Zivildiener schlagen zurück

Wolfgang Fischer und Pablo Hörtner

Die gesellschaftliche Anerkennung des Zivildienstes war schon während der letzten - SPÖ geführten - Regierungen nicht besonders hoch. Das hat wohl auch viel mit der mangelnden Akzeptanz seitens der Politiker für jene Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen und auf soziale Hilfe durch Zivildienstleistende (ZDL) angewiesen sind, zu tun.
Bereits unter der SPÖ-geführten Regierung erhielten ZDL eine um 35% geringere Grundvergütung als Präsenz-diener (derzeit: Zivis 2358.-, PD 3189.-). Die blau-schwarze Regierung setzt diese "Kahlschlag"-Politik in beschleunigtem Tempo fort: In Zukunft erhalten ZDL nur noch 43.- Essensgeld statt bisher 155.- pro Tag. Das sind im Monat 3.648.- Gesamteinkommen, statt zuvor 7.008.-. Der Zugang zur Wohnkostenbeihilfe sowie zu Alimenten für Kinder von unverheirateten ZDL wird weiter erschwert.

60 Stundenwoche

Die Auslastung der ZDL geht zum Teil bis an die Grenzen der Zumutbarkeit (max. 60 Arbeitsstunden/Woche). Die Motivation der ZDL, als "Putzfetzen der Nation" ihre Arbeit zu verrichten, wird einerseits durch die Einsparung im Einkommen, andererseits durch die Reduzierung der ZDL für diverse Hilfsorganisationen und dem damit verbundenen Mehraufwand an Arbeit abnehmen.
Diese Überlastung wirkt sich auch direkt auf die auf Hilfeleistungen Angewiesenen aus; der Stress auf beiden Seiten führt zu einem Neuaufflammen des sogenannten Generationenkonflikts, zu einer erhöhten "Attraktivität" des Bundesheeres und der Kriegstreiber allgemein, sowie zu "offenen Stellen" für Arbeitslose, die quasi zu Gratis-Zwangsarbeit verpflichtet werden sollen. Strasser dazu: "Da kann man Langzeitarbeitslose viel besser einsetzen." („Der Standard“ vom 19.04.2000)

Angriff auf Andersdenkende

Dies steht in direktem Zusammenhang mit dem Programm der blauschwarzen Regierung, das zu verstärkter sozialer Ausgrenzung und einem rechteren Klima im Land führt (Teile und herrsche!).
Die Kürzung von 1.500 ZD-Stellen für Juni und Oktober ist - neben der Streichung von Ermessensausgaben und billigen Posttarifen (betrifft Zeitungsversand, Fördergelder etc.) - existenzbedrohend für sämtliche Non-Profit-Organisationen (NPO), sowie für alte, kranke oder behinderte Menschen.
Die Einsparungen betreffen in erster Linie von der Regierung nicht gewollte mittellose und nicht gewinnbringende Organisationen, wie z.B. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (Haider im O-Ton: "Es wird die Zeit kommen, wo solche Historiker nicht mehr zeitgemäß sind!"), diverse Flüchtlingsbetreuungsstellen, Essen auf Rädern für Senioren, Betreuung behinderter Menschen (2.500 ZDL sind allein im Behindertenbereich tätig). Vor den Protesten hätten bei Caritas, Feuerwehr und Rotem Kreuz alle ZDL gestrichen werden sollen…
All diese Entwicklungen bedeuten drastische Leistungskürzungen. Stundenlanges Warten bei überteuerten (statt bisher kostenlosen) Krankentransporten sind nur eine Folge. Weiters erleichtert die Abschaffung von Flüchtlingsbetreuungs-stellen die Anwendung von staatlichen, rassistisch motivierten Repressionen (Schubhaft, Abschiebung etc.).
Aidshilfe, Homosexuellen- und Frauenstellen, "Dritte-Welt-Organisationen" und zahlreiche kleine Zeitschriften, sowie diverse Auslands- und Gedenkdienste sind ebenfalls betroffen. Zugleich erzeugt der Aufnahmestopp von ZDL eine noch größere Warteschleife. Momentan warten 17.000 auf ihren Zuweisungsbescheid, Tendenz stark steigend. Dies stellt einen massiven Eingriff in die Lebensplanung der jungen Menschen dar.

Nein zu den Regierungsplänen!

Die Sozialistische LinksPartei (SLP) hat schon den Umstand bekämpft, daß ZDL als Lückenbüßer im sozialen System mißbraucht werden. Der Staat setzt sie dort als billige Arbeitskraft ein, wo man nicht in der Lage war, durch entsprechende Ausbildung und Entlohnung qualifiziertes Personal zu finden. Die Regierungs-pläne verstärken die Ausbeutung der Zivis weiter. Warum bei Organisationen gekürzt wird, die dieser Regierung kritisch gegenüberstehen, liegt auf der Hand: Sie sollen vernichtet werden. Bei den reinen Sozialdiensten lautet hingegen das Motto "mehr privat - weniger Staat" - sprich der Staat stiehlt sich aus der Verantwortung und stellt weniger Geld - z.B. durch weniger Zivis - zur Verfügung. Dahinter stecken die Ideen der "Bürgergesellschaft" (so formulierte z.B. ÖVP Klubobmann Khol) - die soziale Dienste in Zukunft verstärkt von Hausfrauen und Arbeitslosen für ein symbolisches Taschengeld verrichten lassen wollen. Gleichzeitig verlängern sich dadurch die Wartezeiten für den Zivildienst - jungen Menschen, die wegen des Jobs nicht warten können, bleibt so nur mehr der Dienst mit der Waffe. Darüber hinaus werden Töne laut, Zivildienst und Milizheer gleich abzuschaffen - und dafür ein massiv aufgerüstetes Berufsheer einzuführen.

Schluß mit Ausbeutung der Zivis!

Wir treten gegen jede Kürzung bei NGOs und sozialen Einrichtungen ein. Der Staat hat die Verantwortung, eine ausreichende Finanzierung dieser Organisationen si-cherzustellen. Aber weder Präsenzdiener noch Zivis dürfen länger als Lückenbüßer mißbraucht werden: Volle demokratische und soziale Rechte für Präsenz- und ZDL. Wir fordern öS 13.000.- Mindestlohn netto bei sofortiger Einführung der 30-Stundenwoche statt ungeschützter Arbeitsverhältnisse und die zeitliche Anglei- chung von ZD und PD auf 8 Monate. Nur so kann der Einsatz von ZDL als Billigarbeitskräfte und Lohndrücker und die Spaltung von ZDL und PD verhindert werden. Notwendig wäre es, dass sich jene von den Regierungsmaßnahmen Betroffenen - NGOs, soziale Einrichtungen, ZDL und Langzeitsarbeitslose - gemeinsam organisieren und die Widerstandsbewegung gegen diese Regierung ausweiten. Ein gemeinsamer Aktionstag aller Betroffenen - vielleicht am Aktionstag des ÖGB, um dessen Führung unter Druck zu setzen - wäre ein richtiges Zeichen!

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