Musik ist hochpolitisch: Teil 1 Reggae

Zwischen Roots, Religion und Revolution
Sebastian Kugler

Die Geschichte des Reggae ist eng mit der von Jamaika verbunden. In den späten 1930er Jahren beschwören die Auswirkungen der Wirtschaftskrise massiven Widerstand. In Folge organisieren sich die ArbeiterInnen und Arbeitslosen vermehrt in Gewerkschaften und politischen Parteien, um die Unabhängigkeit Jamaikas zu erkämpfen. Doch auch nach der 1962 erlangen Unabhängigkeit existieren die wirtschaftlichen und sozialen Probleme weiter. Der Reggae entsteht in den späten 1960er Jahren. "Reggae heißt einfach: kommt vom Volk her. Alles, die Musik, der Rhythmus, aber auch die Armut, das Leiden des Volkes.", sagte einer der wichtigsten frühen Reggae-Musiker Toots Hibbert. Die Texte des frühen Reggae haben einen starken religiös-politischen Bezug. Die Religion der Rastafari wird zu einem wichtigen Faktor. Ihr Wunsch nach der Befreiung der schwarzen Bevölkerung spricht viele frühe Reggae-KünstlerInnen an, auch Bob Marley. Da sich aber das Reggae-Credo „Love, Peace & Unity“ im Kapitalismus nicht umsetzen lässt, nahm er auch einen politischen Charakter an. Da Reggae lange Zeit fast nur von den Jugendlichen der ArbeiterInnenschicht getragen wird, fließen antiimperialistische, pazifistische und teilweise auch sozialistische Inhalte ein. Aber wie es nun mal mit Religionen so ist, bringt auch das Rastafaritum einen Rattenschwanz an reaktionären Elementen mit. Homosexualität wird mit Bezug auf das alte Testament abgelehnt, ebenso wie die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.

Reggae heute: Homophobie vs. Antikapitalismus

Heute gibt es Kontroversen rund um Reggae. Einige männliche Künstler versuchen, die Musik für homophobe und sexistische Hetze zu instrumentalisieren. Lieder, die gegen Homosexuelle hetzen oder sogar zur Gewalt gegen sie aufrufen, sind keine Seltenheit und haben sogar schon einen eigenen Namen: „Battyman-Tunes“. Bekannte Namen sind hier Capleton oder Sizzla, der diesen Sommer auf dem Sunsplash Reloaded in Wiesen spielen durfte. Aber es geht auch anders. Besonders in der Dancehall-Szene sammeln sich linke Reggaebands wie Raggabund oder Irie Révoltés. Eine der bekanntesten sind Mono & Nikitaman, die in fast allen ihren Songs antikapitalistische Inhalte verpacken.

„Tausend“ von Mono & Nikitaman:

Ihr seid nur ein paar hundert, aber habt mehr als die ganze Welt
300 Milliardäre enteignet sie, verteilt das Geld!
Dann würde keiner hungern, das Kapital wär gut verteilt.
Aber Geld ist Macht und Macht macht süchtig!
Ihr seid krank und keiner heilt

Tausend Obdachlose bauen euer Schloss!
Tausende Hungernde füttern euch Brot!
Tausende Tote machen euch groß!
Aber wir sind viele Millionen und ihr werdet uns nie los!

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: