Antwort der KPÖ auf den Brief der SLP

KPÖ-Bundesvorstand

Liebe GenossInnen!

Wir danken für den Brief der SLP-Bundesleitung, den wir als Beitrag zur Diskussion über die Entwicklung der Linken in Österreich
verstehen, und nehmen gerne nachstehend zu einigen der darin aufgeworfenen Fragen Stellung:
Das verschiedentlich in Umfragen aufgezeigte Potential links von SPÖ und Grünen von bis zu 20 Prozent halten wir für sehr
hypothetisch. Ein Vergleich mit Deutschland ist insofern unzutreffend, als dort die SPD Regierungspartei ist und die WASG als Reaktion auf die unsoziale Politik von Rotgrün entstanden ist. Die Politik der SPÖ unterscheidet sich zwar in wesentlichen Fragen
(z.B. Asylgesetz) wenig von der Regierungspolitik. Differenzierungen, die zu einem Bruch wie in Deutschland führen sind aber weder in der SPÖ noch im ÖGB bislang erfolgt. Das kann sich natürlich ändern, sollte die SPÖ Regierungspartei werden bzw. sogar eine große Koalition zustande kommen.
Die Kandidatur der LINKE bei der Europaparlamentswahl 2004 – auf deren Liste auch AktivistInnen der Streikbewegung von 2003
kandidierten – hat trotz mancher Hoffnungen gezeigt, dass das reale linke Potential weit unter manchen fragwürdigen Umfragewerten liegt. Sowohl das Wahlergebnis als auch die Entwicklung der LINKE seither waren – ebenso wie die klare Absage der KPÖ-Steiermark an eine mögliche Bündniskandidatur – maßgeblich für unsere Orientierung als KPÖ bei der Nationalratswahl anzutreten. Wir verstehen unsere Kandidatur dessen ungeachtet ohne Alleinvertretungsanspruch als Beitrag zur Entwicklung der Linken in Österreich, ein Ausdruck dieser Bündnisorientierung sind auch unsere offenen Listen.
Eine „selbstgewählte Ab- und Ausgrenzung der Bundespartei“ sehen wir nicht, außer wenn damit die Ablehnung einer Beteiligung an prinzipienlosen Bündnissen mit antisemitischen oder populistischen Zügen gemeint sein sollte.
In Eurem Schreiben wird versucht, die KPÖ wegen der Bezugnahme des bisherigen Parteivorsitzenden Walter Baier auf die Tradition auf
Koplenig und Muhri als stalinistisch zu punzieren. Dazu halten wir fest, dass weder Koplenig noch Muhri auf Stalinismus reduziert
werden können. Auch wenn die Geschichte der 1918 gegründeten KPÖ über lange Zeit vom Stalinismus geprägt war, kann und darf nicht ignoriert werden, dass die KPÖ maßgebliche Kraft im antifaschistischen Widerstand und in den sozialen Auseinandersetzungen sowohl in der Ersten als auch Zweiten Republik war und dies ein bleibendes Verdienst der KPÖ darstellt.
Auch war und ist es ein maßgebliches Bemühen von Walter Baier, die Auseinandersetzung mit dem Stalinismus zu führen. Gemeinsam mit Franz Muhri – der für uns ein gutes Beispiel eines höchst selbstkritischen Umganges mit der eigenen Vergangenheit ist – hat er bekanntlich mit der Dokumentation „Stalin und wir“ zur Differenzierung in dieser Frage in der KPÖ beigetragen. Eine diesbezügliche Trennung erfolgte bekanntlich im Zusammenhang mit dem 33. Parteitag.
Hingegen müssen wir mit Verwunderung feststellen, dass ausgerechnet die SLP mit den mittlerweile nicht mehr in der KPÖ tätigen Stalinisten der KI Absprachen über Konkurrenzkandidaturen zur KPÖ bei der Wiener Wahl getroffen hat und dass die Mitglieder der SLP-Bundesleitung den Kominform-Aufruf mit dem verleumderischen Vorwurf die KPÖ habe Geschäfte mit Rechtsextremen gemacht unterzeichnet haben.
Auch wenn das Wahlergebnis der KPÖ in der Steiermark herausragend ist, braucht die KPÖ insgesamt ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen: Die KPÖ hat seit 2000 bei fast allen Wahlen Stimmengewinne wenn auch in unterschiedlicher Höhe erreicht. Neben der Steiermark können dabei Wien, Oberösterreich, Tirol, Kärnten und Salzburg herausgegriffen werden, wo ein Mehrfaches an Stimmen gegenüber den vorherigen Wahlen erreicht werden konnte.
Der von Euch thematisierte Konflikt zwischen WASG und Linkspartei in Berlin berührt die KPÖ nicht, unsere Haltung betreffend
Privatisierungen etc. ist eindeutig. Auch in Graz, wo die KPÖ mit zwei StadträtInnen mitregiert, konnte bislang deutlich gemacht
werden, dass sich eine linke Partei durchaus nicht den berüchtigten Sachzwängen unterwerfen muss.
Entgegen manchen Unterstellungen und Vorwürfen ist die Politik der KPÖ sehr wohl an der ArbeiterInnenklasse orientiert, wie
zahlreiche KommunistInnen gemeinsam mit Parteilosen oder auch Mitgliedern anderer Parteien (wie auch der SLP…) mit ihrer täglichen Arbeit in Betrieben und Gewerkschaften deutlich machen. Allerdings versuchen wir ähnlich wie die SLP ein zeitgemäßes Verständnis der ArbeiterInnenklasse in Hinblick auf die massive Prekarisierung, die Rolle der Frauen und MigrantInnen zu entwickeln, das sich von traditionellen Klischees unterscheidet.
Wie wir feststellen können, stimmen KPÖ und SLP in zahlreichen Fragen überein. Wir versuchen in der uns möglichen Weise praktisch in Betrieben und Gewerkschaften, Gemeinden (in der Steiermark zusätzlich auf Landesebene) und Bündnissen eine entsprechende Politik zu entwickeln. Zwar sind die objektiven Möglichkeiten für einen Sozialismus durch den heutigen Stand der Produktivkräfte gegeben, der subjektive Faktor in Form einer entsprechenden politischen Kraft zur Veränderung bleibt dahinter allerdings weit zurück. Es wird daher darauf ankommen, die Perspektive einer gesellschaftlichen Veränderung im Zusammenhang mit Wahlkämpfen in geeigneter Weise mit
den aktuellen Fragen zu verbinden.
Unser politischer Anspruch orientiert auf die Überwindung der traditionellen Stellvertreterpolitik und eine Mobilisierung der
Betroffenen, auf eine partizipative Politik, wobei uns klar ist, dass dies in unterschiedlicher Weise realisierbar ist. Wir halten
eine deutliche Position in Grundsatzfragen für wesentlich. Daher haben wir uns etwa seit Jahren dafür ausgesprochen, dass
Gemeindewohnungen auch für MigrantInnen zugänglich sein müssen. Ähnlich halten wir eine Reduzierung der ohne Zweifel notwendigen Kritik an der EU auf eine Austrittsforderung für fragwürdig, weil es unserem internationalistischem Selbstverständnis widerspricht und auch die Entwicklung möglicher Alternativen blockiert.
Ein gemeinsame linkes Projekt kann unseres Erachtens nur langsam wachsen und das auch nur auf der Basis gegenseitigen Respekts und Vertrauens. Aussagen wie jene der SLP „je weniger von dieser KPÖ, desto besser“ halten wir dabei für die Entwicklung eines solchen Projekts für kontraproduktiv. Abgesehen davon, dass dies im Widerspruch zu der an anderer Stelle von Euch geforderten „prominenten Rolle“ der KPÖ bei der Entwicklung einer Linkspartei steht. Die Auflösung der KPÖ kann nicht Vorbedingung für eine Zusammenarbeit sein.
Einem solidarischen linken Selbstverständnis entsprechenden Umgang miteinander vorausgesetzt sehen wir Möglichkeiten der
Zusammenarbeit als linke Organisationen in konkreten Fragen auf Grundlage vorhandener Gemeinsamkeiten die im weiteren Sinne auch der Entwicklung möglicher neuer Formationen der Linken dienen. In diesem Sinne würden wir es auch begrüßen, wenn Mitglieder der SLP auf den offenen Listen der KPÖ bei der Nationalratswahl kandidieren.

Mit freundlichen Grüßen!

Leo Furtlehner, im Auftrag des KPÖ-Bundesvorstandes

dieser Brief traf am 2. Mai 2006 bei uns ein