu setzten. In Wirklichkeit  brechen viele KurdInnen mit ihrer herrschenden Klasse und kämpfen als kurdische ArbeiterInnen, SozialistInnen und Linke gegen die imperialistischen Besatzungsmächte mit der türkischen Bevölkerung. Den KurdInnen werden Versprechungen auf nationale Rechte und ein eigenes Gebiet gemacht.
1921: Nach einer Einigung mit dem damals bereits sowjetischen Armenien und Siegen im Süden gegen die imperialistischen Mächte Frankreich, Italien und Großbritannien werden die bis Anatolien vordringenden griechischen Truppen geschlagen.
1922: Die türkische Armee unter Atatürk erobert die hauptsächlich von GriechInnen bewohnte Stadt Smyrna/Izmir Nun werden KurdInnen und GriechInnen die versprochen Rechte vorenthalten und die Minderheiten stark unterdrückt.
29. Oktober 1923: Ausrufung der türkischen Republik. Das Rechtssystem wird aus westlichen Ländern übernommen. 1926 ersetzt die lateinische Schrift die arabische. Der Staat wird säkular, 1924 das Kalifat und die islamischen Gerichte abgeschafft, 1926 die Mehrfrauenehe verboten. Es gibt eine formale Gleichstellung von Männern und Frauen. 1934 erhalten Frauen aktives und passives Wahlrecht.
Die Bolschewiki unterstützen viele dieser Entwicklungen - anders als der westliche Imperialismus, der der Region ein Diktat ohne Einbeziehung der Völker verordenen wollte - kritisch. Die Reformen des Kemalismus und die türkische Republik stellen einen klaren Fortschritt gegenüber dem feudalistischen Osmanischen Reich dar. In konsequenter Anwendung der nationalen Frage hoffen sie, dass ohne Einmischung fremder Mächte bald die soziale Frage der jungen Republik dominant wird. Mit der Gründung und Unterstützung der Kommunistischen Partei und in Kooperation mit der jungen Sowjetunion soll sich der linke Flügel in der türkischen Befreiungsbewegung durchsetzen und auch eine sozialistische Revolution gelingen. Das Ausbleiben der Revolution auf internationaler Ebene unterstützt aber die reaktionären Tendenzen.
1925 kommt es zu einem kurdischen Aufstand. Dieser scheitert. Atatürk nutzt die Gunst der Stunde. Ein Staatssicherheitsgesetz wird eingeführt, das viele oppositionelle Strömungen, darunter auch die Kommunistische Partei, verbietet.
1926 wird die "Beleidigung des Türkentums" unter Strafe gestellt. Nur "echte TürkInnen" bekommen Anstellungen im öffentlichen Dienst.
1934 wird das Gesetz für Familiennamen erlassen, das nur türkische Familien erlaubt (was noch heute bei englischen Fußballern mit türkischer Staatsbürgerschaft für tragikomische Namensgebungen sorgt).
Dem Innenministerium werden Sonderrechte zur Umsiedlung nationaler Minderheiten erlaubt, über kurdische Gebiete wird der Ausnahmezustand verhängt.
1938: Nach dem Tod Atatürks wird der türkische Nationalismus verstärkt.
Im Zweiten Weltkrieg ist die Türkei offiziell neutral. Erst 1945 stellt sie sich auf die Seiten der Allierten.
1945 werden andere Parteien als die Staatspartei offiziell zugelassen. Die behördliche Kontrolle ist aber streng. Die ArbeiterInnenbewegung wird so in (eher angepasste) legale Parteien und illegale Gruppen gespalten.
1960 werden dem kemalistischen Staat die Parteien zu mächtig, es kommt zu einem (relativ unblutigen) ersten Militärputsch.
In den 60er und 70ern erlebt die ArbeiteInnenbewegung einen straken Aufschwung. 1962 wird die sowjetisch orientierte Arbeiterpartei der Türkei TIP gegründet. 1965 schafft sie den Sprung ins Parlament (trotz 10 % Hürde). 1967 erfolgt die Gründung der DISK (Konföderation Revolutionärer Gewerkschaften), die innerhalb kurzer Zeit große Stärke und Militanz entwickelt. 1969: Gründung von Dev-Genç (Revolutionäre Jugend).
Es kommt zu heftigen sozialen Kämpfen und bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Linken und den faschistischen "Grauen Wölfen".
1980 erfolgt ein brutaler Militärputsch. Offiziell soll das "Blutvergießen zwischen links und rechts" verhindert werden. Tatsächlich geht es der herrschenden Klasse darum, einer revolutionären Bewegung zuvor zu kommen. Die Folge für die Linke ist fatal. Tausende AktivistInnen “verschwinden”. Vielen ziehen sich ins Privatleben zurück. Hunderttausende emigrieren.

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