Die Regierung muss weg - und dann?

Sonja Grusch

70% sind mit der Regierung unzufrieden. Kein Wunder angesichts von Teuerung, Armut, Pflege- und Bildungskrise, Krieg und Klimakrise und einer Regierung, die bestenfalls an ein paar Mini-Schrauben dreht. Die diversen Skandale dienen auch nicht zur Vertrauensbildung. Genauso viele (71%) sind mit der Opposition unzufrieden.

Regierung hält sich, weil Opposition unbeliebt ist

Oft höre ich “eh, die Regierung ist furchtbar, aber was ist denn die Alternative?”. Die FPÖ liegt mit fast 30% auf dem ersten Platz. Die SPÖ ist nicht nur zerstritten, sondern auch verantwortlich für die Politik in Wien, die eben so gar nicht “anders” ist. Was der Regierung hilft, ist die Angst vieler vor der Rückkehr der FPÖ. Eine Angst, die absolut verständlich ist. Die selbe Angst, die dem konservativen Grufti Biden den Sieg brachte, um Trump los zu werden. Die zum Sieg von Lula führte, dessen Korruption und Kürzungen auf dem Rücken der Ärmsten noch nicht vergessen sind - aber man wollte Bolsonaro loswerden. Verständlich, sind doch die Taten der extrem Rechten weit mehr als lächerlich, sie sind gefährlich, oft sogar lebensgefährlich.

Grüne Politiker*innen haben von jenen der SPÖ die Argumentation gegenüber enttäuschten Wähler*innen übernommen: “Wir können halt nicht alles umsetzen, weil wir in einer Koalition sind, aber ohne uns wäre es noch schlimmer.” Was für ein Armutszeugnis! Damit lässt sich so gut wie jede Sauerei (Grenzen dicht), jeder Kniefall vor den Interessen von Großunternehmen (“heizt weniger, damit wir Energie für die Firmen haben”), jeder Angriff auf Beschäftigte (Verschärfungen bei der Altersteilzeit) legitimieren. Bei den anderen wär's noch schlimmer…

Tatsache ist: Von denen da oben, egal welcher Partei, ist nichts zu erwarten. Auf Verbesserungen warten durch eine neue Regierung ist gleich mit Warten auf den “Sankt-Nimmerleins-Tag”.

Wir haben mehr verdient und mehr nötig!

Britannien wird in den letzten Monaten von einer Streikwelle erschüttert. Überall wehren sich Beschäftigte gegen miese Bezahlung und Personalmangel: Eisenbahnen und Häfen, im Gesundheitswesen, an Schulen und Universitäten etc. Sie warten nicht darauf, dass bei den nächsten Wahlen - vielleicht - die Labour Party wieder an die Macht kommt und es dann - eher unwahrscheinlich - besser macht. Sie streiken, weil es nötig ist, um die dramatischen Missstände zu bekämpfen.

Das brauchen wir auch! Verbesserungen müssen von unten erkämpft werden. Gegen die Regierung. Und auch mit der “Gefahr”, dass eine Regierung stürzt. Eine Regierung, die durch eine Streik- und Protestwelle von Beschäftigten, Jugendlichen und Frauen gestürzt wird, wird nicht durch eine FPÖ-Regierung ersetzt werden, da eine solche Protestwelle gleichzeitig auch die FPÖ, deren Politik ja nicht “sozialer” ist als jene der anderen Parteien, zurückdrängt. Eine solche Streik- und Protestwelle führt auch zu Bewegung in den Gewerkschaften, wo Teile sie mehr zu Kampforganisationen machen wollen, die sich zwangsläufig auch gegen die unsoziale SPÖ stellen müsste. Sie kann Ansatz sein für Strukturen und auch Organisationen bis hin zu wirklich neuen Parteien, die die Interessen der Arbeiter*innen und Jugendlichen vertreten - und damit die Basis für eine gänzlich andere Politik, eine gänzlich andere Gesellschaft legen.

 

Erscheint in Zeitungsausgabe: