Arbeit: Ein notwendiges Übel

Sonja Grusch

Die Unternehmen suchen händeringend nach Arbeitskräften. Viele sind nicht mehr bereit, jeden noch so lausigen Job anzunehmen und sich alles gefallen zu lassen. Studien zeigen, dass Menschen kürzer arbeiten wollen. Die “work-life-balance” muss stimmen. So neu ist die Sache allerdings nicht. Kürzere Arbeitszeiten sind eine Forderung der Arbeiter*innenbewegung seit ihren Anfängen. 40 Wochenstunden sind nicht die “natürliche” Arbeitszeit, von der man nun plötzlich abgeht. Die letzte generelle Arbeitszeitverkürzung gab es in Österreich 1975 - da war ein Großteil der aktuell Erwerbstätigen noch nicht einmal geboren. Der technische Fortschritt ist aber weiter gegangen, d.h. wir leisten heute weit mehr in derselben Arbeitszeit als vor 47 Jahren. Spätestens seit den 1990er Jahren stagnieren die Reallöhne bestenfalls. Im Kern bedeutet das: Die Reichen werden durch unsere Arbeit immer reicher, für uns aber steigt die Belastung.

Dieser kapitalistische Wahnsinn wird uns von der Propaganda der Herrschenden als Normalzustand eingebläut. Corona hat hier eine spürbare Veränderung gebracht, die aber bereits mit der Krise 2007 begonnen hat. Nicht nur, dass vielen “die Arbeit” in den Lockdowns nicht wirklich abgegangen ist, ist offensichtlich geworden, dass es nicht am Geld mangelt. In der 2007er Krise wurden über Nacht astronomische Summen für die Banken locker gemacht. Unter Corona wiederholte sich das mit den Hilfspaketen für die Wirtschaft. Es ist also Geld da. Das Dogma vom “wir müssen alle sparen” zerfiel. Gleichzeitig wurde deutlich, wer eigentlich wirklich alles am laufen hält. Die “Systemerhalter*innen” und “essentiellen Jobs” waren nicht in Banken, Politik und Chefetagen, sondern in Spital, Schule und Supermarkt. Dass der Erkenntnis aber keine bessere Bezahlung folgte, sondern nur noch mehr Stress, macht zu Recht wütend. Das neue Selbstbewusstsein führt dazu, dass Arbeitssuchende “wählerisch” werden und Beschäftigte Forderungen erheben.

Diese Situation aber ist für die Unternehmen ein Problem, da sie wettbewerbsfähig bleiben/werden müssen. Also soll der Staat für sie mit Zuckerbrot (staatliche Lohnsubvention wie bei der Kurzarbeit) und Peitsche (Verschärfungen bei Arbeitslosen) dafür sorgen, dass ausreichend Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. 

Generelle Arbeitszeitverkürzung jetzt!

Eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Einkommen, bei der entsprechend mehr Leute angestellt werden, ist nötig. So würden 1) die Arbeitslosigkeit bekämpft, 2) die Situation der Beschäftigten verbessert und 3) wir ein bisschen des Reichtums, den wir erwirtschaftet haben, zurück bekommen. Eine individuelle Arbeitszeitverkürzung, wo sich jedeR einzeln ausmacht, weniger zu arbeiten und weniger zu verdienen, ist für viele nicht leistbar. Das “Recht auf Teilzeit” ist bestenfalls für Besserverdienende attraktiv, für andere, insbesondere Frauen, wird es meist zur Armutsfalle. 

Doch eine Arbeitszeitverkürzung auf 35-Stunden ist eigentlich viel zu wenig. Würde alle sinnlose Arbeit eingespart, Produkte langlebiger erzeugt und alle technischen Möglichkeiten eingesetzt werden, dann würde sich die notwendige verbleibende Arbeit stark reduzieren. Und wenn wir dann auch noch selbst die Arbeitsbedingungen mitentscheiden können und darüber, was wann wie und warum gearbeitet wird, dann wird Arbeit von einer Last zu einer Bereicherung. Dann fällt auch die Mauer zwischen “Job” und “Freizeit”. Wir alle arbeiten ja in unserer Freizeit sehr viel: Ehrenamtlich in diversen Vereinen von der Stadtverschönerung bis zur Altenpflege, bei der IT-Entwicklung im open-source Bereich und kreativ in Theatergruppen oder Chören. “Arbeit” ist also nicht das Problem, sondern wer darüber entscheidet und wer davon profitiert. Wollen wir über unsere Arbeit und ihre Früchte verfügen, dann ist das mit dem Kapitalismus und seiner Profitlogik unvereinbar.

 

 

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