VdB: Stabilität für wen?

Christoph Glanninger

Am 9. Oktober stehen die Bundespräsidentschaftswahlen an. Bei den letzten Wahlen gab es eine massive Zuspitzung, bei der sich der FPÖ-Kandidat Hofer beinahe durchsetzen konnte. Obwohl die bevorstehende Wahl wahrscheinlich nicht vergleichbar knapp sein wird, findet sie in einer enorm turbulenten politischen Situation statt - mit der höchsten Teuerung seit Jahrzehnten und einer drohenden Energie- und Wirtschaftskrise.

Schon bei den letzten Wahlen präsentierte sich Van der Bellen (VdB) als Kandidat des Establishments mit Slogans wie “unser Präsident der Mitte”. Genauso handelte er auch während seiner Amtszeit als Garant für Stabilität für den Status Quo. Rund um das Ibiza-Video schaltete er sich zwar kurz in die Politik ein, um die schlimmsten Auswüchse der FPÖ loszuwerden. Aber als Sebastian Kurz und die staatstragendere ÖVP die Vorhaben im Ibiza Video Schritt für Schritt selbst umsetzten, blieb VdB still und verteidigte diese Untätigkeit in einem ersten Interview zu den Wahlen auch. Genauso ruhig blieb er, während die Corona-Politik im Interesse von Profiten Tausende unnötige Tote und eine konstante Überbelastung des Gesundheitssystem forderte. Und genauso untätig bleibt er jetzt in einer Situation, wo eine Rekordteuerung den Lebensstandard von Millionen Menschen bedroht. Das alles zeigt: die Stabilität, die VdB schützt, bedeutet nicht stabile Lebensstandards für die Mehrheit der Bevölkerung, sondern nur eine stabile Möglichkeit für Konzerne und Superreiche, Profite zu machen. Genau das ist auch die Funktion der Präsidentschaft: jegliche Bedrohung für das Establishment zu verhindern. Deshalb ist das Amt mit einer unglaublichen Machtfülle ausgestattet - Staatsoberhaupt, Oberbefehlshaber*in des Bundesheeres, kann den Nationalrat auflösen, die Bundesregierung entlassen und per Notverordnung regieren. Bis jetzt hat das zwar noch kein Präsident genützt, aber das kann sich schnell ändern, wenn eine Bewegung von unten zu einer Bedrohung für das Establishment wird. Deshalb fordern Sozialist*innen auch die Abschaffung des Amts und dieser wie auch anderer undemokratischer Strukturen. Wir stehen für echte Demokratie, in welcher nicht eine politische Elite, sondern die Arbeiter*innenklasse regiert und entscheidet.

FPÖ vs. VdB: gefährliche und falsche Polarisierung

Bei den bevorstehenden Wahlen droht eine gefährliche Polarisierung zwischen VdB und rechter Pseudoopposition. Allein die Anzahl der Protestkandidat*innen ist schon ein Zeichen für die tiefe politische Krise dieses Systems. Am gefährlichsten ist Walter Rosenkranz (FPÖ), der sich vor allem als Opposition gegen Teuerung und Sanktionen präsentiert. Natürlich ist die FPÖ keine echte Alternative: sie ist eine Partei der Reichen, die unterschiedliche Teile der Bevölkerung gegeneinander aufhetzt, um von den tatsächlichen Schuldigen in den Chefetagen der Banken und Konzernen abzulenken. Aber gerade wegen eines Mangels an Alternativen könnten viele Leute versuchen, ihre Opposition gegen die Untätigkeit der Bundesregierung mit einer Stimme für die Rechte auszudrücken. Die aktuelle interne Krise der FPÖ wird das maximal reduzieren, aber nicht verhindern. So eine Polarisierung zwischen Establishment und Rechten lenkt davon ab, wie wir tatsächlich Maßnahmen gegen die Teuerung erkämpfen können - durch Organisierung von unten, Proteste und Streiks.

Deshalb spielen diese Mobilisierungen auch so eine wichtige Rolle dabei, eine echte Protestalternative zur FPÖ aufzubauen und ihr dadurch das Wasser abzugraben. Aber dafür werden die symbolischen Mobilisierungen, die aktuell vom ÖGB geplant sind, nicht ausreichen - es braucht einen tatsächlichen Kampf um Verbesserungen. Die einzige Grundlage für eine echte politische Alternative zu Politik-Establishment, Rechtspopulismus und dem undemokratischen Präsidentschaftsamt ist eine Bewegung von unten.

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