Mi 26.05.2021
Am Montag, den 31. Mai, werden 'Long Hair' Leung Kwok-hung und 46 weitere Angeklagte wegen "Anstiftung zur Subversion gegen die Staatsmacht" vor Gericht stehen. Dies ist die zweite Vernehmung im bisher größten Prozess unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz, das letztes Jahr von Xi Jinpings KPCh-Diktatur eingeführt wurde. Wird er für schuldig befunden, drohen ihm bis zu lebenslange Haft.
Die erste Vernehmung in diesem Fall, der am 1. März begann, stellte eine düstere Warnung dar, wie das neue Gesetz zur Unterdrückung politischer Abweichung eingesetzt werden wird. Sechsunddreißig der 47 Angeklagten, darunter auch "Long Hair", wurde die Kaution verweigert und sie wurden in Gewahrsam genommen, während die Polizei ihre "Ermittlungen" fortsetzte. Bisher wurde in Hongkong normalerweise Kaution gewährt, außer in sehr schweren Fällen wie Mordprozessen, nach dem Prinzip, dass der Angeklagte unschuldig ist, bis seine Schuld bewiesen ist. Die Anhörung im März zog sich über vier Tage hin, wobei den Angeklagten die Möglichkeit verweigert wurde, zu duschen oder sich umzuziehen. Zehn der Angeklagten fielen in Ohnmacht und vier wurden ins Krankenhaus gebracht, darunter "Long Hair", der an einem Herzleiden leidet.
Mit diesem Subversionsprozess hat das chinesische Regime fast die gesamte Riege der Oppositionsführer*innen und der vorgeschlagenen Kandidat*innen aus dem gesamten regierungskritischen Spektrum ausgeschaltet, darunter Gewerkschafter*innen, pro-westliche Liberale und rechte Lokalist*innen (eine antichinesisch-nationalistische Bewegung in Hongkong). Unter ihnen sind ehemalige Abgeordnete wie "Long Hair", der fünfmal in den nun entmachteten Legislativrat (Legco, Hongkonger Scheinparlament) gewählt wurde. Xis Regime hat ein neues politisches System eingeführt, nach dem vier Fünftel der Sitze im Legislativrat von einem von der KPCh kontrollierten Komitee oder von Wirtschaftsgruppen vergeben werden, und alle Kandidat*innen zunächst von der Geheimpolizei überprüft werden, um sicherzustellen, dass nur "Patrioten" kandidieren können. Die Definition von "Patrioten" ist jene, die sklavisch Xis Regime gehorchen und niemals seine repressive Politik kritisieren.
Der Vorwurf der Subversion gegen die 47 Angeklagten basiert auf ihrer Teilnahme an einer inoffiziellen "Vorwahl" im Juli 2020 nur wenige Wochen, nachdem das Gesetz zur nationalen Sicherheit verhängt wurde. Mehr als 610.000 Wähler*innen, eine unglaublich hohe Wahlbeteiligung, gaben ihre Stimmen in dieser "Vorwahl" ab, um zu entscheiden, welche pro-demokratischen Kandidat*innen bei den (später abgesagten) Legco-Wahlen im September 2020 antreten sollten. Die KPCh behauptet, die "Vorwahl" sei eine Verschwörung zum Sturz der Hongkonger Regierung gewesen.
Sowohl Gewinner*innen als auch Verlierer*innen werden wegen Subversion angeklagt. 'Long Hair' hat seinen Vorwahlkampf nicht gewonnen und wäre somit nach dem Ergebnis vom Juli kein Kandidat gewesen. Die Tatsache, dass ein Kämpfer mit einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz im Kampf ausgeschaltet wurde, zeigt das widersprüchliche - sogar chaotische - politische Bewusstsein der Hongkonger Demokratiebewegung. Die Massenproteste des Jahres 2019 erreichten unglaubliche Höhepunkte mit bis zu zwei Millionen Menschen auf den Straßen. Sie zeigten eine enorme Kreativität und Tapferkeit gegen riesige Risiken.
Lehren aus 2019
Die Jugend, die die treibende Kraft der Kämpfe war, lehnte die kompromissbereiten pan-demokratischen Politiker*innen, die zuvor die Oppositionspolitik dominierten, aber zunehmend als "zu weich" und als Bremse des Kampfes angesehen wurden, weitgehend ab - eine richtige Einschätzung. Unglücklicherweise führte die Konzentration der Bewegung auf militante "Aktion" unter Ausschluss von Politik und ihr Glaube an "Spontanität" auf Kosten des Aufbaus organisierter Massenstrukturen (demokratischer Komitees, Gewerkschaften, Streikkomitees und einer politische Partei der Arbeiter*innenklasse) zum Aufstieg vieler "neuer", aber politisch sehr begrenzter und diffuser Figuren und Gruppierungen (die zwar radikal klingen, aber keine Strategie oder Vorstellung davon haben, was zum Sieg nötig ist).
Zur letzteren gehörten auch Gruppen, deren einzige "Strategie" vor allem in den späteren Phasen, als die Bewegung sich erschöpfte, darin bestand, ihre Hoffnungen auf (eigentlich oberflächliche) Sanktionen der USA und der rechten westlichen Regierungen zu setzen. Statt eines effektiven Weges nach vorne stellt dies eine völlige Sackgasse und ein gefährliches Missverständnis dessen dar, worum es bei ausländischen kapitalistischen Regierungen wirklich geht.
Solidarität gegen Repression in China und Hongkong und Internationale Socialist Alternative rufen unsere Genoss*innen und Sympathisant*innen auf, aus Anlass des Prozesses am 31. Mai mit Solidaritätsprotesten in Städten und Gemeinden auf der ganzen Welt auf die Straße zu gehen. In Großstädten wären Proteste vor den Botschaften oder Konsulaten Chinas eine geeignete Option, aber auch die Büros der Anglo-Hongkonger Megabank HSBC könnten in einigen Ländern in kleineren Städten und Ortschaften ein guter Schwerpunkt für Proteste sein (die HSBC-Bosse sind mitschuldig an der Einführung des Gesetzes zur nationalen Sicherheit - der Asien-Pazifik-Chef von HSBC, Peter Wong Tung-shun, ist Mitglied der CPPCC der Diktatur und hat sich für das Gesetz eingesetzt).
Wir fordern die Abschaffung des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong und die Freilassung der politischen Gefangenen. Wir betonen die Notwendigkeit, den revolutionären Massenkampf gegen die Diktatur wiederaufzubauen und den Kampf auf China auszuweiten und dies mit dem Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus zu verbinden, der überall die demokratischen Rechte bedroht.
Wir dokumentieren hier den Text eines neuen Flugblattes von Solidarität gegen Repression in China und Hongkong:
Stoppt die Repression in China und Hongkong
Für Solidarität von unten und Internationalismus - Kein Vertrauen in Politiker*innen und Regierungen des Big Business
In Hongkong wurden seit Ausbruch der Massenproteste gegen die Regierung im Jahr 2019 10.200 Menschen verhaftet. Über 600 wurden bisher wegen politischer Vergehen wie "Aufruhr" und "ungesetzliche Versammlung" verurteilt, viele erhielten extrem hohe Haftstrafen von fünf Jahren oder mehr. Die chinesische Diktatur (KPCh) bezeichnet die Demonstrant*innen als "Terroristen" und "ausländische Agenten" und hat ein neues Nationales Sicherheitsgesetz erlassen, um die Demokratiebewegung zu zerschlagen. Nach diesem Gesetz beträgt die Höchststrafe lebenslange Haft.
Hongkong war einst der einzige Teil Chinas mit einigen begrenzten demokratischen Rechten. Seit dem Erlass des nationalen Sicherheitsgesetzes ist die Stadt de facto zu einem Polizeistaat geworden. Chinas Diktator Xi Jinping will den "Virus" der Demokratie ausrotten, von dem er befürchtet, dass er sich von Hongkong auf das Festland ausbreitet, aber er will auch Härte gegenüber den USA und den westlichen Regierungen in ihrem sich verschärfenden Konflikt des Kalten Krieges zeigen.
Unterdrückung in Hongkong
Leung Kwok-hung alias Long Hair ist in Hongkong wegen "Subversion" angeklagt.
Über 100 Aktivist*innen wurden bisher wegen schwerer Vergehen unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz angeklagt. Die Meinungsfreiheit wird unter diesem Gesetz massiv unterdrückt. Der Slogan "Beendet die Einparteienherrschaft", der seit vielen Jahren eine Hauptforderung der Demokratiebewegung und der millionenstarken Märsche ist, wird nun als Subversion eingestuft - bestraft mit lebenslanger Haft.
Der 4. Juni, der Jahrestag des Massakers von 1989 am Platz des Himmlischen Friedens, als Hunderte von der Armee abgeschlachtet wurden, ist in China ein verbotenes Thema. Der 4. Juni wurde bisher nur in Hongkong begangen, wo 2019 180.000 Menschen an der Mahnwache teilnahmen. 2021 ist die Mahnwache in Hongkong zum zweiten Mal in Folge verboten worden.
Die Gewerkschaften in Hongkong sind Zielscheibe der chinesischen Repressionen. Die 3.000 Mitglieder zählende Gewerkschaft für neue Beamte wurde im Januar aufgelöst. Zwei Gewerkschaftsführer*innen, Carol Ng Man-yee von der HKCTU und Winnie Yu Wai-ming von der HAEA, wurden wegen Subversion angeklagt. Ng ist als Gewerkschaftsvorsitzende zurückgetreten und hat ihre Verbindungen zur Arbeiterpartei abgebrochen, um ihre Strafe zu verringern. Mehrere andere Angeklagte haben ebenfalls alle ihre politischen Verbindungen gekappt.
Der altgediente Linke und Demokratieaktivist Leung Kwok-hung, genannt "Long Hair", ist unter denjenigen, die unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz angeklagt sind. Er wurde bereits zu 18 Monaten Gefängnis wegen "ungesetzlicher Versammlung" nach einem Gesetz aus der britischen Kolonialzeit verurteilt - eine Erinnerung daran, dass Chinas Regierung kein Monopol auf repressive Gesetze hat.
Repression in China
Die Situation in China ist noch schlimmer. Gewerkschaften sind illegal, abgesehen von einer staatlichen Pseudo-Gewerkschaft, dem ACFTU, der nie (nicht ein einziges Mal) einen Arbeiter*innenstreik unterstützt hat. Arbeiter*innen werden oft ins Gefängnis geworfen, wenn sie streiken oder protestieren, besonders wenn sie versuchen, sich zu organisieren. Anführer*innen werden beschuldigt, "von ausländischen Kräften manipuliert" zu sein. Feminist*innen werden auch als "unpatriotisch" und "von ausländischen Ideen korrumpiert" angegriffen.
Im Jahr 2018 wurden im berühmten Jasic-Kampf Dutzende von linken Jugendlichen und selbsternannten Maoist*innen inhaftiert und gefoltert, weil sie Solidarität mit streikenden Fabrikarbeiter*innen organisiert hatten. Eine Diktatur, die fälschlicherweise behauptet, "kommunistisch" zu sein, attackiert und inhaftiert also tatsächliche Kommunist*innen und Arbeiter*innen, nicht nur liberale Politiker*innen und Demokratieaktivist*innen wie in Hongkong.
In Xinjiang, der Heimat von 12 Millionen uigurischen Muslim*innen, finden im Namen der Bekämpfung des "Terrorismus" grausame Repressionen statt. Die chinesische Diktatur unterstützte den "Krieg gegen den Terror" des Westens nach 2001 und nutzte dies, um ihr eigenes Vorgehen gegen die muslimische Minderheit zu erleichtern und ihre Kontrolle über das ressourcenreiche Xinjiang zu festigen. Die Uigur*innen werden mit diskriminierenden rassistischen Gesetzen und einem massiven High-Tech-Überwachungssystem einschließlich Masseninternierungslagern regiert. Xis Regime leugnete zunächst die Existenz der Lager, änderte dann aber seine Haltung, als die Beweise unbestreitbar wurden - und nannte sie "Berufsschulen"!
In den Städten Xinjiangs gibt es überall Kontrollpunkte – Muslim*innen müssen Schlange stehen, um durchsucht zu werden, nicht aber Han-Chines*innen.
Solidarität gegen Repression in China und Hongkong (SARCHK) ist eine internationale Kampagne, die von der International Socialist Alternative (ISA) und unseren Genoss*innen in China, Hongkong und Taiwan ins Leben gerufen wurde. Wir haben eine Erfolgsbilanz im Kampf für demokratische Rechte und zur Unterstützung von Arbeitskämpfen.
SARCHK entlarvt die wahre Rolle der chinesischen Diktatur, die von Milliardär*innen dominiert wird - China hat jetzt mehr Milliardär*innen als die USA - und eine der schlechtesten Bilanzen der Welt in Bezug auf die Rechte der Arbeiter*innen hat. Wir entlarven auch die Heuchelei der Anti-China-Rhetorik westlicher Regierungen, die oft benutzt wird, um Rassismus zu schüren, um Spaltung zu verursachen und leere Behauptungen zur Förderung von "Demokratie" und "Menschenrechten" aufstellt.
Demokratie vs. Diktatur
- - Die USA gewähren 73% der Diktaturen der Welt Militärhilfe. China kann das nicht toppen!
- - Großbritannien hat Hongkong 154 Jahre lang regiert und nicht ein einziges Mal eine Wahl abgehalten.
- - Regierungen in "demokratischen" Ländern unterstützen und stützen immer die Regime, die es ihnen ermöglichen, Profite zu machen. Wie Myanmar zeigt, ist zur Bekämpfung der Diktatur ein revolutionärer Massenkampf von Arbeiter*innen und jungen Menschen notwendig.
Die USA, die EU und andere westliche Regierungen und ihre Großkonzerne arbeiteten viele Jahre lang Hand in Hand mit Chinas Diktatur. Gemeinsam verschweigen sie Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen und halfen Chinas Polizeistaat sogar bei der Entwicklung einiger seiner fortschrittlichsten Überwachungstechnologien. Ihr einziges Anliegen war es, aus Chinas unorganisierter Belegschaft Profit zu schlagen und Chinas wachsenden Markt zu erschließen. Der neue Kalte Krieg markiert das Ende dieser angenehmen Beziehung, die einer wachsenden Feindschaft zwischen dem westlichen und dem chinesischen Kapitalismus weicht.
Der Kampf für Demokratie - für demokratische Rechte wie Redefreiheit, Versammlungsfreiheit, das Recht, sich in Gewerkschaften und politischen Gruppen zu organisieren, zu streiken, bei freien Wahlen zu kandidieren oder abzustimmen und eine Regierung rauszuwerfen - diese Rechte wurden immer nur durch Massenkämpfe errungen, insbesondere durch Kämpfe der Beschäftigten mit der kapitalistischen Klasse auf der gegenüberliegenden Seite der Barrikaden, wie es heute in Hongkong der Fall ist.
Einziger Weg: Klassenkampf
Demokratische Rechte wurden noch nie von einer herrschenden Gruppe oder einem Regime verliehen, und noch nie von einer ausländischen Regierung oder einer "internationalen Gemeinschaft". Das liegt daran, dass echte demokratische Rechte und der dafür notwendige Klassenkampf eine ernsthafte Bedrohung für das kapitalistische System darstellen, in dem eine winzige Minderheit die gesamte reale Macht innehat.
Deshalb baut Solidarität gegen Repression in China und Hongkong eine aktive Solidarität an der Basis mit dem antiautoritären Kampf in China und Hongkong auf und lehnt es entschieden ab, sich auf die Seite einer kapitalistischen Regierung zu stellen oder diese zu unterstützen. Die Arbeiter*innenbewegung, Bewegungen von Frauen, Jugendlichen und unterdrückten Minderheiten, das sind die einzigen Kräfte, die repressive Regimes besiegen können.
Um unsere Kampagne zu unterstützen, Aktionen zu diskutieren und Informationen über unsere Aktivitäten in eurem Land und an eurem Ort zu erhalten, schreibt uns unter hk.repression@gmail.com.
Wofür wir stehen:
- Nein zum Nationalen Sicherheitsgesetz für Hongkong.
- Freiheit für politische Gefangene in Hongkong und China. Wiederaufbau und Verbreitung des Kampfes für Massendemokratie.
- Schluss mit Masseninhaftierung, Zwangsarbeit und Diskriminierung von Uigur*innenen und nationalen Minderheiten. Für eine geeinte multiethnische Bewegung gegen die Diktatur.
- Für unabhängige Gewerkschaften und das Recht auf Streik. Organisiert mit uns gewerkschaftliche Solidarität mit den Arbeiter*innen in China und Hongkong.
- Internationale Solidarität - Nein zu Nationalismus, Imperialismus und dem neuen Kalten Krieg.