„Front National“ geht als stärkste Kraft aus französischen Regionalwahlen hervor

von Clare Doyle vom „Komitee für eine Arbeiterinternationale“ // „Committee for a Workers´ International“ (CWI), dessen Sektion in Österreichdie SLP ist

Dieser Artikel erschien zuerst am 7. Dezember auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net

Regierende „Parti Socialiste“ (Sozialdemokraten) abgestraft

Aufgrund des massiven Stimmengewinns für die extreme Rechte vom „Front National“ (FN) ist die Partei in der ersten Runde der Regionalwahlen in Frankreich in beinahe der Hälfte der Regionen zur stärksten Kraft geworden. Parteichefin Marine le Pen kam auf 40 Prozent in einer der größten und ärmsten Regionen, im Nord-Pas de Calais-Picardie.

Diese Nachricht ist zwar schockierend, kommt aber nicht völlig überraschend. Die Stimmung nach den Gewalttaten vom 13. November in Paris scheint nicht der einzige Grund für diesen Wahlausgang zu sein. Nur ein bis zwei Prozent des Stimmenzuwachses für die Rechte sind schätzungsweise darauf zurückzuführen.

Seit Marine le Pen 2011 den Parteivorsitz übernommen hat, bekommt der FN immer mehr Unterstützung. Im Vergleich zu ihrem Vater, Jean-Marie Le Pen, der ein entschiedener Verteidiger der Verbrechen des Faschismus war, leitet sie die Partei auf wesentlich populistischere Art und Weise. Mit über 28 Prozent, die der FN bei diesen Wahlen erzielen konnte, hat er sein Ergebnis der letzten Parlamentswahlen von 2012 (13,6 Prozent) mehr als verdoppeln können. Aufgrund des Zuschnitts der französischen Wahlbezirke hat die Partei aber weiterhin nur zwei Vertreter im Parlament, der Nationalversammlung.

Jetzt sieht es so aus, dass der FN nach der zweiten Wahlrunde am Sonntag mindestens zwei Regionen unter seine politische Kontrolle bekommen wird: den deindustrialisierten Nord-Pas de Calais und eine reiche Region im Süden des Landes, wo die extremere Marion Marechal-Le Pen die Wahlliste des FN anführt. Während der FN offenkundig rassistisch ist, wird erklärt, dass man nicht gegen EinwanderInnen ist, so lange sie französisch sind und die französischen Traditionen einhalten. Der FN war gegen die Europäische Union und spricht sich für Wohnungen und Arbeitsplätze für FranzösInnen aus.

Die Partei war in der Lage, sowohl auf Kosten der regierenden Sozialdemokraten von der PS als auch der traditionell rechten Partei von Sarkozy Stimmen zu gewinnen. Bei letzterer handelt es sich um die ehemalige UMP, die sich in „Republikanische Partei“ (PR) umbenannt hat. Trotz eines kleinen Anstiegs der persönlichen Umfragewerte von Präsident Hollande steht das Wahlergebnis vom Sonntag für den Zusammenbruch seiner Partei. Die PS hat ihre KandidatInnen für die zweite Wahlrunde in den Regionen zurückgezogen, in denen sie sich ihrer Niederlage sicher sein kann. Dort schlägt sie eine „große Koalition“ mit der „traditionell“ rechts-konservativen PR vor, um den FN daran zu hindern, in irgendeiner Region die Macht zu übernehmen. Derselbe Vorschlag wird zweifellos auch dann kommen, wenn 2017 die Präsidentschaftswahlen anstehen, bei denen befürchtet wird, dass der FN ebenfalls einen hohen Stimmenanteil erhält.

Die PR hat bereits angekündigt, ein solches Vorgehen abzulehnen, weil sie unter keinen Umständen mit der krisengeschüttelten PS-Regierung von Hollande und Premierminister Valls in Verbindung gebracht werden will. Der Stimmenanteil für diese Parteien hätte sogar noch weiter zurückgehen können, wenn sie sich nach den Anschlägen vom 13. November nicht derart für eine repressive und nationalistische Politik eingesetzt hätten. Das hat dem FN nur wenig Raum für eine ähnliche Hetze gegeben.

Der große Stimmengewinn für die rechtsextreme Partei ist in Teilen auch auf ProtestwählerInnen zurückzuführen, weil es keine linken Kräfte gibt mit einer tragfähigen Alternative zu den Kürzungen und der Vernichtung von Arbeitsplätzen der regierenden Parteien. 47 Prozent derjenigen, die sagen, sie würden eher links wählen, haben sich nicht an den Regionalwahlen beteiligt. Die Tatsache, dass die „KommunistInnen“ von der alten PCF, Regierungsentscheidungen unterstützt haben, bedeutet, dass diese Partei nicht in der Lage gewesen ist, im Namen der arbeitenden Menschen und der jungen Leute dem eine ernsthafte Opposition entgegenzustellen. Marine le Pen hat oftmals Verständnis für die Probleme von Beschäftigten gezeigt (wenn auch nicht für ihre sozialen beziehungsweise betrieblichen Kämpfe). Die KollegInnen bei „Air France“, die sich gegen Entlassungen zur Wehr gesetzt haben, wurden vom FN als „Hooligans“ beschimpft.

Aus nationalistischen Gründen wurde die Idee vertreten, dass Industriebetriebe in staatlicher Hand bleiben müssen. Die größte Gefahr, die mit den derzeitigen Entwicklungen einhergeht, besteht darin, dass der FN seine Wahlergebnisse und Anhängerschaft konsolidieren kann.

Kämpfe abhängig Beschäftigter

Der größte Gewerkschaftsbund, CGT, der der „Kommunistischen Partei Frankreichs“ (PCF) nahesteht, ist von der Basis dazu gedrängt worden, die Verlängerung des seit dem 13. November geltenden Ausnahmezustands und Demonstrationsverbots nicht hinzunehmen (im Parlament, haben die PCF-Abgeordneten für die Verlängerung gestimmt). Die Mitgliedschaft der CGT hat dies als einseitige Erklärung eines Waffenstillstands im Kampf mit den Arbeitgebern und der Regierung aufgefasst, die ihrerseits ohne Unterlass mit ihren Angriffen fortfahren. Die führenden Köpfe des Gewerkschaftsbunds sahen sich genötigt, für den vergangenen Mittwoch (2. Dezember) einen landesweiten Aktionstag gegen die Entlassungen bei „Air France“ und Angriffe auf gewerkschaftliche Rechte sowie die Arbeitsbedingungen auszurufen.

Unter den abhängig Beschäftigten und jungen Leuten staut sich angesichts einer Reihe ganz wesentlicher Probleme beträchtliche Wut an, die das Fass jederzeit zum Überlaufen bringen kann. Es ist möglich, dass in den Schulen Proteste gegen den Erfolg des FN ausbrechen können und in den Betrieben gegen die Arroganz der Arbeitgeberseite. Die Wahl vom vergangenen Sonntag und die hohe Anzahl an NichtwählerInnen unter den abhängig Beschäftigten sowie jungen Leuten (ihr Anteil lag jeweils bei 62 Prozent) ist eine Missbilligung des Versagens der Parteien der „traditionellen Linken und Rechten“, die keine Lösung für die Probleme anzubieten haben. Unter denjenigen, die sagen, sie würden ansonsten eher links wählen, lag der Anteil der NichtwählerInnen in den Regionen bei 47 Prozent. Nur die ältere Generation, die RentnerInnen, haben sich mit 67 Prozent relativ stark an diesen Wahlen beteiligt.

Das Wahlbündnis „Linksfront“ bestehend aus der „Parti de Gauche“ von Melenchon, der PCF, einigen ökologischen Parteien und anderen ist auf ganzer Linie zusammengebrochen. Es war nicht in der Lage, auf landesweiter oder regionaler Ebene eine tragfähige einheitliche Opposition zur Regierungspolitik zustande zu bringen. „Gauche Revolutionnaire“, die Schwesterorganisation der SLP und Sektion des CWI in Frankreich, hat sich beständig dafür eingesetzt, dass der einzige Weg, auf dem man die Rechte bezwingen und den Aufstieg des FN verhindern kann, darin besteht, eine Massen-Kampagne gegen die Austerität, Entlassungen und Rassismus zu starten. Der FN hat nicht nur der Linken sondern auch der „traditionellen“ Rechten die Kleider gestohlen und ist somit stärker geworden. Die Arbeiterbewegung muss zum „traditionellen“ Programm aus Kampf und Sozialismus in Frankreich zurückfinden und dieses neu beleben.