Radikale Islamisten

Ein zweischneidiges Schwert
Katja Arthofer

58 Tote durch Anschlag in Luxor/Ägypten, brutale Massaker in Algerien, Tote und Verletzte durch Selbstmordattentäter in Tel Aviv und Jerusalem. Das Ziel: Die Errichtung eines islamischen Gottesstaates mit der Schariah als „gottgewolltes“ Rechtssystem. Was sind die Ursachen für das Erstarken radikaler Islamisten?
In Ägypten leben mindestens 34 % der Bevölkerung in absoluter Armut - Tendenz steigend, 50% Analphabeten. In Algerien sind die Zahlen ähnlich, in Palästina/besetzte Gebiete liegt die Arbeitslosigkeit bei bis zu 50 Prozent (z.B Westjordanland). Die soziale Situation der Massen hat sich in den arabischen Ländern seit den 70er Jahren drastisch verschlechtert. Unter dem Druck von Weltbank und IWF wurden soziale Kürzungen beschlossen und privatisiert. Die Krise der Weltwirtschaft verstärkte die schon schlechte wirtschaftliche Situation weiter. Der IWF fordert in all diese Länder die Reduzierung von staatlichen Subventionen - wie sie z.B für Brot existieren. Die seit 1996 im Amt befindliche ägyptische Wirtschaftsministerin setzt auf Privatiserung und ausländische Investoren. Sowohl Ägypten ,wie Algerien (Tunesien ...) sind - vom Westen gestützte - defacto Militärdiktaturen. So kamen bei den Kommunalwahlen dieses Jahr in Ägypten 4/5 aller zugelassenen Kandidaten aus der regierenden Nationaldemokratischen Partei Mubaraks.

Rolle der USA

Ursprünglich waren „fundamentalistische“ Gruppen vor allem mit Hilfe der USA aufgebaut worden, um sie gegen die „kommunistische Gefahr“ einzusetzten und ein Gegengewicht aufzubauen. So unterstützte der CIA zB. Aktivisten der Gamaa - jener Gruppe, die für den Luxor-Anschlag verantwortlich ist - um sie als Hilfe für die Mud-schahheddin in Afghanistan gegen das KP-Regime einzusetzen. Der Führer der Gamaa, Scheich Rahman, wurde von den USA nach Afghanistan geflogen, um seine Leute schulen zu können. Jetzt ist er in den USA in Haft - er war verantwortlich für den Anschlag auf das World Trade Center in NY.
Mit dem Zusammenbruch des Stalinismus hat sich die Situation für die islamische Welt völlig verändert. Vorher erreichten einige Länder durch Lavieren zwischen den Supermächten eine gewisse Sonderentwicklung, so bedeutet heute jede Abweichung von der neuen (US-)„Weltordnung“ offenen Konflikt. Das irakische Regime - früher von Ost und West umhätschelt ist ein Beispiel dafür. Gleichzeitig ist mit 1989 eine mögliche Alternative ideologisch verlorengegangen. Eine Kette von Niederlagen der oft moskauorientierten Linksparteien im arabischen Raum wurde damit vollendet. Die Linke hat es nicht geschafft die nationale Frage zu lösen: Die arabische Nation ist nachwievor durch unzählige, von den ehemaligen Kolonialherren willkürlich gezogene, Grenzen zersplittert. Die Fundamentalisten versprechen als einzige Einheit, Gerechtigkeit und vor allem konsequenten Kampf gegen den Imperialismus. Vergessen darf man nicht, daß das in den westlichen Medien gezeichnete Bild der „fundamentalistischen Schlächter“ nur die halbe Wahrheit zeigt. Die Hamas zB. organisiert soziale Projekte in Gaza und den Westbanks: Sie errichten Schulen, Spitäler etc Und auch die muslimische Bruderschaft (aus der die Gamaa hervorgegangen ist) in Ägypten schuf zahlreiche soziale Einrichtungen. Doch auch das ändert an der absolut reaktionären Gesamteinstellung von radikalen Islamisten nichts, wie die Zustände im Iran deutlich zeigen. Einmal an der Macht, werden Frauen unterdrückt, Streiks blutig niedergeschlagen und demokratische Rechte mit Füssen getreten. An der sozialen Situation der Massen ändert sich wenig
Die Staaten reagieren auf die Attentate ihrerseits mit staatlichem Terror. Das trifft vor allem auch jene GewerkschafterInnen, Frauenorganisationen und Linken, die tatsächlich gegen Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen. Nur sie - und nicht die vom Imperialismus gestützten Regimes - könnten dem Fundamentalismus die Basis entziehen.

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