So 10.07.2022
Bald könnten 9 Vertreter*innen der US-Elite (der Oberste Gerichtshof), ungewählt aber mächtig, die fast 50 Jahre alte Entscheidung “Roe gegen Wade” revidieren. Das wird eine Welle von Anti-Abtreibungsgesetzen in den Bundesstaaten lostreten, die Frauen Gesundheit und Leben kosten kann.
Das zeigt: 1) die Strukturen der bürgerlichen Demokratie sind undemokratisch, 2) Frauenrechte werden beseitigt, wenn sie den Interessen der Herrschenden im Weg stehen und 3) bei der Verteidigung unserer Rechte können wir uns nicht auf bürgerliche Parteien verlassen.
Wer sich auf die Demokraten verlässt, ist verloren
Die Demokraten nutzen die Bedrohung für die “Midterm” Wahlen im November. Ihre Aussage: “wählt uns, wir verteidigen das Abtreibungsrecht”. Doch genau das haben sie in den letzten 50 Jahren nicht getan. Selbst als Demokratische Präsidenten sichere Mehrheiten in Kongress bzw. Repräsentantenhaus hatten, haben sie Abtreibung nicht legal, sicher und kostenlos gemacht. Der Kampf für dieses Recht ist daher in den USA, aber auch international, zentral mit dem Kampf für starke Gewerkschaften und echte Arbeiter*innenparteien verbunden. Es ist offensichtlich, dass es nicht reicht, sich auf die Institutionen zu verlassen. In Irland, Argentinien und vielen anderen Ländern ist der Zugang zu Abtreibung durch Massenproteste von v.a. Frauen und hier von Frauen aus der Arbeiter*innenklasse erkämpft worden. Socialist Alternative, unsere Schwesterorganisation in den USA, zentral an den aktuellen Protesten beteiligt, verbindet diese mit den Forderungen nach einer allgemeinen Gesundheitsversorgung, nach Kinderbetreuung und Löhnen, von denen man leben kann. Am 13.5. organisierte Socialist Alternative Walk outs von Schüler*innen und Beschäftigten im Gesundheitsbereich und zeigt so, wie der Kampf gewonnen werden kann.
Fundis in der Offensive?
Nicht nur in den USA sehen wir ein Zusammenspiel etablierter politischer Parteien mit religiösem Fundamentalismus. Trump & Co. ist das Thema Abtreibung eher egal, aber er spitzt auf die Stimmen der christlichen Rechten. In China steigt die Repression gegen Feminst*innen und alle ihre Ideen, Abtreibung inklusive. Denn im internationalen Wettbewerb fehlen China bei sinkenden Geburtenraten die Arbeitskräfte. Mehr Kinder, mehr Arbeitskräfte, mehr Soldat*innen - meist ist die Argumentation nicht so plump, es wird über den “Wert der Familie” gesprochen, “das Leben” und “unsere Traditionen”.
All das kennen wir auch in Österreich, wo seit langem gegen die Fristenlösung mobil gemacht wird. Vorne dabei die extreme Rechte (die von “Umvolkung” schwafelt) und die katholische Kirche (die bis zum Hals im Blut des Kolonialismus steckt), unterstützt von FPÖ, ÖVP & Co. Wenn sie sich stark genug fühlen, werden sie in die Offensive gehen. Denn auch hierzulande ist Abtreibung nicht legal, sondern nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Ein Abbruch ist teuer und in vielen Teilen Österreichs nicht zu bekommen. Weder SPÖ noch Grün haben daran etwas geändert. Auch hier zeigt sich: Im Kampf für Frauenrechte, egal ob soziale oder wenn es um unsere Körper geht, können wir uns nicht auf die etablierten Parteien verlassen. Dieser Kampf gehört zu jenem, den das Personal im Spital um die Ausfinanzierung des Gesundheitswesens führt. Und zu jenem, den Lehrer*innen und Kindergartenbeschäftigte für mehr Ressourcen für die Bildung führen. Und v.a. zu jenem, in dem es darum geht, dass endlich die Betroffenen selbst entscheiden können. Wenn wir uns gegen die Bevormundung von Schwangeren stellen, stellen wir uns gegen die Bevormundung von Arbeiter*innen auch im Betrieb. Abtreibung ist kein “Frauenthema”, sondern ein Recht, das die Arbeiter*innenbewegung verteidigen bzw. erkämpfen muss.
Zahlen und Fakten
Jährlich werden weltweit geschätzte 40 Millionen oder mehr Schwangerschaften abgebrochen, mehr als die Hälfte davon unter unsicheren Bedingungen. Etwa alle 7 Minuten stirbt irgendwo auf der Welt eine Frau an den Folgen einer illegalen bzw. gepfuschten Abtreibung. Abtreibungen finden statt, egal ob legal oder illegal. Die Mehrheit der Frauen, die einen Abbruch haben, haben bereits Kinder. Klar ist auch: Wo es leichten und kostenlosen Zugang zu Aufklärung, Verhütung, aber auch Abtreibung gibt, ist die Abbruchrate niedriger. Neben dem Recht, einfach kein Kind zu wollen, hat ein Großteil der Abtreibungen soziale Gründe - sogar die Geburtenrate ist in Ländern mit Fristenlösung höher als in jenen mit restriktiven Gesetzen. Neben kostenloser Abtreibung und Verhütung brauchen wir daher ein Sozialsystem, das Kinder haben möglich macht.