Neuer Krieg für Öl?

Nelli Tügel, CWI-Deutschland

Die Angst vor einem neuen Krieg im Nahen Osten wächst. In den letzten Monaten kursieren vermehrt Gerüchte über einen baldigen Militärschlag durch die USA beziehungsweise einen US-gestützen Militärschlag durch Israel gegen den Iran.

Laut dem US-Journalisten Seymour Hersh ist beim Generalstab im Pentagon eine spezielle Einsatzgruppe mit den Vorbereitungen von Luftangriffen auf den Iran betraut. Auch eine russische Nachrichtenagentur berichtete unter Berufung auf Moskauer Geheimdienstkreise von solchen Plänen.

Tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass die US-Regierung Kriegsvorbereitungen trifft. So die Stationierung der Flugzeugträger USS Stennis und Dwight D. Eisenhower im Persischen Golf.

Warum Iran?

Die herrschende US-Elite hat prinzipiell ein großes Interesse daran, das iranische Regime zu stürzen. Nicht ohne Grund hatte US-Präsident George W. Bush schon 2001 den Iran als Teil der „Achse des Bösen“ bezeichnet. Zwei Drittel der globalen Ölreserven sind im Nahen Osten konzentriert. Der Irak-Krieg war ein erster Schritt, sich dauerhaft den Zugriff auf die dortigen Bodenschätze zu sichern und die ganze Region unter die Kontrolle des US-Imperialismus zu bringen. Der Iran verfügt über die viertgrößten Ölressourcen und die zweitgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Außerdem ist das Regime von Mahmud Ahmadinedschad als Regionalmacht, das gegen die USA Stimmung macht, dem Weißen Haus mehr als nur ein Dorn im Auge.

Wie real ist die iranische Atombombengefahr?

Geschätzt wird, dass es noch fünf bis zehn Jahre dauert, bis das Regime Atombomben herstellen kann. Der Atomwissenschaftler Frank Barnaby der Oxford Research Group hält es im Fall von US-Militärschlägen für denkbar, dass der Iran alles auf eine Karte setzt und versucht, schnellstmöglich eine einsatzbereite Atombombe zu produzieren. Generell trägt der Kurs des Imperialismus dazu bei, dass immer mehr regionale Mächte – auf Basis der heutigen technischen Möglichkeiten – bestrebt sind, sich atomar zu bewaffnen.

Irak-Debakel

Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklungen im Irak erscheint es aber eher unwahrscheinlich, dass Washington es auf einen neuen Kriegsschauplatz ankommen lässt. Im Irak ist die US-Armee nicht in der Lage, das Land unter Kontrolle zu bringen. Einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums nach sind „alle Bedingungen eines Bürgerkriegs gegeben“. 138.000 US-Soldaten befinden sich derzeit im Irak und mit jedem weiteren toten GI wächst der Unmut der Bevölkerung in den USA selber. Die Situation im Irak fordert nahezu die kompletten militärischen Kräfte der USA. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die US-Regierung auf einen Bodenkrieg in einem Land wie der Iran – dreimal so groß wie der Irak – einlassen kann.

Gegenwind für Bush

Auch ein Luftkrieg birgt viele Risiken aus Sicht der US-Regierung. So ist es sehr wahrscheinlich, dass der ohnehin schwelende Flächenbrand im Nahen Osten im Falle eines Angriffes auf den Iran eskalieren würde – allen ethnischen Konflikten zum Trotz. Gerade die enge Verbindung des iranischen Regimes zur Hisbollah im Libanon, die gestärkt aus dem von Israel losgetretenen Krieg hervorgegangen ist, zur Hamas in Palästina, die die dortigen Wahlen im Januar 2006 gewann und zu den schiitischen Kräften im Irak würde im Falle eines Militärschlages eine Welle von Massenprotesten herbeiführen.

Ebenso würde die Antikriegsbewegung in den USA selber enormen Auftrieb erhalten und die US-Regierung würde sich mit Großdemonstrationen im eigenen Land konfrontiert sehen. Durch die wachsende Ablehnung des Irak-Krieges unter der arbeitenden Bevölkerung der USA ist nur eine Minderheit in den USA für einen Angriff auf den Iran. Dass sich die damalige Behauptung, der Irak besäße Massenvernichtungswaffen, als Lüge erwiesen hat, schwächt heute das Argument von Bush und Co., der Iran arbeite an einem Atomwaffenprogramm.

Die Herrschenden Irans um Präsident Ahmadinedschad würden durch einen Militärschlag eher gestärkt als geschwächt werden. Obwohl das Regime wegen wachsender innenpolitischer Konflikte und zunehmender sozialer Unruhen in Bedrängnis gerät, wäre der Hass der iranischen Bevölkerung gegen die USA im Falle eines Militärschlags grenzenlos. Selbst im Irak, in dem Saddam Hussein viel verhasster war als Ahmadinedschad im Iran heute, wurden die US-Truppen nie als Befreier betrachtet.

Zudem würde eine Invasion im Iran einen Stopp der Ölzufuhr in den Westen und damit eine Ölpreisexplosion bedeuten. Das könnte eine Weltwirtschaftskrise auslösen.

Zwist unter US-Herrschenden

Es gibt unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Herrschenden der USA und der Riege um Bush darüber, welches Vorgehen das Richtige sei. Die Mehrheit fürchtet eher die Folgen einer militärischen Auseinandersetzung mit dem Iran. Das gilt nicht nur für die Demokraten, sondern auch für wachsende Teile der Republikaner und sogar des Bush-Clans selber. Die neokonservativen „Falken“ um Vizepräsident Dick Cheney finden immer weniger Unterstützung mit ihren Vorschlägen – im Gegensatz zu anderen, wie der Baker-Kommission, die schon im Dezember den Abzug der Truppen aus dem Irak und die diplomatische Einbeziehung Syriens und Irans empfahl. Ebenso wie James Baker (Außenminister unter Bush senior) warnten auch andere hochrangige Republikaner vor einem neuen militärischen Desaster.

In der jetzigen Situation scheint es am wahrscheinlichsten, dass die US-Regierung von einem Angriff auf den Iran erstmal absieht. Dafür spricht auch, dass trotz des Aufbaus einer Drohkulisse die Anstrengungen zu diplomatischen Gesprächen verstärkt werden. So gab US-Außenministerin Condoleezza Rice Ende Februar – wenige Tage, nachdem das Ultimatum des UN-Sicherheitsrates an den Iran, das Uran-Anreicherungsprogramm zu beenden, abgelaufen war – bekannt, dass die USA gemeinsam mit den anderen vier Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates an zwei Nahost-Konferenzen über den Irak teilnehmen würden. Sowohl Syrien als auch der Iran wurden eingeladen. Rice bezeichnete dieses Treffen als eine „neue Komponente“ US-amerikanischer Diplomatie. Man setzt darauf, im Iran die bürgerliche Opposition gegen Ahmadinedschad zu stärken und auf diesem Weg einen Regimewechsel herbeizuführen.

Kapitalismus und Krieg

Aber auch wenn vieles dagegen spricht, ist es nicht völlig auszuschließen, dass es sogar kurzfristig zu militärischen Handlungen gegen den Iran kommt. So könnte möglicherweise die israelische Regierung Luftangriffe starten – um die eigene Krise zu „lösen“. In Umfragen unterstützen keine zehn Prozent mehr die Olmert-Regierung. Solange das US-Militär so geballt in der Region vertreten ist, droht jederzeit eine weitere Eskalation, die eine militärische Kettenreaktion nach sich ziehen könnte.

Im letzten Jahr zählte die AG Kriegsursachenforschung der Hamburger Universität weltweit 43 Kriege und bewaffnete Konflikte. Nach dem Ende des „Kalten Krieges“ werden Jahr für Jahr 1.000 Milliarden Dollar für Rüstung ausgegeben. Offenkundig nicht wegen der Bedrohung durch den Ostblock, sondern weil kapitalistische Staaten gegeneinander aufrüsten. Es geht um Profite, Rohstoffe und Einfluss. Nicht nur im Nahen Osten. Darum toben heute Kriege. Darum steuert die Welt auf weitere Kriege zu – wenn dieses mörderische System nicht überwunden wird.