Chiles Linke im Aufbruch?

Die Arbeit der Schwesterorganisation der SOV

Die Linke im allgemeinen und die Kommunistische Partei Chiles (PC) machen eine schwierige Phase durch. Die KP leidet darunter, trotz vier bis sechs Prozent Zuspruch, den Sprung ins Parlament nicht geschafft zu haben.  Sie ging zwar gestärkt aus den letzten Kommunalwahlen hervor, läuft aber trotzdem Gefahr, an allgemeiner politischer Bedeutung zu verlieren.
Viele Jugendliche empfinden sich als links, sind aber nur im geringen Ausmaß bereit, sich einer Organisation anzuschließen. Vor allem StudentInnen aus ArbeiterInnenfamilien geben sich der Illusion hin, durch besonderen Fleiß Karriere machen zu können bzw. einen gerechten Anteil am Wirtschaftsaufschwung zu bekommen. ArbeiterInnenjugendliche sind sowieso ständig mit ihrem  Existenzkampf beschäftigt und lassen ihre Wut über den Kapitalismus z.B. im Fußballstadion aus. Allerdings äußert sich diese Wut auch links, etwa in Sympathie für linke Guerillagruppen, wie die FMPR, die wegen ihres Attentats auf Pinochet und einer spektakulären Befreiungsaktion eine gewisse Popularität unter ärmeren Jugendlichen genießen.
Die KP und andere linke Gruppen haben ein Nachwuchsproblem.Die meisten AktivistInnen sind ältere Arbeiterinnen und Arbeiter, die bereits während der Militärdiktatur im Widerstand aktiv waren. Die meisten sind in der Gewerkschaft aktiv, starken Einfluß hat die KP auch unter LehrerInnen und ProfessorInnen. Eine Stärke der KP liegt im Kommunalbereich, in dem sich viele ihrer AktivistInnen ein hohes Ansehen erworben haben.

„Alternativa-Marxista“

Die chilenische Schwester-Organisation der SOV besteht aus einer Jugendgruppe und einer Gruppe von GewerkschafterInnen, die vor allem mit dem Aufbau der „Koordination“ (siehe Interview) beschäftigt sind. Da einige AktivistInnen  Angehörige der chilenischen UreinwohnerInnen, der Maputche sind, gibt es derzeit ein Projekt, bei dem versucht wird, die soziale Situation jener  Maputche zu erfassen, die in Santiago leben. Die Zusammenarbeit mit der KP gestaltet sich positiv. So kandidierten unsere chilenischen GenossInnen auf KP-Listen bei den letzten Gemeinderatswahlen. Seither gibt es einen Bezirksrat, der Mitglied unserer chilenischen Schwesterorganisation ist. Außerdem gibt es das Angebot der KP an Vilma Alvarez (siehe Interview), in das Polit-Büro der KP zu gehen.

Linkes Wahlbündnis

Für die nächsten Parlamentswahlen organisiert die KP ein Linksbündnis aus der MIDA (Bewegung der links demokratischen Allianz), einer älteren linken Gruppe, in der viele Grüne aktiv sind, der IC (Christliche Linke), der „unabhängigen Linken“  und der PAS (Alternative sozialistische Partei), einer linken Abspaltung der Sozialistischen Partei (PS), die sich seit dem Rechtsruck einem  Zulauf bekannter PS-Funktionäre erfreut. Die PS-Führung machte seit dem Zusammenbruch des Stalinismus einen scharfen Rechtsruck durch.
Gemeinsam will das Wahlbündnis:

  1. die 2-Parteienlandschaft beenden
  2. eine Totalreform des Arbeitsgesetzes für mehr Mitsprache der Gewerkschaften
  3. eine gerechtere Einkommensverteilung
  4. eine Entschädigung der Opfer der Militärdiktatur, richtige Denkmäler und Bestrafung der Täter. Außerdem sollen auch Menschen ohne Matura sowie PersonalvertreterInnen (!) fürs Parlament kandidieren dürfen.

Wir halten die Forderungen des Wahlbündnisses für unterstützenswert, aber zu wenig weitreichend, um die Probleme, denen sich die chilenische ArbeiterInnenklasse gegenübersieht, zu lösen.  
Das Bündnis macht sich große Hoffnung auf einen Einzug ins Parlament. Für uns aber ist die entscheidende Frage, ob alle beteiligten Gruppen wirklich daran interessiert sind, ihre AnhängerInnen und AktivistInnen für diese Forderung auf die Straße zu bringen.
Eine Kampagne, die auch auf nicht politisierte Menschen orientiert ist und für eine gerechte Einkommensverteilung kämpft, könnte viele Jugendliche und ArbeiterInnen aus ihrer Lethargie holen. Weiters ist wichtig, ob man zu einem Bündnis über Wahlen hinaus bereit ist. Die ersten Anzeichen seitens der KP gibt es bereits. Eine neue sozialistische ArbeiterInnenpartei wäre auch Chile ebenso wie in anderen Staaten Lateinamerikas ein Gebot der Stunde.

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