Tiefe Regierungskrise: Zerbricht (schon wieder) eine Regierung?

Klassenkämpfe sind der einzige Weg zu einer politischen Alternative
SLP-Bundesleitung

Diese Stellungnahme kann innerhalb von Stunden oder Tagen bereits in Teilen überholt sein. Aktuell überstürzen sich die Ereignisse und es ist offen, wie lange die Regierung noch hält. Kurz ging vor einigen Wochen, nun folgte eine Reihe “seiner” Minister. Weitere könnten folgen. Doch es ist mehr als eine Krise des “System Kurz” - es ist Ausdruck einer viel tieferen politischen Krise. Eine Lösung liegt daher auch nicht in einer Regierungsumbildung oder schlicht einer anderen Koalition. Nichts davon wird das Corona-Chaos, den Pflegenotstand, die Klimakrise oder wachsende soziale Probleme, wie Arbeitslosigkeit und Gewalt an Frauen, lösen. Die einzige Möglichkeit eine Alternative zu etablierten Parteien, Corona-Chaos und Rechten aufzubauen sind die Proteste und Streiks von Kolleg*innen in der Pflege, den Kindergärten, dem Handel. Aber auch die Klimabewegung sowie die Proteste gegen Gewalt an Frauen und gegen Rassismus. 

Kurz war nur Ausdruck des Problems, nicht das Problem selbst

Kurz war ein selbstverliebter Machtmensch, er hat ein Netzwerk um sich gebaut und kontrolliert. Er war - wie wohl die meisten Politiker*innen, insbesondere jene die an den Futtertrögen sitzen - Teil eines korrupten Systems von Wirtschaft und Medien. Für einige Jahre war er der Darling der konservativen Parteien weil es schien, als ob er deren Krise mit einem neuen “frischen” Auftritt überwinden könne. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass Kurz nichts “Neues” repräsentiert und dass die Bundesregierung alles andere als stabil ist. 

Als Kurz in Folge der Inseratenaffäre zurücktrat frohlockten viele, dass nun das “System Kurz” vorüber sei. In der ÖVP gab es eine kurze Wartezeit in der abgetestet wurde, wie stark seine Hausmacht noch ist. Rasch stellte sich heraus: Die “alte, schwarze” ÖVP war noch da, die Vertreter*innen der Bundesländer und der Bünde, die sich während des Aufstiegs von Kurz zurückgenommen hatten, drängten wieder nach vorne. Nur wenige Wochen hat es gedauert bis sie Kurz wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen haben. Ob Blümel, Schallenberg & Co. gehen weil sie wissen, dass im Zuge der Ermittlungen noch größere Skandale aufgedeckt werden können oder weil ihnen einfach die Basis in der ÖVP abhanden kommt ist offen. Klar ist aber: es ist mehr als nur weil ihr “Freund schlecht behandelt wird”. Wer glaubt, dass damit das “System Kurz” weg wäre, übersieht dass erstens seine Clique nach wie vor in Machtpositionen ist und zweitens es Korruption und Freunderlwirtschaft sowie autoritäre Tendenzen auch schon vor Kurz gab. Und wird es auch nach ihm geben. Wer dieses System beseitigen will muss unter anderem folgendes umsetzen:

  • Volle Offenlegung aller Einkommen und Vermögen von Politiker*innen. Nur wenn wir wissen wer zahlt, wissen wir, wer anschafft.
  • Schluss mit der Geheimnistuerei von Firmen: Volle Einsicht in die Unterlagen um zu sehen, welche Verbindungen es zwischen Wirtschaft und Politik gibt. Dann wird rasch klar, wer hinter den Gesetzesvorlagen steckt - und wo das Geld für nötige Lohnerhöhungen und Soziales ist.
  • Politiker*innen dürfen nicht mehr als ein Durchschnittseinkommen verdienen: Nur dann können sie verstehen, welche Auswirkungen ihre Maßnahmen haben.
  • Politiker*innen müssen gerade stehen, für das was sie tun. Schluss mit Geheimverhandlungen, die Wähler*innen haben ein Recht zu erfahren, was “ihre Vertreter*innen” fordern bzw. zustimmen. Und es muss auch möglich sein, Politiker*innen wieder abzuwählen!

Weg mit dieser Regierung!

Es ist nicht die Pandemie und deren notwendige Bekämpfung sondern die Angst vor Machtverlust, die die Koalitionspartner (noch) zusammenschweißt. Die ÖVP braucht eine Atempause um sich vor den Neuwahlen, die 2022 sehr wahrscheinlich sind, neu aufzustellen. Nehammer wird versuchen sich von Kurz & Co. zu distanzieren und neu zu positionieren. Das haben die Grünen genutzt um den Lobau-Tunnel zu kippen. Nach der Steuerreform, die ein Schlag ins Gesicht der Klimabewegung war, brauchten die Grünen irgendetwas um sich als “Klimapartei” zu präsentieren. Hier wird schon für die kommenden Wahlen vorgearbeitet - und gleichzeitig ein Konfliktfeld sowohl mit der ÖVP (Nehammers ÖVP-Niederösterreich will den Tunnel) als auch der SPÖ (die Wiener Stadtregierung will ihn ebenfalls) geschaffen.

Die Suche nach der Stabilität

Die zentrale Aufgabe jeder Regierung ist “Stabilität”. Gemeint ist hier nicht die soziale Stabilität in Form von ordentlichen Löhnen, ausreichend Personal etc sondern eine Regierung, die die für die Kapitalist*innen nötigen Maßnahmen setzen und durchsetzen kann. Der “Aufschwung” nach der tiefen durch Corona ausgelösten Krise hat den Höhepunkt schon wieder überschritten. Probleme mit Lieferengpässen, Inflation und neuen Mutationen versetzen die herrschende Klasse in Panik. Die 180-Grad-Wende von “die Pandemie ist vorbei” zur “Impfpflicht” ist Ausdruck davon. Gerade weil die österreichische Wirtschaft so abhängig von internationalen Entwicklungen ist und versuchen muss, den Anschluss nicht zu verlieren braucht das heimische Kapital eine hohe Durchimpfung in der Hoffnung, so weitere Lockdowns zu verhindern. 

Für die herrschende Klasse ist es nicht der Rassismus der FPÖ oder ihre Zusammenarbeit mit den neofaschistischen Identitären sondern die Tatsache, dass sie ein Hindernis auf dem Weg zu dieser Durchimpfung sind, was sie als Regierungs-Option aktuell sehr unwahrscheinlich macht. ÖVP und Grüne setzen aktuell auf einen harten Impf-Kurs - und geraten damit auch in Konflikt zu ihrer eigenen Wähler*innenbasis da Untersuchungen zeigen, dass die Teilnehmer*innen an den Demonstrationen gegen die Maßnahmen bei der letzten Wahl FPÖ, ÖVP oder Grün gewählt haben. Nehammer als Leutnant des Bundesheeres steht nicht nur verbal für einen “zackigen” Kurs sondern schließt an einige andere Militärs an, die in anderen Ländern zur Umsetzung der Corona-Maßnahmen herangezogen werden. Das bedeutet nicht die Errichtung eines Militärstaates, ist aber Ausdruck einer Zunahme autoritärer Tendenzen sowie bonapartistischer Elemente die aus Sicht des Kapitals notwendig sind zur Durchsetzung ihrer Politik.

Rot - Grün - Pink?

Doch auch mit SPÖ und/oder Neos sind Schritte zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft (Corona-Maßnahmen inklusive) absolut möglich. Welche Regierungskombination also nach Neuwahlen kommt ist offen - die verschiedenen Optionen sind, mit Ausnahme einer Beteiligung der FPÖ, nicht fundamental unterschiedlich.

Eine Fortsetzung dieser Regierung ist aus Sicht von Arbeiter*innen und Jugendlichen nicht wünschenswert (Stichworte: Corona-Chaos, Sozialabbau, Pflegenotstand, Abschiebungen etc). Die Gewerkschaftsführung macht einen großen Fehler, wenn sie sich hinter die Regierung und ihre Maßnahmen setzt. Dieser “nationale Schulterschluss” geht zu Lasten der Arbeiter*innenklasse und der Jugendlichen. Sozialist*innen und Gewerkschafter*innen dürfen nicht aus Angst vor der FPÖ oder aus “Alternativlosigkeit” einer Regierung die Stange halten, die die Interessen des Kapitals vertritt.

Genausowenig aber wird eine andere Regierungskonstellation eine wesentlich andere Politik machen - wer glaubt, dass ein*e SPÖ-Kanzler*in oder eine Ampelkoalition eine entscheidende Verbesserung oder eine Bastion gegen die extreme Rechte wäre, irrt gewaltig! 

  • Weg mit dieser Regierung! Nein zum nationalen Schulterschluss!
  • Für kämpferische Gewerkschaften die einerseits kompromisslos für die Rechte der Beschäftigten eintreten und die nötigen Proteste und auch Arbeitskämpfe organisieren um echte Lohnerhöhungen und echte Verbesserungen zu erkämpfen! Und die andererseits eine Impfkampagne von unten in Betrieben und Nachbarschaften aufbauen.

Klassenkampf als Weg zur politischen Alternative 

Corona hat die Unfähigkeit des herrschende Systems und seiner Politiker*innen überdeutlich gezeigt. Das Gesundheitswesen wurde nicht ausgebaut. Nichts in die Schulen investiert. Die Corona-Politik ist mehr als mangelhaft. Während Milliarden an Hoteliers, Skiliftbetreiber*innen und Großindustrie gezahlt werden decken die Abschlüsse bei den Kollektivvertragsverhandlungen - im privaten wie im öffentlichen Bereich - nicht einmal die Inflation ab. Der heurige Winter wird kalt und angesichts der steigenden Energiepreise teuer werden. Corona hat auch gezeigt, wer die Wirtschaft und Gesellschaft am Laufen hält: Die Pflegekräfte, Lehrer*innen, die Kolleg*innen im Handel und Transportwesen. Hier ist Bewusstsein über die Wichtigkeit der eigenen Arbeit entstanden, Selbstbewusstsein und auch Wut über die Verlogenheit der Politik die über die Köpfe der Betroffenen hinweg befiehlt. 

Wir verstehen absolut wenn Menschen der Pharmaindustrie und der Politik misstrauen. Wir sind überzeugt, dass Schutz vor Corona und Impfungen sinnvoll und notwendig sind - nicht weil sondern obwohl die Regierung das “auch” will. Mehr dazu in unserer Stellungnahme: https://www.slp.at/artikel/die-regierung-kann-weder-corona-noch-den-aufstieg-von-rechts-bek%C3%A4mpfen-10646

Eine politische Alternative zu diesem System wird nicht aus den Reihen der etablierten Parteien kommen sondern vor allem aus den Protesten und Kämpfen der Kindergärtner*innen, des Pflegepersonals, der Metaller*innen, Beschäftigten im Sozialbereich und der Lehrer*innen etc. Aber auch der Klimabewegung, den Protesten gegen Femiziden und gegen Rassismus. Die Organisierungen die es hier gibt, Vernetzungen von Beschäftigten, Basisgruppen, kämpferischen Betriebsrät*innen und Betriebsgruppen, Gewerkschafter*innen und Organisationen von Beschäftigten - sie alle können die Grundlage für eine so dringend nötige politische Alternative bilden. Schon längst brauchen Arbeiter*innen und Jugendliche eine eigene Partei. Das Potential für eine wirklich neue politische Kraft mit sozialistischen Ideen und einer (klassen)kämpferischen Politik ist groß. Diese Potential braucht eine organisierte Form - um bei kommenden Wahlen am Stimmzettel vertreten zu sein aber vor allem um die Kämpfe die es gibt und die es geben wird zusammen zu führen, zu organisieren und ihnen zu helfen, erfolgreich zu sein. Wir brauchen eine sozialistische Alternative - zu dieser Regierung aber v.a auch zu diesem System für das sie steht!

  • Für eine österreichweite Konferenz von Betriebsrät*innen, Gewerkschafter*innen, Basisaktivist*innen und Initiativen aus der Klimabewegung, des Kampfes gegen Gewalt an Frauen und dem Sozialbereich, Basisstrukturen, Gewerkschafter*innen um gemeinsam zu beraten und zu planen was nötig ist angesichts von Corona- und Klimakrise und der drohenden nächsten Wirtschaftskrise.
  • Für einen österreichweiten Protest- und Streiktag als nächsten Schritt um Milliarden für Gesundheit, Soziales, Bildung, Klima und ordentliche Löhne zu erkämpfen!
  • Wir können unsere Zukunft nicht mehr diesen Politiker*innen überlassen - wir brauchen eine neue Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche!
  • Schluss mit dem kapitalistischen Chaos, organisieren wir Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch auf Basis der Bedürfnisse der Menschen, nicht von Profiten.
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