Über die Köpfe der Betroffenen hinweg

Wir werden nicht gefragt
Albert Kropf, Berufsschullehrer

Um wenig wird seit Jahrzehnten auf politischer Ebene so diskutiert wie Bildung. Obwohl die Probleme seit langem bekannt sind, sind notwendige Reformen ausgeblieben. Aber nicht nur das. Anstatt die Schulen und Bildung endlich an die gesellschaftlichen Bedürfnisse anzupassen, wird der Bildungsbereich kaputt gespart.

Ein Brennpunkt ist heute die Mehrsprachigkeit von immer mehr SchülerInnen. Statt das als Plus wahrzunehmen, zu fördern und die BegleitlehrerInnen in Klassen mit hohem Anteil von SchülerInnen mit Migrationshintergrund auszubauen sowie die SchülerInnenzahlen zu senken, passiert das Gegenteil. BegleitlehrerInnen wurden unter Schwarz/Blau/Orange weggekürzt und die Schule alleine gelassen. Mit allen negativen Folgen...

LehrerInnen sind an allem schuld

Einig sind sich alle, dass im Schulbereich dringend was getan werden muss. Spätestens seit den Plänen um zwei Stunden Mehrarbeit für LehrerInnen 2009 hat die Politik mit Hilfe der von ihr abhängigen Medien (Heute, Österreich, Krone etc.) den LehrerInnen die Schuld zugeschoben. Es gibt kaum Berufsgruppen mit geringerem öffentlichen Ansehen. Der größte Handlungsbedarf wird ganz bewusst bei den LehrerInnen gesucht, damit sich die Politik aus der Verantwortung stehlen kann. Umgesetzt wird das gerade mit den Verhandlungen für ein neues LehrerInnen-Dienstrecht.

Fixpunkt scheint die Verlängerung der Arbeitszeit, konkret einerseits als Erhöhung der Lehrverpflichtung und anderseits als „Reservoir“ für die Nachmittagsbetreuung im Zug des Etikettenschwindels Ganztagsschule. Geködert wird mit höherem Einstiegsgehalt und flacherer Gehaltsentwicklung – der Lebensverdienst soll aber niedriger sein als heute.

Teile und teile und teile – und herrsche

Das österreichische Schulsystem ist eines der am stärksten differenzierten in Europa. Diese Zerklüftung setzt sich bei den LehrerInnen fort. Jeder Schultyp hat nicht nur einen, sondern oft mehrere eigene LehrerInnen-Typen mit eigener Ausbildung die dann nur in „schmalen“ Bereichen einsetzbar sind. Einher gehen damit viele unterschiedliche Modelle der Lehrverpflichtungen und Bezahlung.

Es gibt daher auch von Seiten der LehrerInnen den Wunsch nach einer Vereinheitlichung bei Ausbildung, Entlohnung, Dienstrecht etc... Das „neue“ Dienstrecht wird das allerdings nicht einmal im Ansatz schaffen. Im Gegenteil, es zieht quer durch alle LehrerInnentypen eine neue Ebene der Spaltung ein.

Die Gewerkschaft hat mit den Verhandlungen über das neue Dienstrecht die Lösung der Bildungsmisere großteils auf dem Rücken der LehrerInnen akzeptiert. Wir LehrerInnen selbst werden nicht gefragt.

Die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung wird weiter ausgeblendet. Druck und Belastungen werden durch die kommenden Verschlechterungen und Einsparungen für alle LehrerInnen noch größer werden. Mit dem neuen Dienstrecht sollen auch die Voraussetzungen für gemeinsamen Widerstand gegen Angriffe weiter verschlechtert werden. Darum muss Widerstand jetzt und von unten organisiert werden!

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