Linksruck in Deutschland!

Klassenkämpfe, "Linke" Wahlerfolge und wachsende Kapitalismuskritik
Laura Rafetseder

Nach den Lokführern streikt nun der öffentliche Dienst für höhere Löhne: Eine 8%ige Lohnerhöhung. Im Unterschied zu den Defensivkämpfen der vergangenen Jahre geht es hier nun um offensive Kämpfe für eine Verbesserung der Lebensbedingungen - nicht zuletzt Ausdruck einer veränderten Stimmung in der ArbeiterInnenklasse. Die Mitte Februar begonnene Warnstreikwelle erreichte zuletzt einen neuen Höhepunkt Anfang März: Der Druck auf die Ver.di-Spitze ist so groß, dass Vorsitzender Bsirske sogar mit unbefristeten Streiks drohen musste.

Mogelpackung der ArbeitgeberInnen

Für Wut unter den 1,3 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst sorgt weiterhin das vorliegende Angebot der "ArbeitgeberInnen". Dieses beinhaltet - anders als vielfach berichtet - keine Einkommenserhöhung von fünf Prozent, sondern lediglich eine stufenweise Anhebung der Löhne und Gehälter um insgesamt vier Prozent in den kommenden zwei Jahren sowie eine Ausweitung der Leistungsbezahlung um ein Prozent. Im Gegenzug bestehen Bund und Kommunen allerdings auf einer unbezahlten Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden.

Solidarisierung

Die Bevölkerung solidarisiert sich: In München z.B. haben Eltern begonnen sich hinter die streikenden ErzieherInnen zu stellen. Sie haben einen Elternbrief verteilt und am 25. Februar 2008 kurzfristig einen ersten Elternabend organisiert, an dem eine Reihe von Eltern teilnahmen. Als erster Schritt wurde beschlossen, einen Protestbrief an Oberbürgermeister Ude zu schicken. Ab dem ersten Streiktag will man künftig die Bezahlung des Essensgelds verweigern. Die Eltern wollen nicht, dass Erzieherinnen Notgruppen aufrechterhalten müssen. Stattdessen soll eine alternative Kinderbetreuung organisiert werden, die der Stadt mit 10 Euro pro Stunde und Betreuungsperson in Rechnung gestellt werden soll. Außerdem wollen die Eltern das Büro von OB Ude besuchen und ihn auffordern, die Position von ver.di und GEW zu unterstützen. Es wird von ihm gefordert den Personalreferenten der Stadt München Thomas Böhle (Verhandlungsführer der kommunalen Arbeitgeberverbände) sofort zu entlassen.

Stimmung radikalisiert sich

Die radikalisierte Stimmung drückte sich auch aus, als Nokia die Schließung des Werks in Bochum und eine Standortverlagerung nach Rumänien ankündigte. 4.300 Jobs würden dabei verloren gehen, die Löhne in Rumänien sind zehnmal niedriger als in Deutschland. Das provozierte enormen Unmut unter der Bevölkerung, nur die Hälfte der Belegschaft ging am nächsten Tag zur Arbeit, ArbeiterInnen blockierten die Straße zum Werk um ihre Wut auszudrücken.

Die Linke drückt restliche Parteien nach links

Zu der militanteren Stimmung in den Gewerkschaften kommt der Einfluss der Linken auf die politische Situation in Deutschland. Die Schlagzeile von BILD einen Tag nach der Wahl in Hamburg drückte die Sorge der Herrschenden aus: "Macht Lafo Deutschland unregierbar"? Die Linke ist nicht nur ein politischer Faktor, sie zwingt auch die übrigen Parteien zu linkerer Rhetorik. Für alle Befürworter der kleineren Übel-Logik: Das Beispiel der Linken in Deutschland zeigt sehr deutlich, dass die Existenz einer politischen Alternative nicht der Rechten nützt, sondern Druck auf die etablierten Parteien ausübt.

Für oder gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen?

Die Führung der Linken in Berlin agiert allerdings gegen die Interessen der ArbeitnehmerInnen: Eine besondere Eskalation des Tarifkonflikts im Öffentlichen Dienst betreibt derweil der SPD-Linke-Senat in Berlin, wo die öffentlich Bediensteten seit dem im Jahr 2003 geschlossenen "Solidarpakt" gegenüber ihren KollegInnen in anderen Bundesländern deutlich schlechter gestellt sind. Hier versuchten Polizeibehörde und Innensenat am Dienstag, Angestellte bei der Polizei per "Notdienstverpflichtung" vom Streik abzuhalten (Die SAV ist schon in der Vergangenheit gegen die Politik der SPD-PDS Koalition in Berlin eingetreten und hat vor den Auswirkungen einer Fusion der WASG mit der PDS gewarnt). In Aachen dagegen, wo die SAV für die Linke mit Marc Treude einen Stadtrat stellt, brachte sie auf Initiative der SAV einen Antrag ein, der die Forderungen der Gewerkschaft in der Tarifrunde des Öffentlichen Dienst unterstützt. Die SAV tritt außerdem für einen bundesweiten Vollstreik im Öffentlichen Dienst ein, um die Lohnforderungen ohne Kompromisse umzusetzen.

Erscheint in Zeitungsausgabe: