Bilanz und Ausblick nach dem ÖGB-Kongress:

Gewerkschaftskrise als Dauerzustand
Michael Gehmacher

Nicht weniger als dreimal war der 16. Bundeskongress des ÖGB, der schließlich Ende Jänner in Wien stattfand, verschoben worden. Der Kongress selbst endete mit einem Knalleffekt: Die Vizepräsidentin Csörgits wurde ebenso wie der "schwarze" BeamtInnengewerkschafts-Boss Neugebauer abgewählt. Csörgits war beim KandidatInnenhearing nicht in der Lage gewesen die Höhe ihres Einkommens zu nennen. ÖVP-Nationalratsabgeordneter Neugebauer hatte in den vergangenen Jahren stets als treuer Vasall von Schwarz/Blau/Orange agiert und war erst gar nicht zur wichtigsten ÖGB-Tagung in der Nachkriegsgeschichte erschienen. Beide wurden trotzdem von der Gewerkschaftsführung zur Wiederwahl vorgeschlagen. Doch die legendäre “Disziplin” und Hierarchie im ÖGB funktionierte nicht einmal mehr auf der Spitzenebene. Der BAWAG-Skandal hat tiefe Spuren hinterlassen.

Nach Aufkommen des BAWAG-Skandals befand sich die ÖGB-Bürokratie im freien Fall. Viele Initiativen entstanden in dieser Zeit. Die wohl bekannteste Aktion aus dieser Zeit war "Zeichen Setzen"; eine Internetplattform, die sehr schnell große Unterstützung bekam. "Zeichen Setzen" zeigte unmittelbar was möglich gewesen wäre, sowohl die Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften, wie die SLP, unterstützten deshalb “Zeichen Setzen” aktiv und traten für eine offene AktivistInnenkonferenz ein. Zur Enttäuschung vieler UnterstützerInnen wurde "Zeichen Setzen" vorschnell eingestellt und das Potential nicht genutzt. Der ÖGB-Kongress und die Ereignisse am Schluss haben das Fehlen einer kämpferischen Opposition erneut unterstrichen; von der Dynamik von "Zeichen setzen" war hier leider längst nichts mehr zu merken.

Nur eine Finanzkrise?

Bereits im Herbst hatte die ÖGB-Bürokratie intern wieder politisch Oberwasser gewonnen. Diverse Diskussionsforen wurden von “Oben” eingerichtet, wichtige Vorentscheidungen aber bereits - wie gehabt - hinter verschlossenen Türen getroffen. Der Postenschacher begann, Gewerkschaftsgebäude wurden verkauft, während aktive Gewerkschaftsmitglieder in Arbeitskreisen ohne Relevanz saßen. Die politische Dimension der Affäre wurde ausgeklammert. Die Aussage von Erich Foglar (Vorsitz Metall) wonach der ÖGB eine Finanzkrise und keine politische Krise hätte, entwickelte sich zur Leitlinie der ÖGB-Bürokratie. Doch die ÖGB-Basis folgte nur bedingt dieser Vorgabe: Die Beteiligung an der Mitgliederbefragung und den Regionalkonferenzen war schwach. Immer mehr Menschen wendeten sich vom ÖGB-”Reformprozess” ab. Selbst am ÖGB-Kongress trat kaum einE “durchschnittlicher” DelegierteR offen für die Politik der neuen ÖGB-Spitze ein: Im Gegenteil! Selbst bei jenen, die in der Vergangenheit oft brav die Hand zu Allem gehoben hatten, was “von Oben” kam, war zumindest ein deutliches Unwohlsein über Ablauf und Inhalt des “Neustarts” spürbar.

Nicht die Basis ist schuld!

Es wäre falsch die wachsende Enttäuschung der Basis über “den ÖGB”, einfach als “gewerkschaftsfeindlich” zu interpretieren. In Wahrheit gibt es zwei Tendenzen: 1) Eine ÖGB-Spitze, die immer weniger Menschen für ihre Politik gewinnen kann. Beachtliche Teile der österreichischen ArbeiterInnenklasse nehmen die internen Abläufe im ÖGB einfach nicht mehr wahr oder ernst. 2) Gruppen von ArbeitnehmerInnen die etwas tun wollen. Die Kollektivvertragsrunde 2006 zeigte, insbesondere bei den Metallern, dem Handel und dem Sozialbereich, dass viele KollegInnen bereit gewesen wären zu kämpfen. Betriebsversammlungen und BetriebsrätInnenkonferenzen wurden außerordentlich gut besucht. Auch durch die beiden großen Fraktionen - FSG und FCG - gehen Risse; die Spaltung zwischen Führung und Basis hat sich vergrößert.

Fehlstart für Hundstorfer

So titelten die Salzburger Nachrichten nicht zu unrecht. Die ÖGB-Spitze ist politisch geschwächt und kann das Geschehen keineswegs mehr so kontrollieren wie früher. Das eröffnet eine Chance für jene wachsende Zahl von Menschen, die aktiv gegen die sozialen Verschlechterungen kämpfen wollen. Diese Situation bietet große Möglichkeiten für eine kämpferische Gewerkschaftsopposition. Wir wollen möglichst viele soziale Kämpfe unterstützen und dort, wo möglich, anstoßen. Als ersten Schritt schlagen wir eine kämpferische BetriebsrätInnenkonferenz im März vor

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