Bildungsabbau

Wir wehren uns!
Pablo Hörtner und Paul Reza

SchülerInnenproteste in Frankreich, Schulstreiks in Österreich: Die Bildungspolitik steht weiter mit im Brennpunkt von Sozialabbau und Gegenwehr. Ende Oktober tagten in Baden die EU-Bildungsminister. Wir waren selbstverständlich dabei: Unter dem Motto „EUropa verspielt unsere Bildung“ demonstrierten drei- bis fünfhundert Betroffene gegen die Mißstände in Schule, Lehre und Uni.
Daß Baden als Tagungsort gewählt wurde, entbehrt nicht einer gewissen Symbolik: Das Badener Spiel-Casino als Konferenzschauplatz - Zeichen für Elitenbildung, Verspielen unserer Zukunft... ? Die SchülerInnenaktionsplattform hat sich nicht nur aktiv an der Gegendemonstration - mit einem eigenen Wiener Treffpunkt zu dem rund 100 Leute kamen - an diesem Gipfel beteiligt. Bereits im Vorfeld organisierten wir in Wien einen Schulstreik mit 5.000 TeilnehmerInnen gegen Ministerin Gehrer, suchten Kontakt mit linken LehrergewerkschafterInnen und bemühten uns um internationale Solidaritätsarbeit.

Tschechien...

Auf der Kundgebung in Baden waren auf unsere Initiative auch Lehrer-Innen aus der Tschechischen Republik anwesend: In der Stadt Kladno - 30 Kilometer von Prag entfernt - findet zur Zeit ein erbitterter Arbeitskampf statt. In einer Nacht- und Nebelaktion wurde die Direktorin einer Integrationsschule, Frau Topinkova, von der Schulbehörde abgesetzt. Der Lehrkörper trat in einen Solidaritätsstreik - die Streikenden wurden daraufhin entlassen. Durch diese Maßnahme bereitet die tschechische Regierung sowohl die Schließung von Integrationsschulen wie die Aushöhlung gewerkschaftlicher Rechte vor. Am Vorabend zur Demonstration in Baden organisierten wir eine gemeinsame Diskussionsveranstaltung in Wien und sammelten Spenden. Die LehrerInnen sind mit uns einer Meinung, daß internationale Solidarität gegen Sozial- und Bildungsabbau notwendig ist.

Frankreich: SchülerInnen machen Druck

Ausgehend von Provinzstädten, vorwiegend im Süden Frankreichs wurden die Proteste französischer MittelschülerInnen zu einer bundesweiten Bewegung. Die Proteste richteten sich vor allem gegen das Fehlen von Bugetmitteln und Autonomie im Bereich der Mittelschulen (seit den sechziger Jahren gab es keine nennenswerten Reformen; die SchülerInnen“demokratie“ ist in Frankreich weitaus beschränkter als in Österreich). Den Beginn machten am Montag Bordeaux mit 8.000 DemonstrantInnen, gefolgt von Toulouse, Lyon (je 15.000), Grenoble, Monpellier (je 10.000) sowie vereinzelten Kundgebungen in Paris.
Am Donnerstag, den 15. Oktober, gipfelten die sehr explosiven Demonstrationen in einer Art „nationalen Unzufriedenheitsbewegung“, die an ihrem Höhepunkt eine halbe Million SchülerInnen und LehrerInnen auf die Straße brachte - davon 280.000 allein in Paris.
Die Protestbewegung wurde von den großen SchülerInnenorganisationen FIDL (Federation independante et democratique lycèenne), UNL (Union nationale lycèenne ) und diversen Gewerkschaften (LehrerInnengewerkschaft, Gewerkschaftsdachverband) und am Ende sogar durch die DirektorInnengewerkschaft finanziell und organisatorisch unterstützt. Anlaß zu den Demonstrationen bot der vom Unterrichtsminister (C. Allègre) in Auftrag gegebene Maßnahmenkatalog, dem bisher aus angeblich bugeteren Gründen nicht Rechnung getragen wurde.

Gibt Regierung nach?

Als Reaktion auf die Proteste sagte der Unterrichtsminister zu, 14.000 zusätzliche Lehrkräfte anzustellen sowie 4 Milliarden Francs zur Strukturverbesserung an den Schulen bereit zu stellen. Die SchülerInnen zeigten sich diesen Zusagen (wohl zurecht) mißtrauisch gegenüber, da die Verwirklichung dieser nicht gewährleistet ist und sie in Bezug auf die Größe Frankreichs nicht allzu hoch ausgefallen sind, um wirklich viel zu ändern. Die SchülerInnen ziehen es vor, abzuwarten und die Proteste fortzuführen.

Kolumbien

Ein weiteres Beispiel für internationalen Bildungsklau, über das in den deutschsprachigen bürgerlichen Medien bisher nicht berichtet worden ist (wohl um Nachahmung und Solidarität vorzubeugen), ist Kolumbien. Dort streiken die Bediensteten im öffentlichen Bildungswesen bereits seit Sommer. Anlaß dazu war folgender: Die Inflation für 1997 betrug 22,6%, doch die Regierung hat lediglich eine Gehaltserhöhung von 14% zugesagt, was einen Reallohnverlust von über 8% bedeutet. Der Staat hat die Auszahlung von Löhnen an die Streikenden eingestellt. Momentan sind fast alle Universitäten im Lande geschlossen

Proteste alleine sind zuwenig

Proteste zu organisieren ist gut - vor allem wenn sie praktisch Teil einer Gesamtbewegung von links sind, wie in Frankreich. Wichtig ist aber auch, eine Alternative zu den Sozialabbau und Elitenbildungskonzepten zu haben. Wir kämpfen international für ein grundlegend anderes Bildungssystem: Gesamtschulen und Stipendien für Alle! Gleichzeitig ist es wichtig den Zusammenhang zwischen Bildungs- und Sozialabbau zu erkennen und einen gemeinsamen Kampf in diesen Punkten zu organisieren.

Erscheint in Zeitungsausgabe: