Offener Brief der Initiative Abfallberatung an die SPÖ

Sie kämpfen um jeden Arbeitsplatz?

Die rote Stadt Wien beweist uns seit 18 Monaten das Gegenteil. Wir haben zwei Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht gewonnen. Bei zwei weiteren AbfallberaterInnen hat die Stadt Wien mittlerweile Einsicht gezeigt. Weitere Verfahren sind anhängig. Und auch die Gebietskrankenkassenprüfung aller unserer jahrelangen Scheinselbständigkeiten ist weiterhin im Gange.

 

Sehr geehrter Herr Bundesparteivorsitzender der SPÖ Werner Faymann,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Michael Häupl,
sehr geehrte Frau Stadträtinnen Ulli Sima und Sandra Frauenberger!

Seit Wochen sehen wir flächendeckend Plakate mit dem Portrait des SPÖ-Bundesparteivorsitzenden und dem Slogan „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz“. Wir, die „Initiative Abfallberatung“ , kämpfen seit 2012 für faire und gesetzeskonforme Dienstverträge bei der Magistratsabteilung 48 der Stadt Wien. Wenn das nicht gute Synergieeffekte geben könnte! Doch kaum hatten wir unsere Forderung im Frühsommer 2012 öffentlich erhoben, hat uns die Stadt Wien sämtliche Dienste gestrichen. Von einem Tag auf den anderen standen wir ohne Einkommen da – als Scheinselbständige ohne Arbeitslosenversicherung.
Daraufhin folgte monatelanges Hinhalten und Kommunikationsverweigerung durch die politisch Verantwortlichen. Im vergangenen Winter haben
AbfallberaterInnen schließlich begonnen Klagen einzureichen.

Seit August 2013 gibt es nun die ersten rechtsgültigen Urteile vom Arbeits- und Sozialgericht Wien. Wir haben Recht bekommen! Die AK Wien hat uns dabei unterstützt. Das Gericht hat bei vorerst zwei KollegInnen festgestellt, dass es sich bei ihrer Beschäftigung als EinzelunternehmerInnen mit Gewerbeschein um sogenannte „Scheinselbständigkeit“ und bei den wiederkehrenden Werkverträgen um unzulässige Kettenverträge gehandelt hat. Daraufhin konnten die Verfahren zweier weiterer KollegInnen dadurch zu einem positiven Abschluss gebracht werden werden, dass die Stadt Wien vernünftigerweise einsah, dass es sich auch dort um völlig analoge Verhältnisse gehandelt hat. Insgesamt vier KollegInnen stehen somit (wieder) in einem Beschäftigungsverhältnis. Weitere Verfahren sind anhängig.

Der Arbeitskampf geht weiter

Für die Betroffenen bedeutet das aber lediglich einen ersten Schritt. Alle vier KollegInnen wurden „strafversetzt“. Jede und jeder in eine andere Abteilung der Stadt Wien. Per Gericht wurde auch „nur“ festgestellt, dass es sich um „aufrechte Dienstverhältnisse“ bei der Stadt Wien handelt. Was die Gehaltseinstufung und das Stundenausmaß betrifft, muss jetzt offenbar wieder vor Gericht gestritten werden. Um unsere Gehälter niedrig zu halten, wurden wir nun als „BetriebsassistentIn“, d.h. zur „handwerklichen Verwendung“ eingestuft.
Beworben haben wir uns vor vielen Jahren jedoch als AkademikerInnen oder jedenfalls mit Maturaniveau – entsprechend den Anforderungen, die die Stadt Wien in ihren Stellenausschreibungen formulierte. VertreterInnen der Stadt Wien haben schon betont, dass die Stadt Wien sehr viel Zeit habe und alle Gerichtsinstanzen durchfechten werde. Warum auch nicht. Nur die Betroffenen kämpfen mit der Zeit und mit dem Geld, das ihnen zur Verfügung steht. Seitens der Stadt Wien ist ja beides offenbar ausreichend vorhanden...

Wir fordern Sie, Herr Bundesparteivorsitzender und Ihre ParteikollegInnen – insbesondere die Verantwortlichen in der Stadt Wien - daher auf, die Wahlkampfansage „Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz“ tatsächlich ernst zu nehmen. Ersparen Sie sich, uns und den SteuerzahlerInnen diesen weiteren Gang vor Gericht. Erkennen Sie unsere Arbeits- und Sozialrechte endlich an. Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als uns zusteht: faire und gesetzeskonforme Dienstverträge. Dazu
gehört selbstredend eine korrekte Gehaltseinstufung auf Basis unserer Ausbildung, Qualifikationen und Vordienstzeiten.

Abschluss der Gebietskrankenkassenprüfung steht an

Auch bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) ist ein Prüfverfahren längst am Laufen. Während  die WGKK zunächst die ersten Gerichtsurteile abwarten wollte, rechnen wir nun jederzeit mit entsprechenden Bescheiden. Die Stadt Wien hat sich jahrelang Sozialversicherungsbeiträge für mehr als 30 AbfallberaterInnen gespart. Es ist daher nicht nur in unserem, sondern überhaupt im Interesse der Versichertengemeinschaft, dass die entgangenen Beiträge nachträglich
bezahlt werden. Und gerade für jene AbfallberaterInnen, die sich das Risiko einer Klage zur Feststellung des Dienstverhältnisses nicht leisten konnten und daher mit der Stadt Wien letztlich finanziell geeinigt haben, ist zumindest die Anerkennung ihrer sozialen Rechte durch die GKK in Hinblick auf Pensions- und
Arbeitslosenversicherungsbeiträge nun umso wichtiger.

Wir haben zum Teil bis zu 15 Jahre lang eine sehr gute und engagierte Arbeit als AbfallberaterInnen für die Stadt Wien geleistet. Nicht weil wir einen sicheren Posten bei der Stadt Wien hatten, nein, weil das für uns nicht nur ein „Job“ war, sondern eine Arbeit die jede und jeder von uns aus umweltpolitischer Überzeugung und mit Hingabe gemacht hat. Und um diese Arbeitsplätze kämpfen wir.

Aber welchen Beitrag werden Sie, sehr geehrter Herr SPÖ-Bundesparteivorsitzender und Ihre Wiener ParteifreundInnen, dazu leisten? Wir ersuchen um einen Gesprächstermin zur Klärung unserer aller Dienstverhältnisse mit dem Ziel endlich weitere Auseinandersetzungen vor Gericht zu vermeiden.

Mit umweltfreundlichen Grüßen,
Initiative Abfallberatung

http://abfallberatung.blogspot.co.at/

 

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