Selbstbestimmung gegen kapitalistische Unterdrückung

Helga Schröder

„Das Proletariat muss die Freiheit der politischen Abtrennung der von 'seiner' Nation unterdrückten Kolonien und Nationen fordern...Anderseits müssen die Sozialisten der unterdrückten Nationen auf die vollständige und bedingungslose, auch organisatorische Einheit der Arbeiter der unterdrückten Nation mit denen der unterdrückenden Nation besonders bestehen und sie ins Leben rufen.“ (Lenin, aus: „Die sozialistische Revolution und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen“)

Im Imperialismus, dem höchsten Stadium des Kapitalismus, sind viele, v.a. neokoloniale Länder, nicht selbstbestimmt. Die imperialistischen Staaten investieren dort Kapital, sorgen für ihnen genehme Regime und schüren ethnische und religiöse Konflikte, um diese Länder besser ausbeuten zu können. Innerhalb von Staaten leben Bevölkerungsgruppen, die im Kampf gegen Unterdrückung ihr Selbstbestimmungsrecht einfordern, wie die KurdInnen, die TamilInnen, die PalästinenserInnen etc. Nationalstaaten entsprechen den Interessen der KapitalistInnen (sie brauchen sie zur Durchsetzung ihrer Interessen gegen andere Unternehmen sowie gegen die ArbeiterInnen), nicht denen der ArbeiterInnen. Aus marxistischer Sicht – d.h. von einem „Klassenstandpunkt“ aus - kann die nationale Frage deshalb nicht von der sozialen Frage getrennt werden. Die ArbeiterInnenklasse der unterdrückenden Nation profitiert nicht von der Unterdrückung. Nationalismus wird dort von den Herrschenden als Instrument für Sozialabbau und Lohndruck gebraucht. Hingegen entsteht der Nationalismus der ArbeiterInnen der unterdrückten Nation oder Volksgruppe aus dem Kampf gegen soziale Misere und Ausbeutung. Auch wenn wir als MarxistInnen nicht FÜR Staaten oder Nationen sind verteidigen wir daher das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Völker, insbesondere dort, wo die Massen der ArbeiterInnen im Kampf gegen Unterdrückung ihre eigene Nation verlangen. Lenin hat das zaristische Russland als Völkergefängnis bezeichnet und die junge Sowjetunion entstand als freiwilliger Zusammenschluss (das änderte sich unter Stalin).

Letztlich kann dieses Selbstbestimmungsrecht nur in einem Staat erfolgreich sein, der nicht von einem anderen, imperialistischen Staat dirigiert wird und der von der ArbeiterInnenklasse regiert wird. Allein die Staatsgründung im Rahmen des Kapitalismus reicht nicht. Es bedarf einer sozialistischen Lösung, eines gemeinsamen Kampfes der ArbeiterInnenklasse des unterdrückten und des unterdrückenden Staates gegen ihre jeweilige herrschende Klasse. Dieser Klassenkampf wirkt dem Nationalismus entgegen. Gleichberechtigte, selbstbestimmte, sozialistische Staaten können dann eine freiwillige Konföderation eingehen.

„Indem das Proletariat zunächst sich die politische Herrschaft erobern, sich zur nationalen Klasse erheben, sich selbst als Nation konstituieren muss, ist es selbst noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoisie. …In dem Maße, wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegensatz der Klassen im Innern der Nationen fällt die feindliche Stellung der Nationen gegeneinander.“ (Marx/Engels, aus „Manifest der Kommunistischen Partei“)

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