Party mit den PartisanInnen

Von den Straßen in die Strandbar – und wieder zurück: Bella Ciao war der Sommerhit 2018
Sebastian Kugler

Wer im Sommer in Clubs oder Bars unterwegs ist, kommt nicht am rituellen „offiziellen Sommerhit“ vorbei. 2017 war es noch der durchgestylte Kommerz-Hit „Despacito“. Diesen Sommer konnte der Unterschied nicht größer sein: Plötzlich schallte aus allen Boxen der HUGEL-Remix von „Bella Ciao“, einem alten italienischen Widerstandslied. Keine Frage, Bella Ciao hat Ohrwurm-Charakter. Einfacher Aufbau und viele Wiederholungen sind das Grundschema vieler ArbeiterInnenlieder. So können sie leichter kollektiv gesungen werden und die Botschaft prägt sich stärker ein. Im Gegensatz zu Liedern wie „Despacito“ gibt es kein Copyright – ArbeiterInnenlieder wurden und werden immer wieder neu interpretiert und umgedichtet. Bella Ciao entstand in den Kämpfen der Reisarbeiterinnen zwischen 1904 und 1906. Da reden auf den Feldern verboten war, sangen sie: „ma verrà il giorno / que tutte quante / lavoremo in libertà (Aber es kommt der Tag / wo wir alle / in Freiheit arbeiten werden)“. Die antifaschistischen PartisanInnen übernahmen Melodie und Refrain. Die Strophen schrieben sie um. Die entsprechende Strophe lautete nun: „E questo è il fiore / del partigiano / morto per la libertà! (Das ist die Blume / des Partisanen / der für unsere Freiheit starb)“ Als Hymne der ArbeiterInnenbewegung wurde es weltbekannt. Auch heute singen SozialistInnen das Lied auf antifaschistischen Demonstrationen. Bella Ciaos Durchbruch 2018 ist aber der spanischen Serie „Haus des Geldes“ zu verdanken. Die Serie dreht sich um BankräuberInnen rund um den mysteriösen „El Profesor“ und spielt mit kapitalismuskritischen Motiven – nach Schöpfer Alex Pina steht ihre rote Kleidung „für den Sozialismus und dass diejenigen, die sie tragen, gegen den Kapitalismus sind. Die Kapitalisten werden von der Polizei verkörpert.“ Währenddessen wird Bella Ciao auch für politisch sinnvollere Aktionen als die von „El Profesor“ eingesetzt: Im August „grüßten“ Buspassagiere den zugestiegenen rechtsextremen italienischem Innenminister Salvini lautstark mit dem Lied - und filmten seine eingeschnappte Reaktion.

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