Staatsschutz. Aber für wen?

Müssen „wir“ uns gegen islamischen Terrorismus schützen und wen schützt das neue Staatsschutzgesetz wirklich?

Der Entwurf ist extrem verwinkelt formuliert. Möchte das Innenministerium den Inhalt des Gesetzes möglichst gut verschleiern? Die Richtervereinigung weist darauf hin, dass es selbst Strafrechtsexperten ein „hohes Maß an Mühe und Fleiß“ abverlangt, den Inhalt des Gesetzes zu erschließen. Nicht ohne Grund, denn dieses erlaubt etwa das Sammeln von personenbezogenen Daten im Fall von „wahrscheinlichen verfassungsgefährdenden Angriffen“. Diese entsprechen 100 Straftatbeständen von “Gründung einer terroristischen Vereinigung“ bis zur „Störung einer Versammlung“.

Wenn die „Wahrscheinlichkeit“ der Störung einer Versammlung es erlaubt, zu observieren, verdeckt zu ermitteln oder Zugangsdaten einzuholen, wird dies heißen dass allein die Planung einer Anti-WKR-Ball Demo dem Verfassungsschutz umfassende Befugnisse zur Überwachung einräumt. Auch sollen V-Leute eingeführt werden, also bezahlte Spitzel. Die Erfahrung aus Deutschland zeigt, dass dies v.a. dazu beiträgt, rechte Gruppen vom Verfassungsschutz quer zu finanzieren.

Kontrolliert werden sollen diese neuen Aufgaben eines defacto Inlandsgeheimdienst lediglich vom „Rechtsschutzbeauftragten“ des Ministeriums. Dem dürfen die Überwacher aber die Aussage verweigern, wenn dies die „nationale Sicherheit“ oder die „Sicherheit von Menschen“ gefährden würde.

All dies zeigt: der Staat bereitet sich auf kommende Klassenkämpfe vor. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung wird heute schon die Grundlage zur Niederschlagung kommenden Widerstands geschaffen. Schon jetzt werden vermehrt linke Proteste von vornherein untersagt, wie etwa eine Kundgebung gegen christlichen Fundamentalismus. Sind als nächstes öffentliche Betriebsversammlungen oder Gewerkschaftsdemos dran? Schon in der Vergangenheit wurde die Staatssicherheit verwendet, damit sich Firmen über ihre Beschäftigten „informieren“ konnten. Nun sollen auch kommende Proteste überwacht und erschwert werden. Die Gewerkschaft ist aufgerufen, gegen diesen Angriff auf gewerkschaftliche Rechte aktiv zu werden!

 

Der Staat baut ganz legal die Demokratie ab

Neue Befugnisse der Polizei im Sicherheitspolizeigesetz von 1993 bauen Überwachung aus. 2008 polizeiliche Telekommunikationsüberwachung ohne richterliche Kontrolle, gegen soziale Bewegungen wie Hausbesetzungen 2012, gegen Fußballfans 2014. Im §49 ist die „Erweiterte Anordnungsbefugnis“ geregelt, die beispielsweise das Verbot, einen Schal bei einer Demo zu tragen gesetzlich möglich macht.

Zwar gibt es keine Ausweispflicht, aber §35 erlaubt willkürliche Identitätsfestzustellung. V.a. MigrantInnen sind betroffen, werden oft auch durchsucht oder mitgenommen, was § 35 SPG gar nicht vorsieht. Beinahe jede polizeiliche Willkür wird legal: Datenerhebung-, sammlung, -übermittlung, -auswertung, Handyüberwachung ohne richterliche Anordnung und Kontrolle, auch Überwaschung von Internetaktivitäten.

Strafprozessordnung (StPO) und Strafgesetzbuch (StGB) sind laufend Novellierungen unterworfen. Unter dem Deckmantel „Kampf gegen Terror“ wurden 2002 großer Lauschangriff und Rasterfahndung legal. Im StGB wachsen neue Straftatbestände nach wie die Schwammerln, besonders bei „Strafbare Handlungen gegen die Staatsgewalt“: § 278a-f (Kriminelle Organisation, Terroristische Vereinigung, Terroristische Straftaten, Terrorismusfinanzierung, Ausbildung für terroristische Zwecke, Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat). Angewendet werden sie hauptsächlich gegen Linke, soziale und widerständige Bewegungen, wie Antifaschismus, Tierschutz etc.. Bei Bedarf werden aber alte, noch aus der Monarchie stammende Tatbestände ausgegraben und neuerdings gegen Proteste eingesetzt: z.B. Landfriedensbruch.

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