Do 12.02.2015
In der türkischen Metallindustrie gab es Tarifverhandlungen zwischen dem Arbeitgeberverband MESS und den drei Metallarbeitergewerkschaften Birleşik Metal-Iş, Turk Metal und Celik-Iş.
Obwohl MESS nur ein sehr schwaches Angebot vorlegte, einigten sich die „gelben“ (arbeitgeberfreundlichen) Gewerkschaften Turk Metal und Celik-Iş mit MESS auf einen Tarifvertrag. MESS will die Laufzeit von Tarifverträgen von zwei auf drei Jahre verlängern und Lohnerhöhungen nur unterhalb des Inflationsausgleichs durchführen. Birleşik Metal-Iş (Teil von DISK, der „Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften der Türkei“) konnte keine Einigung mit MESS erreichen und entschied sich dazu, in den Streik zu treten. Es wurde geplant, die erste Streikwelle am 29. Januar in 22 Fabriken zu beginnen.
Die Arbeitgeber hatten verlangt, dass in allen bestreikten Fabriken Urabstimmungen stattfinden. In den 22 Fabriken stimmten durchschnittlich 85 Prozent für den Streik, und das obwohl auch unorganisierte ArbeiterInnen und Büroangestellte an den Abstimmungen teilnahmen. Aus Angst vor einem gut organisierten Streik trat das Management von drei Fabriken aus dem Arbeitgeberverband MESS aus und vereinbarte mit Birleşik Metal-Iş Sonderregelungen.
Streik verboten
Am 30. Januar verfügte die türkische Regierung per Dekret eine „Aussetzung“ des Streiks, den Birleşik Metal-Iş am Vortag in 19 Fabriken begonnen hatte. (Insgesamt wollten in zwei Streikwellen 15.000 MetallarbeiterInnen in den Streik treten; am 29. Januar legte die erste Hälfte von ihnen die Arbeit nieder. Das Regierungsdekret betrifft auch die 18 Fabriken, in denen der Streik am 19. Februar beginnen sollte.)
Das türkische Gesetz über Gewerkschaften und Tarifverträge enthält eine Regelung, die besagt, dass „rechtmäßige Streiks und Aussperrungen vom Ministerrat per Dekret für 60 Tage ausgesetzt werden können, wenn sie der öffentlichen Gesundheitsversorgung oder der nationalen Sicherheit schaden. Das Verbot tritt am Tag der Veröffentlichung des Dekrets in Kraft.“
Das Regierungsdekret, das von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Premierminister Ahmet Davutoğlu und dem gesamten Kabinett unterzeichnet wurde, bezeichnet den Streik der MetallarbeiterInnen als „schädlich für die nationale Sicherheit“. Das ist offenkundig ein haltloser Vorwand der Regierung, um im Auftrag der Bosse durchzugreifen, die Angst davor haben, dass dieser Streik die ganze Industrie zum Stillstand bringt.
Das Gesetz besagt außerdem, dass „wenn vor Ablauf der Verbotszeit keine Einigung erzielt werden kann, das oberste Schiedsgericht auf Antrag einer Konfliktpartei binnen sechs Werktagen eine Schlichtung herbeiführt. Andernfalls erlischt die Zuständigkeit der Gewerkschaft.“
Das zeigt deutlich, dass das sogenannte „Aussetzen“ in Wirklichkeit ein Verbot darstellt, da es keine Möglichkeit gibt, den Streik nach Ablauf der 60 Tage fortzusetzen. Birleşik Metal-Iş wird sicherlich den Staatsrat ersuchen, das Verbotsdekret zu annullieren oder sein Inkrafttreten aufzuschieben, um den Streik fortsetzen zu können. Allerdings wurden damit 2014 in der Glasindustrie schlechte Erfahrungen gemacht, als der Staatsrat im Sinne der Regierung entschied.
Diese Lektion haben die ArbeiterInnen nicht vergessen. In der Tat haben sich die ArbeiterInnen in 16 der 19 Fabriken geweigert, das Verbotsdekret der Regierung anzuerkennen, indem sie erklärt haben, es zu ignorieren und den Streik fortzuführen. Drei dieser Fabriken wurden von den ArbeiterInnen besetzt. Birleşik Metal-Iş erklärte, dass die streikenden MetallarbeiterInnen nicht vor Montag die Arbeit wieder aufnehmen würden.
Am Montag, 2. Februar, wurde die Besetzung der drei Fabriken beendet und in den 16 Fabriken gingen die ArbeiterInnen wieder an ihre Arbeitsplätze. Der Schichtbetrieb wurde zwar wieder regulär aufgenommen, aber die ArbeiterInnen haben ihren Kampf in den Fabriken fortgesetzt: Sie leisten passiven Widerstand und haben nicht eine Maschine wieder eingeschaltet. Die Gewerkschaftsverbände DISK und KESK (öffentlicher Dienst) haben Montag und Dienstag letzter Woche in den meisten türkischen Städten Protestmärsche zu den Parteibüros der regierenden AKP veranstaltet.
Das Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI, internationale Organisation, der auch die SLP angehört) und seine UnterstützerInnen in der Türkei, Sosyalist Alternatif, erklären ihre volle Unterstützung und Solidarität mit dem Kampf der MetallarbeiterInnen für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen und gegen den schändlichen und undemokratischen Angriff auf das grundlegende Recht, zu streiken. Wir rufen international alle GewerkschafterInnen und SozialistInnen dazu auf, Solidaritätsbotschaften an die Gewerkschaft Birleşik Metal-Iş (kivanceliacik@disk.org.tr, Kopien an sosyalist.alternatif@gmail.com) zu senden